Iran:Hoffen auf Teheran

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Iran galt als das neue Wirtschaftswunderland der deutschen Industrie. Jetzt sind die Manager skeptisch, denn US-Präsident Trump könnte ihnen einen Strich durch die Rechnung machen.

Von Thomas Fromm, München

Die Wirtschaftsvertreter an Bord des Regierungs-Airbus, der an einem Sonntagmorgen im Juli 2015 von Berlin-Tegel aus nach Teheran aufbrach, waren guter Hoffnung. Eine Einigung im Atom-Streit mit Iran schien eine historische Zäsur; jetzt ging es darum, schnell und vor allen anderen vor Ort zu sein. Es winkten lukrative Geschäfte im Ölstaat, zum ersten Mal seit Jahren. Denn mit dem Ende der Wirtschaftssanktionen witterten die Hersteller von Maschinen, Fahrzeugen und Energie-Infrastrukturen das große Geschäft. "Ein besseres Signal kann man sich gar nicht vorstellen", sagte der Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Volker Treier, damals. Seine Prognose: Deutsche Jahres-Exporte im Wert von zehn Milliarden Euro innerhalb weniger Jahre.

Der Optimismus der Entourage, die den damaligen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel auf seiner Reise zu den Mullahs begleitete, kam nicht von ungefähr: Noch in den 1970er Jahren war das Land für die Bundesrepublik der zweitgrößte außereuropäische Exportmarkt nach den USA. Gabriel schwärmte nun, das neue Atomabkommen sei "die Basis für eine Normalisierung der wirtschaftlichen Beziehungen".

Wandel durch Handel also.

Schnell sein, der erste sein: Siemens hat bereits einen Großauftrag für Züge

Zwei Jahre und eine US-Präsidentenwahl später ist die Stimmung im Keller. Seit Präsident Donald Trump am Freitag einen härteren Kurs gegen Teheran ankündigte, könne, so heißt es aus Wirtschaftskreisen, die Industrie nur noch schwer planen. Was wird der US-Kongress, der innerhalb von 60 Tagen darüber entscheiden muss, ob die ausgesetzten Sanktionen gegen Teheran wieder in Kraft gesetzt werden, am Ende wirklich durchsetzen?

Das Land mit den zweitgrößten Erdgas- und viertgrößten Erdöl-Vorkommen weltweit ist für die Industrie zu wichtig, um es am Rande liegen zu lassen. Siemens hatte das nicht erst vor zwei Jahren erkannt, schon seit 1868 sind die Münchner in dem Land aktiv, und sie gehörten zu den ersten, die im vergangenen Jahr im Golfstaat über Großaufträge verhandelten. Siemens-Chef Joe Kaeser gelang es, bei der Regierung Orders für die Modernisierung der Bahn-Infrastruktur an Land zu ziehen, die Rede ist von ICE-Lieferungen im großen Stil und von der Elektrifizierung der 500 Kilometer langen Strecke von der Hauptstadt Teheran nach Maschar - alles in allem ein Milliarden-Geschäft. Bislang geht es hier noch nicht um fertige Verträge, sondern erst einmal um Absichtserklärungen - fraglich ist, ob es nach den jüngsten politischen Ereignissen dabei bleiben wird. Anfang des Jahres erst erhielten die Deutschen einen Großauftrag aus Iran über zwölf Verdichterstränge für Erdgasaufbereitungsanlagen. Wie es nun weitergehen soll? "Wir wollen uns nicht zu Spekulationen äußern", heißt es bei Siemens.

Wirtschaft in der Trump-Ära: Man schaut, man beobachtet, man wartet ab. So wie bei Volkswagen. Die Wolfsburger verkaufen seit dem Sommer erstmals seit 17 Jahren wieder Autos in Teheran. Nun heißt es aus der Konzernzentrale: "Wir beobachten die Lage aufmerksam." Bei der VW-Lkw-Tochter mit den Marken MAN und Scania sagt man, es gebe "ein großes Absatzpotenzial für Nutzfahrzeuge" in Iran und das Unternehmen sei "angesichts der jüngsten Entwicklungen auch mit der Bundesregierung im Gespräch".

In der Industrie wird vermutet, dass sich neue Sanktionen auf nationale Raketenprogramme und das Ölgeschäft beziehen könnten. In diesem Fall wären weder die klassischen Siemens-Infrastrukturlieferungen noch VW betroffen. Allerdings ist man bei Siemens gewarnt: Wenn sich die Dinge in den kommenden Wochen ändern sollten, müsse man schauen. Und reagieren. Und so blicken alle gerade nicht nur nach Teheran, sondern auch nach Washington. Was geht, was geht nicht?

Bei BMW weiß man schon lange, dass nicht viel geht. Der Konzern bestätigt auf Anfrage, dass es nach wie vor keine konkreten Pläne für den Einstieg in den iranischen Markt gibt. Grund: Trotz der jüngsten Entspannung war das Unternehmen nach wie vor von Exportkontrollvorschriften betroffen. Konkret bedeutet das: Der Anteil der US-Bauteile darf zehn Prozent nicht überschreiten - Modelle wie die sportlichen Geländewagen der X-Serie, die komplett im US-amerikanischen Spartanburg gebaut werden, kommen also schon jetzt nicht für das Iran-Geschäft infrage.

In Zeiten von Trump klingen selbst Wirtschaftsverbände politischer als früher

Auch bei in Europa produzierten Modellen gibt es eine strenge Nachweispflicht. Die Signale, die aus Washington kommen, nimmt man in München derzeit also eher als eine zusätzliche Verschärfung der Lage wahr. Zumal der Münchner Autobauer eh schon ein Thema mit dem US-Präsidenten hatte: Trump hatte BMW Anfang des Jahres mit Strafzöllen für den Fall gedroht, dass der Konzern am Bau eines neuen Produktionswerkes in Mexiko festhält. Die Antwort von BMW-Chef Harald Krüger: eine kurze, aber prägnante Nachhilfestunde in Globalisierung. Schon heute hat der Konzern sein weltgrößtes Werk in Spartanburg im US-Bundesstaat South Carolina und ist damit der größte Autoexporteur der USA.

Es ist schon jetzt nicht trivial, unter einem Präsidenten Trump Welthandel zu betreiben. Mit neuen Sanktionen gegen Iran könnte alles noch viel schwieriger werden. Für die Firmen, für die Menschen vor Ort, und für die Sicherheitslage in der Region. "Die deutsche Wirtschaft ist überzeugt, dass eine wirtschaftliche Isolation des Iran die Sicherheitslage in der Region gerade nicht stabilisiert", meint Dieter Kempf, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). "Die Abkehr vom Nuklearprogramm muss sich für die Iraner sichtbar und im Alltagsleben lohnen." Ungewöhnliche Worte für einen Industrie-Verband. Auch die Wirtschaft verändert sich gerade. Sie wird politischer.

Sollte es wirklich zurück zu den ausgesetzten Sanktionen gehen, dann wäre dies "ein Schlag ins Kontor der sich wieder deutlich belebenden Handelsbeziehungen", sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Treier gegenüber dpa.

© SZ vom 17.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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