Klimaschutz:Geht doch

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Bis 2050 sollen deutsche Emissionen von klimaschädlichem Kohlendioxid um 80 bis 95 Prozent gesunken sein. Die Industrie findet Wege dahin.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Bevor Ulrich Grillo endgültig von der Bühne eilt, muss er noch rasch etwas klarstellen. "Ich habe mich eben verrechnet", sagt der einstige BDI-Chef. Nicht mehr 34 Jahre blieben bis 2050, sondern nur 32. "Die Zeit rennt noch schneller als gedacht." Dann muss der Chef des Zink-Konzerns Grillo-Werke aber wirklich los.

2050 ist das Stichjahr für die deutschen Fernziele im Klimaschutz. Bis dahin sollen die hiesigen Emissionen von klimaschädlichem Kohlendioxid um 80 bis 95 Prozent gesunken sein, gemessen an 1990. Es ist jene Vollbremsung bei den Emissionen, die weltweit die schlimmsten Folgen des Klimawandels noch halbwegs abfedern soll. So steht es auch in dem Versprechen, das die EU im Rahmen des Paris-Abkommens abgegeben hat. Aber wie soll das überhaupt gehen? Der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) hat das in einem groß angelegten Gutachten untersuchen lassen - und das wiederum auf großer Bühne in Berlin präsentiert. Denn siehe da: Es geht. "Die gute Nachricht lautet: Klimaschutz kann volkswirtschaftlich verkraftbar gemacht werden", sagt Grillos Nachfolger an der BDI-Spitze, Dieter Kempf. Ein minus von 80 Prozent bei den Emissionen schlage - bei "optimaler Umsetzung" - nicht einmal unbedingt auf die deutsche Wirtschaftskraft durch. Die Kosten dafür läpperten sich bis 2050 auf 1,5 Billionen Euro. Unterm Strich aber könne eine schwarze Null stehen. Denn: "Viele Industrieunternehmen können von ehrgeizigem Klimaschutz sogar profitieren", sagt Kempf.

Diese Tonlage ist neu beim größten deutschen Industrieverband. Zwar spricht er sich schon lange für mehr Klimaschutz aus. Bei der konkreten Umsetzung aber fand er sich gerne auf der Bremse wieder. "Wir sind positiv überrascht", heißt es etwa bei der Klimalobby Germanwatch. Der BDI vollziehe "klimapolitische Lockerungsübungen". Daraus müsse auch eine künftige Bundesregierung ihre Schlüsse ziehen.

Feste Klimaziele für einzelne Bereiche lehnt der BDI ab

Allerdings will der BDI von zu viel Regulierung nichts wissen. Feste Klimaziele für einzelne Bereiche der Wirtschaft, etwa Verkehr, Energie oder Industrie, lehnt der BDI ab - genau solche Ziele für 2030 sind aber der einzige konkrete Inhalt des "Klimaschutzplans 2050", den die alte Bundesregierung noch aufgestellt hatte. Auch von Vorgaben wie einer Quote für Elektroautos oder einem Verbot des Verbrennungsmotors hält die Industrie wenig. Stattdessen solle der Staat in Erforschung und Entwicklung klimafreundlicher Technologien investieren, von der letztlich auch forschende Firmen profitieren würden. "Dann und nur dann wird Klimaschutz als Erfolgsgeschichte made in Germany internationale Nachahmer motivieren", sagt Kempf.

Das jüngste Kapitel dieser Geschichte freilich war so erfolgreich nicht, erst vorige Woche hatten sich die Sondierer von Union und SPD vom Klimanahziel für 2020 verabschiedet. Bei dem geplanten Minus um 40 Prozent bleibe eine "Handlungslücke", hatten sie in ihrem Papier formuliert. Erreicht sind derzeit nur gut 27 Prozent, und die Zeit bis 2020 rennt nun wirklich. "Schwer zu ertragen" sei das, sagte Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth bei der Veranstaltung, ein Sozialdemokrat. Selbst seine innerhalb der EU vereinbarten Ziele für 2020 - ein Minus um 34 Prozent - werde Deutschland voraussichtlich verfehlen.

Dennoch werde für das Jahr 2050 eher das obere als das untere Ziel gelten, erwartet Flasbarth. "Ich sage mal voraus, dass wir bei den 95 Prozent landen werden." Genau das allerdings hält der BDI auf Basis seiner Berechnungen für "überambitioniert". Dieses Ziel sei "an der Grenze absehbarer technischer Machbarkeit und heutiger gesellschaftlicher Akzeptanz", heißt es in dem 1,2 Kilogramm schweren Papier.

Die Grenze sieht mancher im BDI schon weit vor den 95 Prozent erreicht. Auch ein Minus von 61 Prozent, nach Berechnungen der Studie das Ergebnis von schlichtem Weiter-so im Klimaschutz, kämen "nicht von selbst", mahnte BASF-Chef Kurt Bock auf der Bühne. Andere Länder seien beim Klimaschutz sehr entspannt. "Wir tanzen auf dem Hochseil, und die anderen schauen zu." Am Ende befragte der BDI das Publikum, ob sich das 80-Prozent-Ziel bis 2050 erreichen lässt. Fast zwei Drittel antworteten mit Nein.

© SZ vom 19.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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