Klimaschutz:Bauer gegen Konzern

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Ein Peruaner macht RWE für den Klimawandel und die Gletscherschmelze mitverantwortlich, die sein Dorf bedrohen.

Von Benedikt Müller, Düsseldorf

Welche Verantwortung hat der Energiekonzern RWE für das Weltklima? Diese Frage wird nun vor Gericht verhandelt. In der sogenannten Klimaklage des Landwirts Saúl Luciano Lliuya aus Peru gegen RWE wird das Oberlandesgericht (OLG) Hamm in die Beweisaufnahme einsteigen. Das gab das Gericht am Donnerstag bekannt. Damit soll erstmals ein Zivilprozess klären, ob ein großer CO₂-Emittent aus Deutschland für Folgen der Erderwärmung haften muss.

Der Peruaner Lliuya macht RWE mitverantwortlich für die klimatischen Veränderungen in seinem Land, gut 10 000 Kilometer Luftlinie von Deutschland entfernt. Seine Heimatstadt Huaraz liegt am Fuße der Anden, unterhalb eines Gletschersees. Lliuya befürchtet, dass der See bald erneut seine Siedlung überfluten könnte, wenn die Gletscher der Anden weiter abschmelzen. Der Landwirt und Bergführer macht RWE für 0,47 Prozent aller weltweiten Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Daher will Lliuya erstreiten, dass der Essener Konzern einen Teil der Maßnahmen bezahlen soll, um die Anden-Stadt mit etwa 100 000 Einwohnern vor drohenden Fluten zu schützen.

Die Klage des Peruaners sei zulässig und schlüssig begründet, befindet das OLG. Zwar sind die Kohlekraftwerke von RWE gewiss nicht alleine verantwortlich für den weltweiten Klimawandel. Der Vorsitzende Richter Rolf Meyer führte jedoch bereits beim Prozessauftakt Mitte November die Frage ins Feld, ob die Flutgefahr in der Stadt Huaraz kleiner wäre, wenn RWE hierzulande keine Kohle verstromen und keine Treibhausgase emittieren würde.

Der Konzern hält Lliuyas Klage für unbegründet und hat den Rechtsstreit als Präzedenzfall bezeichnet. "Wir sind der Meinung, dass es rechtlich nicht möglich ist, einen einzelnen Emittenten für etwas haftbar zu machen, zu dem unzählige menschliche und natürliche Quellen überall in der Welt beitragen", sagt ein RWE-Sprecher. Dieser Argumentation hatte sich die Vorinstanz, das Landgericht Essen, noch angeschlossen und die Klage abgewiesen. Doch Lliuya legte Berufung zum OLG ein.

Für die Beweisaufnahme will das Gericht nun in Absprache mit den Parteien einen Sachverständigen bestimmen. Sein Gutachten soll der Argumentationskette des Klägers auf den Grund gehen: Es muss prüfen, ob die Kraftwerke von RWE zur weltweiten Erderwärmung beitragen; ob diese wiederum die Gletscherschmelze in den Anden verursacht, und diese letztlich das Eigenheim des Landwirts akut bedroht. "Das wird noch ein langer Weg", sagte Lliuyas Anwältin Roda Verheyen nach dem ersten Verhandlungstag. "Aber wir sind sehr zuversichtlich, dass wir die Beweiskette schließen können."

Die Entwicklungsorganisation Germanwatch unterstützt den Peruaner in seiner Klage. Konkret fordert Lliuya, dass RWE knapp 17 000 Euro an einen Gemeindeverbund in seiner Heimat zahlen sowie bereits getätigte Ausgaben in Höhe von etwa 6400 Euro erstatten sollte. Germanwatch misst der Entscheidung am Donnerstag "größte rechtliche Bedeutung" zu. Große CO₂-Emittenten müssten sich ab sofort auf ein Klagerisiko einstellen, wenn man ihnen einen Anteil an konkreten Schäden oder Risiken zuordnen könne. Germanwatch betont den grundsätzlichen Charakter des Rechtsstreits. "Wir wollen, dass von Klimawandelfolgen bedrohte Menschen nicht hilf- und rechtlos sind", sagte Klaus Milke, der Vorsitzende der Organisation.

Der RWE-Konzern verdient sein Geld zu etwa 60 Prozent mit Kohlekraftwerken. Insbesondere die Braunkohle-Verstromung ist umstritten, weil bei diesem Energieträger besonders viele CO₂-Emissionen pro Kilowattstunde Strom anfallen. Noch mindestens zwei Jahrzehnte lang will RWE im Rheinland Braunkohle abbauen; dafür werden Dörfer umgesiedelt und Wälder gerodet. Allerdings ist die Braunkohle ein verhältnismäßig günstiger Energieträger, der auch in Zeiten ohne Wind und Sonne verstromt werden kann. Zudem hat RWE bereits angekündigt, Kraftwerksblöcke nach und nach zu modernisieren oder vom Netz zu nehmen.

© SZ vom 01.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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