Kommentar:Es geht eben nur mit Regeln

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Deutschland muss durchsetzen, dass seine Konzerne Menschenrechte achten. Wie das geht, zeigt ein US-Gesetz.

Von Caspar Dohmen

Kaum eine Volkswirtschaft ist dermaßen in weltwirtschaftliche Zusammenhänge verwoben wie die deutsche, ob bei der Beschaffung von Rohstoffen und Vorprodukten oder dem Verkauf von Waren. Angesichts dessen kommt der Bundesregierung eine ganz besondere Verantwortung bei der Umsetzung der sogenannten UN-Leitlinien für Unternehmen und Menschenrechte zu. Sie wurden 2011 einstimmig vom Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen verabschiedet und müssen jeweils von den Regierungen konkretisiert werden, in sogenannten Nationalen Aktionsplänen. In Deutschland haben Politik, Wirtschaft und Gesellschaft seit eineinhalb Jahren beraten, bald soll der Plan der Bundesregierung stehen. Dessen Nutzen steht und fällt mit dem Grad der Verbindlichkeit, der für Unternehmen bei der Umsetzung ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten entlang der Wertschöpfungsketten gelten soll.

Die USA machen vor, wie man von Unternehmen moralisches Handeln verlangen kann

Der Export von Autos, Maschinen, Chemikalien und sonstigen Produkten sichert maßgeblich unseren Wohlstand in Deutschland, die Gewinne der Unternehmen genauso wie die Löhne großer Teile der Beschäftigten und wesentliche Steuereinnahmen des Staates. Eine Zahl mag dies verdeutlichen: Die 30 im Deutschen Aktienindex erfassten Unternehmen wickeln 40 Prozent ihrer Geschäfte außerhalb von Europa ab, Tendenz steigend. Der Erfolg der deutschen Exporteure hängt dabei von dem Erfindungsreichtum der Ingenieure und der Qualität der Produkte ab, aber eben nicht nur. Die Konkurrenzfähigkeit der Firmen bemisst sich auch danach, dass sie zu wettbewerbsfähigen Kosten produzieren und Rohstoffe beschaffen können. Dafür nutzen Unternehmen Zulieferer und Lieferanten auf der ganzen Welt. Je länger und anonymer die Beschaffungsnetze verlaufen, desto größer ist die Gefahr, dass Unternehmen dabei direkt oder indirekt in die Verletzung von Menschenrechten verwickelt werden, also etwa wegen lebensgefährlicher Arbeitsbedingungen, Ausbeutung oder gewerkschaftsfeindlicher Aktivitäten bei ihren Zulieferern kritisiert werden. Genaue Zahlen über das Ausmaß der Verwicklung von Unternehmen in Menschenrechtsverstöße gibt es nicht. Einen Hinweis liefert eine Studie der Universität Maastricht. Forscher hatten 1800 öffentlich zugängliche Beschwerden über Menschenrechtsverstöße ausgewertet. Unternehmen aus den USA führen die Liste mit 511 Beschwerden an, dann folgten Firmen aus Großbritannien, Kanada und China. Firmen aus Deutschland belegten mit 87 Beschwerden Platz fünf in diesem Negativranking. In den meisten Fällen wurden Konzerne kritisiert, die Rechte von Arbeitnehmern oder von Angehörigen lokaler Bevölkerungen verletzt zu haben.

Zuständig für die Einhaltung der Menschenrechte sind laut Völkerrecht die jeweiligen Nationalstaaten. Allerdings gibt es diverse Regierungen, die dieser Verantwortung nicht nachkommen wollen oder können. Es braucht also Übergangslösungen. Wichtig wäre, dass grenzüberschreitend tätige Unternehmen sich an strengere und vor allem verbindliche Vorgaben halten müssen. Freiwillige Regeln waren bislang unzureichend, um die Zustände zu verändern. Besonders eindrücklich zeigt sich das an anhaltenden Problemen in asiatischen Textilfabriken.

Welche Dynamik Unternehmen dagegen bei verbindlichen Vorgaben entfachen können, zeigt der Dodd-Frank Act aus den USA. Das Gesetz sieht unter anderem vor, dass alle in den Vereinigten Staaten börsennotierten Unternehmen offenlegen müssen, ob in ihren Produkten Mineralien wie Gold oder seltene Erden verwendet werden, mit deren Verkauf Konfliktparteien im Kongo ihren Krieg finanzieren. Mittlerweile gibt es bereits über 140 konfliktfreie Minen, bei denen Firmen bedenkenlos einkaufen können. Betroffene Technologiekonzerne wie Intel und Philips äußerten sich positiv über das Verfahren. Die Kosten dafür erwiesen sich übrigens als wesentlich geringer als ursprünglich von der Wirtschaftslobby befürchtet. Im Schnitt liegen diese bei gerade einmal 0,01 Prozent des Jahresumsatzes - gleichermaßen für große und kleine Unternehmen. Das sollte jeder Firma die Einhaltung von Menschenrechten und die Vermeidung von Negativschlagzeilen wert sein. Die US-Regelung führte dazu, dass sich EU und China dem Thema Konfliktrohstoffe widmeten. Eine ähnliche Vorbildfunktion könnte ein ambitionierter Aktionsplan aus Deutschland für Unternehmen und Menschenrechte entfalten. Einen Vorreiter braucht es dringend bei diesem Prozess. Denn die ersten elf Aktionspläne, die Regierungen vorgelegt haben, setzten keinen Impuls, ganz im Gegenteil.

© SZ vom 31.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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