Klage gegen Sarasin-Bank:Windiges Geschäft

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  • Eine der größten Pleiten bei grünen Geldanlagen in Deutschland bringt die Schweizer Privatbank Sarasin in Bedrängnis.
  • Bei der Insolvenz des schwäbischen Windparkplaners Windreich im Jahr 2013 verloren Tausende Anleger mehr als 120 Millionen Euro.
  • Betroffen waren verhältnismäßig viele Sarasin-Kunden, denn die Bank hatte besonders viele Anleihen vertrieben.
  • Eine Musterklage beim Landgericht Frankfurt könnte nun hohe Schadenersatzforderungen nach sich ziehen.

Von Markus Balser und Klaus Ott, Berlin/München

Im eidgenössischen Geldgewerbe ist sie eine Institution. Gegründet 1841, zählt die Privatbank Sarasin zu den ältesten Finanzhäusern in der Schweiz. Das Institut mit einem Baum im Logo stammt aus Basel und war dort einst im "Haus zum Eichbaum" ansässig. Der findet sich bis heute auf dem Briefkopf und soll die "unverwechselbaren Eigenschaften" der Bank illustrieren: feste Wurzeln, kräftiger Stamm, gesundes Wachstum. Ob die Bank diese Maximen immer ernst genommen hat, daran haben Kunden inzwischen ernste Zweifel. Eine Musterklage beim Landgericht Frankfurt gegen J. Safra Sarasin, wie das Institut aus Basel heute heißt, liest sich wie ein Krimi.

Im Zentrum der Geschichte steht eine der größten Pleiten bei grünen Geldanlagen in Deutschland. Bei der Insolvenz des schwäbischen Windparkplaners Windreich im Jahr 2013 verloren Tausende Anleger mehr als 120 Millionen Euro. Betroffen waren verhältnismäßig viele Sarasin-Kunden, denn die Bank entpuppte sich als besonders fleißig beim Vertrieb der Anleihen. Warum aber war gerade dieses Institut beim Verkauf der Windreich-Papiere so rührig?

Was Sarasin vorgeworfen wird

Die auf Anlegerverfahren spezialisierte Anwaltskanzlei Rotter aus Grünwald bei München glaubt, die Antworten gefunden zu haben. In einer Pilotklage fordert die Kanzlei für ein Ehepaar aus Süddeutschland Schadenersatz von der deutschen Tochter der Bank und von einem früheren Geschäftsführer. Der Vorwurf: Sarasin und der Manager sollen Kunden Interessenskonflikte verschwiegen und ihnen zum eigenen Vorteil riskante Papiere angedreht haben.

Hinter der Musterklage, die sich formal auf lediglich 66 202,77 Euro beläuft, stehen 20 frühere Sarasin-Kunden. Sie sollen mit Windreich und weiteren von der Bank vertriebenen Anleihen drei Millionen Euro verloren haben und wollen ihr Geld zurück, plus Zinsen. Ihr Anwalt Klaus Rotter schätzt, dass Sarasin-Kunden bei Windreich einen "hohen zweistelligen Millionenschaden" erlitten haben. Es sind stürmische Zeiten für Windreich, die Investoren und die Bank.

Rotters Vorwürfe lassen Mitarbeiter der Bank wie Drückerkolonnen aussehen. Auf Betreiben des Instituts seien den Anlegern Windreich-Anleihen ins Depot gebucht worden; unabhängig davon, welche Anlageziele diese Kunden verfolgt hätten. Und ohne ihnen die Risiken der Beteiligung zu erläutern. Die Bank warb laut Anlegeranwalt so viel Geld für Windreich ein, wie irgend möglich. Nicht Anleihen von Siemens oder VW, sondern Papiere des Windpioniers aus der Nähe von Stuttgart hätten plötzlich hohe Beträge in den Depots ausgemacht. In Einzelfällen sogar bis zu 40 Prozent des Gesamtportfolios.

Anlegern wurde eine "sehr solide Anlage" angepriesen

In dem Musterfall des Ehepaars aus Süddeutschland sollen Sarasin-Berater Windreich-Anleihen im Volumen von nominal 50 000 Euro empfohlen haben. Es handele sich bei Windreich um eine "sehr solide Anlage", die man nur wärmstens ans Herz legen könne, erfuhr die Investorin demnach in Telefonaten von Anlageberatern und Vertrieblern der Bank. Die Firma sei sehr gut, die Anleihe sicher. Die Anlegerin, die ihre Altersvorsorge sicher anlegen wollte, vertraute darauf, und stieg im Herbst 2011 mit rund 45 000 Euro ein.

