Koalition korrigiert Konjunkturprognose:Eine Million Arbeitsplätze sind in Gefahr

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Die Regierung räumt ein, dass es schlechter um die Konjunktur steht als bislang prognostiziert: Sie rechnet mit einem Wirtschaftsrückgang um 4,5 Prozent.

Claus Hulverscheidt

Die Bundesregierung wird ihre Konjunkturprognose für dieses Jahr nochmals drastisch senken. In Regierungskreisen hieß es, man befürchte, dass die Wirtschaftsleistung um etwa viereinhalb Prozent schrumpfen werde.

Das Minus für das Gesamtjahr kann schon rein rechnerisch kaum noch unter vier Prozent liegen (Foto: Foto: ddp)

Die Zahl der Arbeitslosen könnte damit im Jahresschnitt um eine Million Menschen nach oben schnellen. Zudem wird die Rezession riesige Löcher in die Staatskassen reißen.

"Dramatisch schlecht"

Bislang sagt die Regierung für 2009 einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um zweieinviertel Prozent voraus. Aus den Kreisen verlautete jedoch, die Zahlen im ersten Quartal seien "so dramatisch schlecht", dass das Minus im Gesamtjahr schon rein rechnerisch kaum noch unter vier Prozent liegen könne. "Womöglich kommen wir sogar an fünf Prozent heran", hieß es.

Offiziell wird die Regierung ihre neue Prognose in der zweiten April-Hälfte vorstellen, derzeit laufen im Kanzleramt, im Finanz- und im Wirtschaftsministerium die Vorarbeiten. Die Schätzungen in den einzelnen Häusern liegen dabei noch etwa einen Punkt auseinander.

Die Vorhersage der Commerzbank, wonach die Wirtschaft um bis zu sieben Prozent schrumpfen könnte, wurde als "Worst-Case-Szenario" bezeichnet, das aus heutiger Sicht nicht realistisch sei. Andererseits sei die Situation derart instabil, dass nichts mehr ausgeschlossen werden könne. Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg wollte sich am Dienstag nicht zu Zahlen äußern, verwies aber darauf, dass der konjunkturelle Abwärtstrend ungebrochen sei. "Wir haben mit Sicherheit die Talsohle noch nicht erreicht", sagte er.

Der Anstieg der Erwerbslosigkeit wird derzeit noch dadurch gedämpft, dass viele Unternehmen die von der Regierung gelockerten Kurzarbeiterregelungen nutzen. Im Laufe des Jahres werde die Krise aber voll durchschlagen, hieß es in den Regierungskreisen. Ein Anstieg der Erwerbslosigkeit auf mehr als vier Millionen wird dabei nicht mehr ausgeschlossen. Im Durchschnitt des Jahres 2008 waren knapp 3,3 Millionen Bundesbürger auf Stellensuche gewesen.

Deutlich höhere Sozialausgaben

Auf die Kassen von Bund, Ländern und Gemeinden kommen damit Fehlbeträge in beträchtlicher zweistelliger Milliardenhöhe zu. Erweist sich die derzeit diskutierte Schätzung der Regierung als richtig, würden sich allein die Steuerausfälle auf rund 25 Milliarden Euro summieren. Hinzu kämen deutlich höhere Sozialausgaben.

Für den Bund hieße das, dass die Neuverschuldung auf 60 bis 70 Milliarden Euro steigen und damit den höchsten Wert aller Zeiten erreichen würde. Dies bedeutet zugleich, dass Deutschland die EU-Schuldengrenze von drei Prozent des BIP 2009 nicht wird einhalten können. 2010 werden sich die Haushaltsprobleme weiter verschärfen, da sich die wirtschaftliche Entwicklung erst mit erheblichem Zeitverzug in den Steuereinnahmen niederschlägt.

Grund für den dramatischen Konjunktureinbruch ist vor allem das Wegbrechen der Exportmärkte. Laut Welthandelsorganisation wird der globale Warenaustausch in diesem Jahr um neun Prozent schrumpfen - so kräftig wie noch nie seit Kriegsende. Von diesem Absturz ist Deutschland als "Exportweltmeister" besonders stark betroffen.

Der deutsche Groß- und Außenhandel prognostizierte am Dienstag für 2009 einen Exportrückgang von bis zu 15 Prozent. Auch viele Einzelbranchen stellen sich mittlerweile auf katastrophale Zahlen ein. Gleich mehrere mittelständische Betriebe kündigten am Dienstag den Abbau von jeweils einigen hundert Stellen an, darunter die bayerischen Firmen Leoni und Surteco.

© SZ vom 25.03.2009/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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