Kalifornien und Volkswagen:Tauwetter an der Westküste

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VW und die USA: Hier kam der Skandal auf, von hier drohen auch die größten finanziellen Risiken. (Foto: dpa)
  • Volkswagen könnten im Diesel-Skandal in den USA Milliarden-Kosten erspart bleiben. Darauf deuten Äußerungen der Chefin von Kaliforniens Umweltbehörde hin.
  • Demnach könnte der Konzern seine Autos möglicherweise doch nachrüsten, statt sie von den Kunden zurückkaufen zu müssen.
  • Kommt es zu solche einer Lösung kommen, könnte das Volkswagen allerdings in Europa in eine Zwickmühle bringen.

Von Thomas Fromm, München

Für VW sind die USA in diesen Tagen ein einziges Wechselbad der Gefühle. Noch vor ein paar Tagen stand Generalstaatsanwalt Eric Schneiderman auf einer Bühne in New York, 120 Broadway, und legte seine Erkenntnisse zum VW-Dieselskandal vor. Er sprach von einem "systematischen und kalkulierten Rechtsbruch", von Vertuschung, und davon, dass die Sache nicht nur ein Projekt einiger weniger kleiner Ingenieure gewesen sein konnte. Auf dem Tisch lag eine 90-seitige Anklageschrift, in der erstmals auch VW-Chef Matthias Müller ins Visier geraten war.

Und Schneiderman sagte, man müsse nun sicherstellen, "dass die Strafen so hoch sind", dass niemand auf die Idee käme, noch einmal "mit so etwas durchzukommen". Im Wechselbad der Gefühle war es an diesem Tag ziemlich kühl für den Wolfsburger Autokonzern.

Kaliforniens Umweltbehörde gibt sich milde

An diesem Montag dann gingen die Temperaturen wieder spürbar nach oben. Grund: VW könnten - Schneiderman-Auftritt auf dem Broadway hin oder her - am Ende doch noch einige Milliarden-Kosten rspart bleiben. Die kalifornische Umweltbehörde CARB, die übrigens zu denen gehörte, die die Affäre im September 2015 aufgedeckt hatten, hat dem Konzern in Aussicht gestellt, dass sie eine Reparatur der an den 600 000 betroffenen Dieselautos in den USA mit Zwei- und Drei-Liter-Motoren genehmigen könnte. Im Interview mit dem Handelsblatt sagte CARB-Chefin Mary Nichols: "Wir wollen, dass Volkswagen die Autos reparieren und weiterverkaufen kann." "Langfristig gesehen glauben wir, dass das effizienter ist."

Denn: Sie glaube, dass die "Fahrzeuge so repariert werden" könnten, "dass die Emissionen um 80 bis 90 Prozent reduziert werden können".

Abgas-Affäre
:US-Ankläger nehmen VW-Bosse aufs Korn

Volkswagen soll Kunden gezielt getäuscht haben. Vor allem aber soll der Konzern noch krimineller gewesen sein als bekannt - mit Wissen der Chefs.

Von Thomas Fromm und Klaus Ott

In diesem verzwickten Diesel-Fall geht es seit fast einem Jahr auf und ab, und das Verhältnis der VW-Manager zu den US-Behörden war von Anfang an schwierig und kompliziert - aber die Worte der Behördenchefin könnten nun den Anfang einer neuen Normalität in der Beziehung zwischen den Niedersachsen und den Amerikanern einläuten. Vor einigen Monaten klang die CARB-Chefin immerhin noch ganz anders: "Volkswagen hat die Entscheidung getroffen, bei Abgas-Tests zu schummeln und hat dann versucht, das zu verstecken", sagte sie da. Nach dem eher kämpferischen Duktus also nun der versöhnliche Ton.

Ein Rückruf wäre viel billiger als Rückkäufe

Sollten die US-Behörden jetzt Rückrufe zulassen, dann könnten sich amerikanische VW-Fahrer dazu durchringen, ihren Wagen einfach umrüsten zu lassen. Für das Unternehmen wäre dies weitaus billiger, als sämtliche Fahrzeuge zurückzukaufen. Die Frage ist nur: Werden US-Kunden ihr Dieselfahrzeug überarbeiten lassen, wenn gleichzeitig und als Alternative auch ein Rückkauf möglich ist? Je mehr US-Kunden eine Reparatur akzeptieren würden, desto größer wäre auf jeden Fall die Chance, die Kosten eines bereits ausgehandelten Vergleichs über mehr als 15 Milliarden Dollar kleiner zu halten.

An diesem Dienstag dürften die VW-Oberen daher erst einmal nach San Francisco schauen: Dort will der zuständige US-Richter Charles Breyer bei einer Anhörung entscheiden, ob er dem schon ausgehandelten Paket zustimmt. Bei Breyer sind diverse Klagen gebündelt worden; er muss am Ende entscheiden, wie es weitergeht.

Die Lösung in den USA könnte Probleme in Europa schaffen

Stimmt Breyer zu, dann hängt vieles von den Kunden selbst ab. Von den 15 Milliarden Dollar des Vergleichspakets sind zehn Milliarden für den Rückkauf der manipulierten Dieselautos mit Zwei-Liter-Motoren eingeplant. Weitere fünf Milliarden Dollar sollen die Deutschen in zwei Umweltfonds einbringen. Je nachdem, wie viele Kunden eine Reparatur für ausreichend halten, könnte VW bis zu einige Milliarden Dollar sparen. Und hätte gleichzeitig ein neues Problem - und zwar in Europa. Grund: Hier lehnt das Unternehmen Entschädigungen nach US-amerikanischem Muster für betroffene Dieselfahrzeuge mit dem Argument ab, dass die Wagen in Europa schließlich repariert werden könnten. Anders als in den USA. Ein Argument, das spätestens dann an Kraft verlieren würde.

Dies würde vor allem Verbraucherschützern in Europa helfen, die gerade von der EU-Kommission Rückendeckung bekommen. Man wolle sicherstellen, dass die Konsumenten in der EU fair behandelt würden, sagte EU-Justizkommissarin Vera Jourava am Montag. Daher habe die Brüsseler Behörde vor einigen Tagen europaweit Verbraucherschutz-Organisationen befragt.

Man wolle wissen, welche Lösungen die nationalen Behörden den Verbrauchern angeboten hätten und wo es noch Probleme gebe. Nach der Sommerpause dann soll bei einem gemeinsamen Treffen in Brüssel mit den Verbraucherschützern über Lösungen beraten werden. Verbände in Deutschland, Belgien, Spanien, Italien und anderswo sind sauer auf VW: Es geht um die für den Konzern sehr brisante Frage, ob man seinen Kunden in der EU eine Entschädigung zahlen muss wie seinen US-Kunden. In Wolfsburg weiß man: Bei elf Millionen Autos weltweit wären Entschädigungen wie in den USA kaum zu finanzieren.

© SZ vom 26.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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