Was sie und viele andere Anleger nicht ahnten: Zu dieser Zeit soll die Firma bereits in ernsten Schwierigkeiten gesteckt haben. Mitte des Jahres 2011 sei bei Windreich ein "Bruch" eingetreten, steht in einem Bericht des Insolvenzverwalters Holger Blümle. "Die Rückzahlung der in Anspruch genommenen Darlehen und Finanzierungen stockt", heißt es weiter. In einem anderen Papier Blümles wird gar erwähnt, die Firma könnte "spätestens im Oktober 2011 zahlungsunfähig" gewesen sein; lange also vor dem eigentlichen Insolvenzantrag. Selbst im Investmentkomitee von Sarasin sei heftig über die Beziehungen zu Windreich diskutiert worden, so die Klage.

Anwalt vermutet System hinter Sarasins Empfehlungen

Doch von Vorsicht angeblich keine Spur. Das Geschäft ging munter weiter. So weit, dass Anwalt Rotter hinter den Empfehlungen der Bank System vermutet. Vertriebsmitarbeiter in Deutschland hätten die Vorgabe gehabt, den Kunden unbedingt Windreich-Anleihen zu vermitteln. Dass das Öko-Unternehmen möglicherweise bereits angeschlagen war, als man bei Sarasin noch von dessen Anleihen geschwärmt habe, lässt die Geschäfte der Bank in einem zweifelhaften Licht erscheinen. Der Verkauf der Anleihen war nicht die einzige Beziehung der Bank zu Windreich. 70 Millionen Euro hatte Sarasin der Firma per Darlehen zuvor geliehen.

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Von Markus Balser

Besser also, die Geschäfte von Windreich gingen weiter, des Kredits wegen? Für Sarasin habe sich der Vertrieb der Windreich-Anleihen noch aus einem weiteren Grund gelohnt, mutmaßt Rotter. Laut Klage soll eine Vereinbarung existiert haben, nach der Windreich für die "Förderung des Vertriebs der Anleihen einen sechsstelligen Betrag bezahlte". Sarasin habe sich für den Vertrieb der Anleihen verdeckte Provisionen gewähren lassen, diesen Interessenskonflikt aber verschwiegen, heißt es in der Musterklage.

Welche Folgen der Privatbank drohen

Eine Bank, die einem Unternehmen Millionenkredite zuschanzt und Anlegern gleichzeitig im großen Stil dessen Anleihen ins Depot bucht? Eine Bank, die dafür verborgene Provisionen erhalten haben soll, gar von dem Unternehmen, das so dringend Geld braucht? Treffen diese Vorwürfe zu, dann könnte das J. Safra Sarasin im Nachhinein teuer kommen. Hat die Pilotklage Erfolg, dann folgen noch viel mehr Schadenersatzforderungen.

"Durch unseren engen Kontakt zu unseren Kunden und Marktteilnehmern sind wir stets am Puls der Zeit", versichert das Schweizer Geldinstitut. Im Fall Windreich endete der Kontakt angeblich mit einem Brief. Ausgerechnet Sarasin soll im August 2013 als erster Windreich-Geschäftspartner Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bei dem Öko-Unternehmen gestellt haben. Finanzexperten haben für diesen Verdacht eine einfache Erklärung: Die Bank könne als Gläubiger bei einer Insolvenz leichter an ihr Geld kommen als bei einer langwierigen Sanierung. Sie werde in diesem Fall bessergestellt als jene Anleger, denen sie Anleihen vermittelt habe.

J. Safra Sarasin äußerte sich auf eine umfassende Anfrage der SZ nicht zu den Vorwürfen. Das Geldinstitut ist bekannt dafür, sich bei Gericht energisch gegen solche Klagen zu wehren. Eine Bank müsse sein wie ein Schiff, "das stark genug ist, sicher durch jeden Sturm zu segeln", lautet das Motto von J. Safra Sarasin.

© SZ vom 09.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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