Kommentar:Wenn nötig: Widerstand

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Deutschland hat sich für ausländische Investoren immer offen gezeigt. Das könnte sich als Fehler erweisen. Es muss möglich sein, Übernahmen zu verbieten.

Von Alexander Hagelüken

Seit chinesische Investoren in Deutschland massiv Firmen übernehmen, treibt das Thema die Menschen um. Fließt hier wertvolles Know-how ab, das den Deutschen bald fehlt? Strebt China nach industrieller Dominanz, während es gleichzeitig selbst europäische Unternehmen behindert? Oder handelt es sich in jedem Fall um Investitionen, die sich eine Marktwirtschaft nur wünschen kann? Die Bundesregierung startet nun mit Frankreich und Italien einen Vorstoß, um solche Übernahmen unter bestimmten Voraussetzungen zu verhindern. Ein solches Ansinnen halten liberale Ökonomen für Teufelszeug. Sie irren. Es gibt gute Argumente dafür, den Fall China kritischer zu betrachten.

Die Bundesrepublik war gegenüber ausländischen Investoren immer besonders offen. Gerade im Vergleich mit europäischen Nachbarn. Frankreich verhinderte den Kauf nationaler Größen, etwa des Lebensmittelkonzerns Danone. Die Bundesregierung dagegen hob keinen Finger, geschweige denn eine Hand, als die spanische ACS 2011 den größten deutschen Baukonzern Hochtief schluckte. Dabei hatten spanische Politiker einige Jahre zuvor genau das Gegenteil getan: Sie sabotierten den Kauf des Energieriesen Endesa durch den deutschen Eon-Konzern.

Die Deutschen fahren mit ihrer Haltung unter dem Strich gut, auch wenn sie nicht allen gefällt. Die deutsche Volkswirtschaft wächst stärker und zieht mehr Investoren an als die Nachbarn. Auch chinesische Käufer erwiesen sich meist nicht als die befürchteten Plattmacher, die massenhaft Jobs schreddern. Es wäre also schädlich, grundsätzlich Investoren aus dem Ausland zu bremsen. Trotzdem spricht einiges dafür, chinesische Übernahmen differenzierter zu betrachten. In Peking sitzen nicht nur keine Demokraten, sondern auch keine Marktwirtschaftler. Die Regierung ordnet fairen Wettbewerb im Zweifel dem Ziel unter, eine noch größere Wirtschaftsmacht zu werden.

Ihr Programm "Made in China 2025" soll heimische Firmen in zehn Branchen führend machen, von Computerchips bis zu Elektroautos. Schon in der Vergangenheit griff die Regierung zu Subventionen und anderen Tricks, damit Chinas Firmen Konkurrenten auf dem Weltmarkt an die Wand drücken konnten. So geschehen bei Solarfabriken. Zu diesem Vorgehen würde es passen, bestimmte Firmen aufzukaufen, um das Know-how abzusaugen und industrielle Dominanz zu erlangen - zu Lasten des Standorts Deutschland. Womöglich wird der Kauf der Roboterfirma Kuka in einigen Jahren negativer gesehen als heute.

Es muss möglich sein, Firmenkäufe zu untersagen - aus wirtschaftlichen Gründen

Europas Regierungen sollten chinesische Industriepolitik à la "Made in China 2025" genau beobachten. Sie können bisher jedoch kaum einschreiten, falls sie wirklich den Verlust wichtiger Technologien befürchten. Wegen der EU-Regeln lässt sich nach deutschem Gesetz eine Übernahme nur stoppen, wenn die öffentliche Sicherheit bedroht ist - aber nicht aus wirtschaftlichen Gründen. Deshalb fordern Deutschland, Frankreich und andere zu Recht neue Regeln: um Aufkäufe etwa dann zu verhindern, wenn sie Teil einer strategischen Industriepolitik sind.

Die Gefahr so eines Instruments ist natürlich, dass es nicht nur zur Abwehr unfairen Dominanzstrebens gebraucht wird. Sondern, um generell ausländische Käufer abzuschrecken. Um das zu vermeiden, muss ein neues Übernahmerecht Bedingungen erfüllen. Die Entscheidung über einen Stopp sollte beim jeweiligen EU-Land liegen, damit Deutschland seine Offenheit trotz der protektionistischen Tendenzen einiger Nachbarn weiter pflegen kann. Es muss möglichst genau definiert werden, wann ein Firmenaufkauf gefährlich - also untersagbar - ist. Voraussetzung für einen Stopp sollten unabhängige Untersuchungen sein, wie sie die EU-Kommission in Kartellfällen vornimmt.

Wenn Europa seine Übernahmepraxis derart ändern würde, wäre es ein mächtiges Signal an China: die Botschaft, dass man sich nicht mehr alles gefallen lässt. Denn während chinesische Investoren hierzulande schrankenlos Firmen shoppen, können EU-Unternehmen im Reich der Mitte selten Unternehmen aufkaufen. Schon wer nur in China tätig werden will, muss oft heimische Partner beteiligen, die aufs Know-how zugreifen.

Trotz europäischen Drängens zeigt sich Peking in diesen Fragen steinhart. Neue EU-Übernahmeregeln können das ändern. Die chinesische Regierung hätte dann ein Interesse zu beweisen, dass es ihr nicht um industrielle Dominanz geht, wenn Firmen in Europa zukaufen. Der beste Beweis wäre, ausländische Investoren freier Chinas Firmen kaufen zu lassen, ohne dies wie jetzt aus strategischen Gründen zu verhindern.

© SZ vom 24.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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