Kommentar:Ein Deutscher für Frankfurt

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Mit der voraussichtlichen Wahl des Spaniers Luis de Guindos zum Vizepräsidenten der Europäischen Zentralbank scheint der Weg frei für Jens Weidmann, EZB-Präsident zu werden - er ist der beste Kandidat für den Posten.

Von Alexander Hagelüken

Wer Jens Weidmann begegnet, gewinnt meist den gleichen Eindruck: Der Bundesbank-Chef verhält sich so freundlich und bescheiden, wie es nicht jeder in diesem prominenten Amt wäre. Der 49-Jährige wirkt wie ein Gegenentwurf zum krachigen Teutonen. So traten deutsche Politiker in Europa zwar ohnehin selten auf, die Finanzminister Wolfgang Schäuble und Peer Steinbrück aber manchmal doch. Weil Weidmann anders ist, eignet er sich für eine noch prominentere Aufgabe als seine jetzige: Als Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) könnte er die Geldpolitik umsteuern, bevor sie die Euro-Zone ins Verderben stürzt.

Weidmann verfügt über die nötige Sensibilität, um zwischen Süden und Norden zu vermitteln. Natürlich ist er noch gar nicht zum Nachfolger von Mario Draghi bestimmt, der nach acht Jahren nicht wiedergewählt werden darf, aber es ist doch schon eine Vorentscheidung gefallen: Neuer EZB-Vize soll ein Spanier werden. Damit könnte der Präsident in Frankfurt bald aus dem Norden kommen. Weidmann ist der beste Kandidat. Nicht nur, weil er verbindlich auftritt. Er hat vor allem im Blick, welche Geldpolitik Europa jetzt braucht. Die Aufgabe des Deutschen hängt eng mit der Bilanz zusammen, die sich von der Amtszeit Mario Draghis ziehen lässt. Draghis Bewertung zerfällt in zwei Teile. Erst rettete er den Euro, dann öffnete er die monetären Schleusen zu weit.

Der Lorbeer zuerst: Ohne den Italiener wäre die Euro-Zone womöglich gar keine mehr. Was sich kaum hoch genug einschätzen lässt, gerade wegen des Generalverdachts vieler Deutscher gegen ihn. Der Notenbanker trat 2012 mit einer Entschlossenheit für die gemeinsame Währung ein, die den Politikern abging. Die Finanzmärkte hätten ihnen nach jahrelangem Rumgedruckse auch gar nicht abgenommen, es schmerzhaft ernst zu meinen. Draghi schon: Die Drohung riesiger Geldsalven ("whatever it takes") schreckte die Spekulanten, die die Euro-Zone auseinanderschießen wollten.

Draghis Tragik besteht darin, dass er vom Krisenmodus nicht mehr in den Normalbetrieb umschalten kann. Nach der Rettung des Euro versuchte er, die Wirtschaft vornehmlich in Südeuropa durch Nullzinsen und gigantische Käufe von Staatsanleihen anzuregen. Damit türmte er Risiken in den Bilanzen der Zentralbanken auf. Er verzerrte die Preise, riss Krater in die zinsbasierte Altersvorsorge und pumpte in Boomstaaten wie Deutschland Aktien- und Immobilienblasen auf.

Draghi steckt im Tunnel. Er vermag seinen Blick nicht mehr von den Schrecken der Krise zu lösen. Doch die verblassen. Europas Volkswirtschaften wachsen, auch im Süden. Entschlossene Politiker gingen in Spanien, Italien und zuletzt Frankreich die Reformen an, die billiges Geld nicht ersetzen kann. Gleichzeitig wird das billige Geld immer teurer, es verursacht immer höhere Kosten. Daher braucht es nun einen stabilitätsorientierten Notenbanker, um gegenzusteuern, wo Draghi säumt. Es braucht Weidmann.

Die Abkehr vom billigen Geld liegt auch im europäischen Interesse

Mancher argumentiert, dass sich die südlichen Euro-Staaten doch keine typisch deutsche Politik verschreiben lassen werden; außerdem müsste auch ein Präsident Weidmann sich seine Mehrheiten im EZB-Rat suchen. Dazu lässt sich sagen, die Abkehr vom billigen Geld liegt gar nicht im speziell deutschen Interesse, sondern im europäischen. Finanzblasen in großen Ländern treffen letztlich den ganzen wirtschaftlich verflochtenen Kontinent, wenn sie platzen. Außerdem braucht die Zentralbank dringend Munition, um einem konjunkturellen Einbruch zu begegnen, zu dem es irgendwann kommen wird. Heute könnte die EZB gar nicht stimulieren: Die Zinsen sind ja schon bei null.

Einige in Deutschland befürchten einen schmutzigen Deal. Die Bundesregierung bringe ihren Kandidaten Weidmann nur durch, wenn sie einer Transferunion zustimme. Das darf sie natürlich nicht tun, falls das überhaupt jemand verlangt. Sie muss aber ein größeres Tableau europäischer Personalien sondieren, in dem die EZB ein Mosaikstein wäre. Kanzlerin Angela Merkel fehlt bisher die Vision, einen wie den französisch- und niederländischsprachigen Ex-EU-Beamten Peter Altmaier als Chef der Kommission vorzuschlagen. Deshalb könnte sie in Brüssel dem Europafan Emmanuel Macron den Vortritt lassen - und dafür einen Deutschen in der Zentralbank durchsetzen.

© SZ vom 21.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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