Japans Kampf mit der Deflation:Geldschwemme gegen Staatsschulden

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Binnen zwei Jahren will die japanische Zentralbank den Geldumlauf verdoppeln - und wagt damit das größte Experiment in der jüngeren Wirtschaftsgeschichte. Schafft dieses riskante Manöver Wohlstand, oder brockt sich Japan damit eine galoppierende Inflation bei wirtschaftlicher Stagnation ein? Die SZ beantwortet die wichtigsten Fragen.

Von Markus Zydra

Es ist das größte Experiment in der jüngeren Wirtschaftsgeschichte: Japan, die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt, überschwemmt den Markt mit Geld. Binnen zwei Jahren will die japanische Zentralbank den Geldumlauf verdoppeln. So soll die Wirtschaft angekurbelt werden, so soll das von Deflation geplagte Land in die Inflation geführt werden. Erstmals steuert eine Notenbank ihre Geldpolitik nicht mehr über den Leitzins, der in Japan sowieso schon bei null Prozent notiert. Die Bank of Japan fährt stattdessen - bildlich gesprochen - jeden Tag einen riesigen Laster mit Barem aus.

Das ist ein riskantes Manöver, denn eigentlich muss Geld erwirtschaftet werden - doch das Anwerfen der Druckerpresse entfaltet seit jeher magischen Charakter. Schafft das künstlich hergestellte Papiergeld in Billionenhöhe Wohlstand, oder brockt sich Japan damit galoppierende Inflationsraten bei wirtschaftlicher Stagnation ein? Die SZ beantwortet die wichtigsten Fragen zu diesem Wagnis.

Was macht die japanische Notenbank?

Die Währungshüter kaufen Staatsanleihen der japanischen Regierung, und zwar so viele wie noch nie. Jeden Monat sollen Bonds im Wert von 78 Milliarden Dollar erworben werden, das entspricht ungefähr 70 Prozent aller Papiere, die überhaupt auf den Markt kommen. Damit finanziert die Bank of Japan einerseits den Staatshaushalt, andererseits pressen die Notenbanker Geld ins Finanzsystem. Auch die amerikanische, britische und die Europäische Zentralbank (EZB) haben bereits Anleihen gekauft, doch Japans Zentralbank greift in die Vollen: Binnen zwei Jahren soll die Basisgeldmenge Japans so von 135 Billionen Yen (eine Billion Euro) auf 270 Billionen Yen verdoppelt werden. Keine andere Notenbank erhöht so hemmungslos die Geldmenge.

Wozu diese Geldschwemme?

Japan leidet unter einer Deflation, das hemmt das Wirtschaftswachstum. Zudem verteuern sich dadurch die Schulden. Der japanische Staat hat Verbindlichkeiten in Höhe von 200 Prozent des Bruttoinlandsprodukts - weitaus mehr als die meisten Euro-Peripheriestaaten. Die Geldschwemme soll die Inflation anheizen, bis 2015 soll die Teuerung auf zwei Prozent ansteigen. Dazu ist vor allem ein schwacher Yen nötig - die japanische Währung hat in den vergangenen sechs Monaten rund 18 Prozent gegen den Euro verloren. Mit einer schwachen Währung kann Japan billiger exportieren, was die Wirtschaft ankurbelt. Gleichzeitig verteuern sich die Importe für Japan, das wiederum erhöht den Inflationsdruck. Höhere Inflation bedeutet im besten Fall, dass die Staatsschulden schneller abschmelzen.

Wo liegen die Risiken?

Es könnte zu einem Währungskrieg kommen. Der Rest der Welt, besonders die anderen G-7-Staaten, werden sich nicht damit abfinden, dass Japan über die Notenpresse seinen Exportsektor antreibt. Es besteht die Gefahr, dass auch andere westliche Industriestaaten ihre Währung für den Wettbewerb schwächen. Solche Abwertungswettläufe schaden der globalen Wirtschaft. Zudem besteht für Japan die Gefahr, dass man die Inflation, wenn sie denn durch die boomende Wirtschaft in Gang kommt, nicht mehr kontrollieren kann. Zwar könnte Japan das viele Geld aus der Wirtschaft wieder abschöpfen, doch würde dann das Wachstum sinken.

Wohin führt diese Politik?

Die Öffnung der Geldschleusen gibt der japanischen Regierung Zeit für wichtige Reformen. Investitionen müssen forciert, die Regeln für den Arbeitsmarkt verändert werden. Regierungschef Shinzo Abe hat versprochen, Reformen umzusetzen, um die lahmende Wirtschaft anzukurbeln, die Steuereinnahmen zu erhöhen und die Staatsschulden abzubauen. Die private Sparquote in Japan liegt bei Null, die alternde Gesellschaft gibt das Geld lieber aus. Bislang war es so, dass japanische Unternehmen ihre Gewinne auf die Bank getragen haben und das Institut mit dem Geld Staatsanleihen gekauft hat. Nun springt die Bank of Japan ein, sie kauft Staatsanleihen. Unternehmen sollen so gezwungen werden, ihr Geld zu investieren. Es gibt eine Aufbruchsstimmung in Japan, die Kurse am Aktienmarkt steigen.

Welches Signal geht von Japan aus?

Gut möglich, dass die geldpolitische Revolution Japans Schule macht. Auch die amerikanische Notenbank Fed und die Bank of England kaufen massiv Wertpapiere auf, um so die Wirtschaft anzukurbeln und die Arbeitslosenrate zu senken - nach dem Motto: Wirtschaftspolitik über die Notenpresse. Das hat nur wenig mit der Kernaufgabe einer Notenbank zu tun: Inflationsbekämpfung über den Leitzins. Doch im Zuge der Finanzkrise sind Notenbanker Feuerwehrleute geworden. Auch in der EZB mehren sich Stimmen, mehr Geld zu drucken. Die Bundesbank ist dagegen. Die Politik müsse die Wirtschaftsprobleme ohne Notenpresse lösen.

© SZ vom 06.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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