Insolvente Drogeriekette vor Sparprogramm:Wie es bei Schlecker weitergeht

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Schlecker bleibt in Deutschland die Drogeriekette Nummer eins. Auch nach dem harten Sparprogramm, das der Insolvenzverwalter verordnet hat - und dem fast 12.000 Arbeitsplätze zum Opfer fallen. Es geht darum, den Rest des Unternehmens dauerhaft zu retten. Antworten auf die wichtigsten Fragen zur Zukunft von Schlecker.

Max Hägler

Die Aussage von Meike Schlecker war klar: Ihre Familie soll auch in Zukunft im Spiel bleiben bei der Drogeriekette Schlecker. "Wir geben uns kämpferisch", rief sie an einem Montagmittag vor vier Wochen. Wenige Tage zuvor, Ende Januar, hatte der Handelskonzern ihres Vaters Anton Schlecker Insolvenz angemeldet.

Schlecker-Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz am Mittwoch bei einer Pressekonferenz zum Sanierungskonzept. Die insolvente Drogeriemarktkette will jede zweite Filiale schließen. (Foto: dapd)

Jetzt ging die Familie in die Offensive, mit Meike Schlecker als Aushängeschild. Anlässlich der Pleite hatten die Verantwortlichen zur ersten Schlecker-Pressekonferenz seit vielen Jahren geladen. Und es klang alles nach Weitermachen. Es gebe bereits ein Fortführungskonzept, an dem alle Beteiligten nun gemeinsam arbeiten würden, sagte die 38-Jährige. Sie war aufgeregt, der Schweiß auf ihrer ungepuderten Stirn verriet es. Am Ende, nach mancher Umstrukturierung, so die Botschaft, da werde dann eine Rettung vollzogen und das Firmenimperium Schlecker in Familienhand bleiben - wenn auch vielleicht verkleinert.

Der vorläufige Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz, der neben ihr saß, schien beinahe noch ein wenig Gast zu sein in diesem verspiegelten Bürokomplex im schwäbischen Ehingen. Und er war dem Selbsterhaltungstrieb nicht abgeneigt. Er glaube, sagte der Ulmer Jurist, dass das Unternehmen eine gute Überlebenschance habe, gebe es doch einen "guten Kern". Und er denke auch, soweit er das bisher erkenne, dass die Kompetenz zur Fortführung in der Familie vorhanden sei. Diese Lösung wolle er auch nicht "vereiteln", betonte der Jurist.

Die schmale, kleine Kämpferin Meike Schlecker nickte. Nach Schulterschluss klang das, nach Übergabe des Hauses an eine neue, junge, offene Generation. Doch wenn es überhaupt ein Schulterschluss war, dann ist er vorerst vorbei. Der "gute Kern" ist zwar da, aber wohl doch kleiner als gedacht. Und das mit der Kompetenz in der Familie - das scheint sich ein wenig relativiert zu haben.

Fakt ist seit diesem Mittwoch: Ein brutaler Schnitt in einer bei deutschen Insolvenzen seltenen Härte ist notwendig, damit die verbleibenden Schlecker-Reste überhaupt eine Chance haben. 11.700 Mitarbeiter werden entlassen - beinahe die Hälfte des deutschen Schlecker-Personals. 2400 Filialen werden in den kommenden Wochen geschlossen.

Als der Insolvenzverwalter Geiwitz diese Zahlen verkündete, war keiner mehr von der Familie Schlecker dabei. Geiwitz war auch in Frankfurt, wo er sich zuvor mit der Gewerkschaft Verdi abgestimmt hatte - nicht in Ehingen, beim Stammsitz. Das zeigt Prioritäten und wirft Fragen auf.

Was ist nun mit Meike und Lars?

In den vergangenen Tagen hieß es, dass Meike sich künftig um die Unternehmenszahlen kümmern solle, Lars um das Marketing. Doch die Aufgabenverteilung geschah offenbar einen Schritt zu früh. Derzeit sind die Kinder nicht von besonderer Relevanz, so kann man die jüngsten Aussagen des Insolvenzverwalters werten. Die Kinder wären bereit gewesen mitzukommen, um die schlechten Zahlen zu verkünden. Doch Geiwitz hielt das nicht für sinnvoll, auch weil die beiden Kinder derzeit rechtlich keine Befugnisse haben. Denn der Mutterkonzern gehört einer einzelnen Person, dem eingetragenen Kaufmann Anton Schlecker. Verantwortliche Geschäftsführer sind die beiden Schlecker-Manager Thorben Rusch und Sami Sagur. Die Frage, ob der 67-jährige Gründer künftig benötigt werde, antwortet Geiwitz nur kurz: "Nein." Die Kinder könnten später womöglich Teil des Konzerns werden, sagte Geiwitz; das sei allerdings etwa abhängig von den Vorgaben eines möglichen Investors.

