Impulsgeber:Mit Vollbart und Brille

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Christian Hoppe: Commerzbanker, Party-Organisator, Geschäftsführer von Main Incubator und nur 38 Jahre alt. (Foto: Bernd Euring)

Christian Hoppe bringt Fintech-Gründer, Banker und Investoren zusammen, um die digitale Zukunft des Finanzgewerbes zu gestalten. Der 38-Jährige hat viel zu tun - und kann einige Erfolge aufweisen.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Der Campus Westend symbolisiert wie kein anderer Ort Frankfurts Vergangenheit und Zukunft. Einst residierte auf dem Areal am Grüneburgpark die jüdische Bankiersfamilie Rothschild. Ende der 1920er-Jahre errichtete Zyklon-B-Produzent I.G. Farben seine Konzernzentrale hier, die die US-Armee später als Hauptquartier nutzte. Heute sind der Monumentalbau und seine Anrainergebäude die Heimat der Goethe-Universität, deren Herzkammer, das House of Finance, Frankfurts Banken mit Nachwuchs versorgt.

Dass dabei der Casino-Anbau eine Rolle spielt, ist Christian Hoppe zu verdanken. "Between the Towers" nennt sich die zwanglose Abendveranstaltung in dem eleganten Betonrechteck, auf der immer am ersten Dienstag im Monat Gründer, Banker und Investoren zusammentreffen, um bei Bier und Knabbergebäck die digitale Zukunft des Finanzgewerbes zu gestalten - mit Hoppe als Initiator und Gastgeber.

Selten ist die Start-up-Szene der Fintechs so unter sich wie hier. Es bleibt nicht bei Plaudereien über Geschäftsideen. Auf "Pitches" stellen Jungunternehmer ihre Konzepte vor, um Geldgeber zu begeistern. Podiumsdiskussionen sorgen für Impulse, Preisverleihungen wie der "Fintech des Jahres" für Freude bei den Siegern.

Und es werden immer mehr, die dabei sein wollen. "Wir sind mit 60 Gästen gestartet, inzwischen kommen bis zu 300", sagt Party-Organisator Hoppe, klientelgerecht mit Vollbart und Brille unterwegs. Einige Banken müssten sogar Busse chartern, um ihre Mitarbeiter ins Westend zu karren.

Eine große Rolle spielen Social Media. Viele Partygäste twittern live von der Veranstaltung, deren Hashtag schafft zuweilen so viel Grundrauschen im Netz wie der Sonntags- Tatort. "Between the Towers" ist auch deshalb ein Phänomen, weil die Themen Finanzen und Digitales sonst nicht gerade massentauglich sind.

Inzwischen hat Hoppe sein Konzept nach München und Berlin exportiert. Dabei hat der 38-Jährige so schon viel zu tun. Er ist im Mittelstandsgeschäft der Commerzbank aktiv und zugleich Geschäftsführer der Konzerntochter Main Incubator. Die sitzt in einem schmucklosen Backsteinbau im Stadtteil Bockenheim und ist ein Brutkasten für Start-ups. Die Idee: Die Commerzbank stellt Jungfirmen bei Bedarf billigen Büroraum zur Verfügung, finanziert sie und nutzt deren digitale Ideen, um sich selbst zu modernisieren. Erste Erfolge gibt es bereits: Traxpay etwa. Die Firma, an der die Commerzbank beteiligt ist, hat eine Software entwickelt, die Firmen Überweisungen erleichtert. Und mit der App von Gini können Nutzer ihre Rechnungen scannen.

Von ihrer Büroetage aus suchen Hoppe und seine Mitarbeiter den Start-up-Markt nach Investments ab. Dabei helfen seine Erfahrungen als Gründer. 2008 schuf Hoppe den "Anleihen Finder", eine Website, auf der sich Anleger über Mittelstandsanleihen informieren können.

Davor und danach hat Hoppe klassische Konzernkarriere gemacht. Zunächst in der Kreditabteilung der Dresdner Bank, später dann in der Commerzbank. Die ist bis heute sein Arbeitgeber und entscheidet, in welche Firmen er investieren darf. Dabei muss der Vater von Zwillingen genauso hart um Kapital kämpfen wie auch Firmengründer.

"Wir agieren selbst wie Start-ups", sagt Hoppe. Das ist angesichts der Büroausstattung des Main Incubators durchaus wörtlich zu nehmen: Viele Tische und Stühle sind ausrangierte Möbel, die Hoppe vor dem Sperrmüll gerettet hat. Neu ist dagegen der Billardtisch. Der sorgt für Abwechslung und hat, so Hoppe, weniger gekostet als der für Start-ups obligatorische Kicker.

"Between the Towers", Mittelstandsgeschäft, Main Incubator - wo andere von Überlastung sprechen würden, schwärmt Hoppe von der Vielfalt der Möglichkeiten. Und die Dreifachbelastung reicht ihm nicht. Sein neuestes Projekt: ein Fintech-Zentrum in Frankfurt, wie es auch Hessens grünem Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir vorschwebt. An der entsprechenden Ausschreibung des Landes hat sich der Main Incubator beteiligt, nun wartet Hoppe ab, was in Wiesbaden entschieden wird.

Konkrete Vorstellungen hat er bereits: Ein ganzes Bürohaus soll es sein, mit subventionierten Mieten für Start-ups. Eine Art Ökosystem für Gründer. Sogar einen Ableger der Finanzaufsicht Bafin will er dort unterbringen, damit die Jungunternehmer Rechtsfragen gleich auf dem kurzen Dienstweg klären können.

Alles dicht beisammen und unter einem Dach: Für Hoppe ist das der ideale Weg, Fintechs vom Hype-Thema zur Konstante am Finanzplatz Frankfurt zu machen und den erfolgreichen Konkurrenten London und Tel Aviv Paroli zu bieten. "Oder denken Sie etwa, dass es erfolgreicher ist, Tomaten auf dem Acker zu ziehen anstatt im Gewächshaus?"

© SZ vom 18.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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