Bahn:Der ICE - eine Erfolgsgeschichte

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Ist da wer? Ein ICE im Münchner Hauptbahnhof. Die Züge sind seit genau 25 Jahren unterwegs.

(Foto: Christof Stache/AFP)
  • Seit 25 Jahren ist der ICE bei der Deutschen Bahn in Betrieb. Deutschland hatte erst relativ spät einen Schnellzug.
  • Trotz technischer Probleme und einem verheerenden Unglück ist der ICE einer der besten Schnellzüge weltweit - und schon bald liefert Siemens die nächste Serie an die Bahn aus.

Von Christoph Giesen

Sie sind pünktlich gestartet, wie es sich für Züge eigentlich gehört. Vor genau 25 Jahren, am 2. Juni 1991 um 5.53 Uhr, machte sich der erste Intercity Express (ICE) in Hamburg auf den weiten Weg nach München. Um 6.41 Uhr fuhr der Gegenzug in München planmäßig los. Und trotz mancher Rückschläge und Krisen gilt der ICE heute als einer der besten Hochgeschwindigkeitszüge der Welt, der in viele Länder exportiert wird.

Lange Zeit tat man sich in der Bundesrepublik schwer mit Schnellzügen. In Japan fuhr der erste Shinkansen bereits 1964, in Frankreich gibt es den TGV seit 1981, in Deutschland reiste man da noch gemütlich im Kurswagen. 1983 gab schließlich die Bundesbahn den ICE in Auftrag. Damals stand das Kürzel noch für "Intercity Experimental". Die Anforderung: "halb so schnell wie das Flugzeug, doppelt so schnell wie das Auto", sollte der neue Zug sein. Insgesamt 13 Firmen waren damals als Konsortium an der Entwicklung und dem Bau des ICE beteiligt, darunter Krauss-Maffei, Krupp, Thyssen Henschel, AEG, ABB und Siemens.

Mehr als 400 Kilometer pro Stunde zwischen Würzburg und Fulda - Weltrekord

Manche der Unternehmen gibt es nicht mehr, andere haben längst fusioniert. 1985 wurde das erste Modell an die Bahn übergeben. Dieser Versuchszug knackte im November 1985 erstmals die Marke von 300 Kilometern pro Stunde. Bei einer Probefahrt zwischen Fulda und Würzburg stellte der "Intercity Experimental" 1988 mit 406,9 Kilometern pro Stunde einen Weltrekord auf. Drei Jahre später nahm der Zug dann seinen Regelbetrieb in Deutschland auf. Seit 1996 ist der ICE 2 im Einsatz, mit dem sich zwei Zugeinheiten koppeln und unterwegs wieder trennen lassen. 1999 kam der ICE T mit Neigetechnik, ein Jahr später der ICE 3, der erste serienmäßige Zug für Tempo 300.

Bei allen Erfolgen und Rekorden gab es auch Rückschläge: Am 3. Juni 1998 entgleiste der ICE "Wilhelm Conrad Röntgen" kurz vor dem niedersächsischen Bahnhof Eschede und prallte gegen eine Brücke. Bei dem schwersten Zugunglück in der Geschichte der Bundesrepublik starben 101 Menschen. Eine Debatte über die Sicherheit der Schnellzüge entbrannte, nachdem sich herausgestellt hatte, dass ein sogenannter Radreifen gebrochen war und das Unglück verursacht hatte.

Glimpflicher ging ein Achsbruch bei einem ICE im Sommer 2008 im Kölner Hauptbahnhof aus. Seitdem müssen die alten Züge jedoch deutlich häufiger als sonst zur Inspektion. Inzwischen ist Siemens der alleinige Hersteller des Zuges. War der ICE anfänglich vor allem für den deutschen Markt vorgesehen, rollt der Velaro, wie Siemens den Zug intern nennt, inzwischen in Spanien, in der Türkei, in Russland. Auch in China werden ICE-Züge als Lizenznachbauten von einem lokalen Hersteller gefertigt.

Zu Testzwecken wurde Hundefutter durch die Zug-Toilette gespült

Als Siemens den ersten ICE in Eigenregie entwickelte, stellte ein Team von etwa 20 Spezialisten ein Dreivierteljahr lang erst einmal alles infrage: "Was müssen wir anders machen, was ist gut und was muss verbessert werden?", erzählt Martin Steuger, der als Projektdirektor dabei war.

Eines der Resultate: Eine neue Toilette musste her, denn beim Vorgänger-Modell, dem ICE 3 der ersten Generation, den Siemens gemeinsam mit Adtranz entwickelt hatte, kam es ständig zu Verstopfungen. "Ich weiß nicht, wie viele Paletten Hundefutter zu Testzwecken durch den Prototyp gespült wurden", sagt Steuger, "es hat sich jedenfalls gelohnt, denn die neue Siemens-Toilette funktioniert nun viel besser." Selbst Designpreise hat der Münchner Konzern für seine Toilette gewonnen. "Seit anderthalb Jahren arbeiten wir am Nachfolgemodell des Velaro", sagt Steuger. Etwa 2020 könne der Zug einsatzbereit sein. Voraussetzung: ein Abnehmer.

Die größte Krise für Siemens als ICE-Alleinhersteller dürfte sicherlich die Lieferverzögerung von 16 Velaro-Modellen an die Deutsche Bahn gewesen sein. "Das war eine schwere Zeit", räumt Steuger ein. Eigentlich sollten die Züge Ende 2011 einsatzbereit sein. Aber das Eisenbahn-Bundesamt hatte sie wegen neuer Auflagen und ungeklärter technischer Fragen bei Bremsen, Radsatzgestellen und Klimaanlagen zunächst nicht zugelassen. Mit zwei Jahren Verspätung gab die Behörde schließlich die Genehmigung, und die Züge konnten ausgeliefert werden. Als Vertragsstrafe musste Siemens einen 17. Zug extra an die Bahn liefern.

Der ICE4 fährt nur 250 - und das reicht

Künftig wird es von Siemens zwei Produktreihen geben, zum einen den Velaro, der problemlos über 300 Kilometer pro Stunde unterwegs sein kann und den ICE 4, der bis vor Kurzem noch unter dem Projektnamen ICx lief. Für 5,3 Milliarden Euro bestellte die Deutsche Bahn 130 Züge. Bis zu 300 könnten es laut Rahmenvertrag noch werden. Insgesamt geht es um 1335 Wagen, es ist der größte Auftrag der Konzerngeschichte.

Im Unterschied zu allen Vorgängermodellen ist die Höchstgeschwindigkeit des ICE 4 auf maximal 250 Kilometer pro Stunde begrenzt. Technisch ist das jedoch nicht unbedingt ein Rückschritt, sondern lediglich eine Anpassung an die Realität. Wer seinen Schnellzug unbedingt in Montabaur oder in Lichtenfels stoppen lassen muss und ihn über Trassen fahren lässt, die allenfalls auf Tempo 160 km/h ausgelegt sind, braucht eigentlich keinen Zug, der auf Geschwindigkeiten jenseits der 300-Stundenkilometer-Marke ausgelegt ist. Im Portfolio hat Siemens ihn dennoch, und dessen Ahnen sind inzwischen 25 Jahre alt.

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