Wo ist das Geld der Schleckers?

Auf der Reichen-Liste 2011 des Forbes -Magazins wurde Anton Schlecker auf Rang 362 geführt, auf 3,1 Milliarden US-Dollar schätzten die Analysten das Vermögen. Entweder haben sie sich grob verschätzt oder das Geld ist sicher vor dem Insolvenzverwalter verwahrt. Denn vor vier Wochen erklärte Meike: "Es ist nichts mehr da." Und Insolvenzverwalter Geiwitz bestätigte das. Er habe zwar keine Konteneinsicht, aber viele freiwillige Infos von der Familie bekommen. Außer einigen Beteiligungen der Kinder habe er bislang keine relevanten Vermögen entdeckt. Wobei sich diese Sicht und Prüfung wohl hauptsächlich auf den Vater Anton beziehen dürfte. Unklar ist, ob es legale Vermögensverschiebungen gab, etwa per Güterstands-Schaukel (dabei regelt ein Ehevertrag einen Wechsel von einer Zugewinngemeinschaft in eine Gütertrennung und wieder zurück).

Ist die Firma noch zu retten?

Die Chancen sind zumindest "gut", so formuliert es Arndt Geiwitz. Durch die Sparmaßnahmen und die Konzentration auf die gewinnbringenden Filialen könne Schlecker notfalls alleine weiterwirtschaften. Optimal wäre das wohl nicht, vor allem weil Geld für Investitionen fehlt. Die Bank Rothschild sondiert deshalb in seinem Auftrag weltweit Investoren; die Beratung McKinsey feilt derweil weiter an einem Überlebensplan.

Wie viele Mitarbeiter sind gefährdet?

In den vergangenen Wochen kursierten immer wieder verschiedene Zahlen, was an der Intransparenz des Unternehmens lag. An diesem Mittwoch legte Schlecker erstmals alle Zahlen vor: Europaweit hat der Konzern derzeit noch 41.150 Mitarbeiter und 8970 Märkte. Die Präsenz in Deutschland teilt sich auf in die Markennamen Schlecker, Schlecker XL und "Ihr Platz". Die Stellenstreichungen - 11.700 von etwa 25.000 - betreffen Schlecker und Schlecker XL. Die Auslandsgesellschaften sind derzeit profitabel und sollen weiterlaufen. über die Zukunft der 670 "Ihr-Platz"-Märkte will der Insolvenzverwalter in den kommenden Tagen informieren.

Wie geht es jetzt weiter?

Auch nach dem Schnitt ist Schlecker die größte Drogeriekette Deutschlands, betonte Geiwitz in dieser Woche. Es geht nun darum, diesen verbleibenden Rest dauerhaft zu retten. Dazu will Geiwitz das Unternehmen und die verbleibenden 3000 Filialen radikal umbauen. Neben weichen Faktoren, wie einem Kulturwandel, sollen die Sortimente hin auf Kundenwünsche optimiert werden und die Preise gesenkt werden. Formal wird voraussichtlich Ende März das Amtsgericht Ulm die Insolvenz eröffnen, bis dahin ist das Verfahren noch "vorläufig". Bald danach wird der Gläubigerausschuss - mit dabei sind Vertreter von Lieferanten, Mitarbeitern und Gewerkschaft - über die Zukunft entscheiden. Nur wenn diese Runde Vorteile in dieser Lösung sieht, wird sie zustimmen. Nur dann ist etwa die Unternehmensfortführung per Insolvenzplanverfahren möglich. Andernfalls sind alle Ideen obsolet. Dann werden die Vermögensteile oder interessante Unternehmensteile an Dritte veräußert, der Rest gegebenenfalls geschlossen.

Wer führt künftig Schlecker?

Die beiden Geschäftsführer Sagur und Rusch scheinen zumindest halbwegs das Vertrauen des Insolvenzverwalters zu haben. Aber es soll eine weitere Führungskraft kommen. Das könnte der Rewe-Vorstand Stephan Fanderl sein, berichtet die Lebensmittel-Zeitung. Der 47-Jährige ist derzeit für den Schweizer Discounter Denner tätig, war zuvor in Vorstandspositionen bei Walmart und Rewe.

Was passiert mit der Marke?

Branchenexperten hatten zuletzt geraten, den Namen bei einer Fortführung aufzugeben. Das Image sei verbrannt. Einen Schaden sieht Geiwitz zwar, aber eine ernsthafte Prüfung habe gezeigt: Der Aufbau einer neuen Marke käme "wesentlich teurer", als die Heilung des beschädigten Schlecker-Images.

© SZ vom 02.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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