Kommunen:Selber buddeln 

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Gemeinden finden kreative Modelle, um schneller an einen Breitbandanschluss zu kommen. Da kann es schon mal sein, dass wie in Senden ein paar Anwohner selbst mitgraben. Mit 2200 Euro Eigenbeteiligung ist man als Bürger dabei.

Von Valentin Dornis, Düsseldorf/Hagen

Um schnelles Internet in die Bauerschaft Gettrup zu bringen, mussten sich die Münsterländer Landwirte mühsam durch den Schlamm der umliegenden Äcker wühlen. Sie hängten Pflüge an ihre Traktoren, brachen den Boden auf und versenkten dünne Rohre darin. Durch diese wurden schließlich mit Druckluft die Glasfaserkabel hindurchgeschossen. Nun können die Landwirte ohne Ruckeln im Internet surfen, während bundesweit über den stockenden Breitbandausbau diskutiert wird.

In der Gemeinde Senden, zu der auch die Bauerschaft Gettrup gehört, wurde der Ortskern schon seit 2014 mit einem flächendeckenden Glasfasernetz versorgt. Nun folgen Schritt für Schritt die Außenbereiche. Kooperationspartner ist die Deutsche Glasfaser, die gezielt dort neue Glasfasernetze aufbaut, wo noch keine Kabel der Konkurrenz im Boden liegen. Das Unternehmen geht auf ländliche Kommunen zu, und wenn genügend Bewohner das Angebot annehmen, wird Glasfaser verlegt. Innerhalb der Ortskerne klappt das meist.

Schwierig wird es in den Außenbereichen, wie in Senden. Rund um den Ort liegen mehrere Bauerschaften und einzelne Höfe, teilweise Kilometer entfernt. Also: Sehr viele Kilometer Glasfaserkabel, die in die Erde müssen, aber nur sehr wenige Abnehmer. "Deshalb haben wir gemeinsam mit der Deutschen Glasfaser ein Pilotprojekt gestartet, bei dem sich die Anwohner sehr stark beteiligen", sagt Niklas Esser. Er betreut für die Sendener Wirtschaftsförderung den Glasfaserausbau. Von dem Modell sollen alle Seiten profitieren: Gemeinde, Anwohner und Deutsche Glasfaser. Dem neu gegründeten Verein "Teilnehmergemeinschaft Glasfaser Außenbereich Senden" traten mehr als 80 Prozent der Anwohner in den Außenbereichen bei und verpflichten sich, für ihren Anschluss einmalig 1700 Euro an die Deutsche Glasfaser zu zahlen und dort einen Internetvertrag zu unterschreiben. Hinzu kommen 500 Euro "Buddelkosten" für Werkzeug und Material. Denn die Verlegearbeiten übernehmen die Anwohner selbst, mit Gummistiefeln, Traktoren und Pflügen. Das macht pro Haushalt 2200 Euro für schnelles Internet - offenbar kein Hindernis, denn die Not ist groß, sagt Niklas Esser: "In den Außenbereichen kann man teilweise nicht einmal ein Youtubevideo schauen." Nach dem Test in der Bauerschaft Gettrup sollen nun bis 2019 insgesamt 180 Kilometer Glasfaserkabel für etwa 500 Anschlüsse auf diese Art verlegt werden.

Von solchen Zahlen sind sie im Industriegebiet Lennetal in Hagen weit entfernt. Dort geht es auch nicht um Anwohner, die an das Glasfasernetz angeschlossen werden sollen, sondern um mehr als 200 Unternehmen vom Zwei-Mann-Betrieb bis zur Bandstahl-Firma mit 2000 Mitarbeitern. Hagen liegt am östlichen Rand des Ruhrgebietes und hat etwa 190 000 Einwohner. Das Beispiel zeigt, dass auch in urbanem Umfeld die flächendeckende Breitbandversorgung einige Hürden nehmen muss. Das merkte auch Steuerberater Michael Hösterey. Der Steuerberater gründete 2016 mit einigen Mitstreitern die Breitbandgenossenschaft Hagen, unterstützt unter anderem von einer örtlichen Bank und gefördert vom Land NRW. Die Idee: Das schnelle Netz soll nicht einem einzigen Anbieter oder der Stadt gehören, sondern den Unternehmen, die es nutzen.

Auf dem Land müssen Anbieter viele Kilometer Kabel für wenige Kunden verlegen

Doch die wollten Höstereys Begeisterung nicht unbedingt teilen. Viele sahen kurzfristig keinen Nutzen für ihre Firma oder sorgten sich um mögliche Kosten. Je nach Unternehmensgröße sollten mindestens 3500 Euro für Genossenschaftsanteile fällig werden. "Dabei ist das Geld nicht weg, sondern wird im Falle eines Austritts auch wieder ausgezahlt", betont Hösterey. Etwa drei Millionen Euro hätte es gekostet, das Lennetal mit 33 Kilometern Glasfaserkabel zu versorgen. Ein aufwendiges Projekt, von dem das Wirtschaftsministerium NRW hoffte, es als Blaupause für ähnliche Projekte in anderen Städten nutzen zu können. Doch es traten zu wenige Unternehmen der Genossenschaft bei. Das gesamte Projekt drohte zu scheitern, bis die Genossenschaft einen neuen Plan fasste: Statt mit Glasfaserkabeln soll das Industriegebiet Lennetal ab Anfang 2018 mit der günstigeren Richtfunktechnik ans schnelle Internet angeschlossen werden. Die Daten werden dabei über ein Netz von Antennen übertragen, die eine konstante Sichtverbindung haben müssen - es dürfen also zum Beispiel keine Gebäude im Weg seien.

Dem Richtfunk haftet der Ruf einer Brückentechnologie an. Hösterey ist aber davon überzeugt, dass diese Technik heute an geeigneten Orten keine Nachteile gegenüber der Glasfaser mehr hat. Die Genossenschaft garantiere eine ähnlich niedrige Störungsquote wie herkömmliche Kabel. Davon muss er jetzt nur noch die Unternehmer überzeugen. Bisher sind 14 Firmen an das Richtfunknetz angeschlossen. Eines ihrer Ziele hat die Genossenschaft aber ohnehin erreicht, sagt Hösterey: "Wir haben dafür gesorgt, dass sich auch die großen Kabelnetzbetreiber stärker für das Lennetal interessieren."

© SZ vom 21.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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