Hollandes Steuerpläne für Unternehmen:François, der Firmenschreck

Lesezeit: 3 min

Frankreichs Präsident Hollande droht Unternehmen mit höheren Steuern. Damit will er Beschäftigung und Wachstum ankurbeln, doch die Wirtschaft schlägt Alarm. Unternehmen drohen, an der zusätzlichen Last zu ersticken. Unklar ist, wie ernst es dem Präsidenten ist - oder ob er am Ende doch nur blufft.

Michael Kläsgen

Vom G-20-Treffen in Mexiko hätte die französische Öffentlichkeit in guter alter Gipfel-Tradition wohl kaum etwas erfahren, wäre da nicht dieser eine Witz von David Cameron gewesen. Der britische Premier unkte, er rolle liebend gern den "roten Teppich" aus für all jene Franzosen, die dem Spitzensteuersatz von 75 Prozent in ihrer Heimat entfliehen wollen. Perfides Albion! So nannten französische Geistesgrößen schon im 18. Jahrhundert die mutmaßlich "hinterlistige" Politik des Nachbarn auf der anderen Kanalseite.

Französische Unternehmen sorgen sich, wegen Hollandes Steuererhöhungsplänen bald nicht mehr konkurrenzfähig zu sein. (Foto: AFP)

Der für seine Schlagfertigkeit bekannte François Hollande fand den Witz dementsprechend gar nicht lustig und reagierte so unbeholfen wie humorlos: Jeder sei verantwortlich für das, was er sage, entgegnete er fade im fernen Los Cabos. Solle man doch einen Vergleich der Steuern anstellen. Er fürchte ihn nicht - zu Unrecht, wie sich zeigte. Alle alsbald publizierten Steuervergleiche kamen zu dem gleichen Ergebnis: Das Unternehmerglück liegt in England.

Die Schockwellen über das Wortgefecht waren noch nicht verebbt, da funkte in Paris Laurence Parisot, die Vorsitzende des Arbeitgeberverbandes Medef, SOS. Frankreichs Unternehmer kämpften ums "Überleben". Es mache sich "Angst" unter ihnen breit, dröhnte sie. Die kleingewachsene, aber energiegeladene Frau mit der Kurzhaarfrisur tat sich gewiss noch nie als Anhängerin der Sozialisten hervor, bislang schlug sie aber stets konziliante Töne an. Damit war nun Schluss.

"Größtes Steuererhöhungsprogramm der Geschichte"

Grund: Die Regierung plant eine weitere Steuer, die das Unternehmen "zu ersticken" drohe: Hollande will Dividenden mit drei Prozent besteuern. Er will die Konzerne so zu einem Kurswechsel verleiten. Sie sollen größere Teile des Gewinns investieren, in Arbeitsplätze und Werke, statt immer mehr Geld an die Aktionäre auszuschütten. Für den Verband ist die Steuer Teufelswerk. Für Investitionen brauche man Geld und das finde man nicht, indem man Anleger verschrecke. Selbst wohlmeinende Kritiker gaben zu bedenken, die Konzerne würden gegenwärtig kaum investieren, sondern das Geld eher bunkern. Sie seien zutiefst verunsichert wegen der schwelenden Euro-Krise und der bevorstehenden großen Steuerreform.

Die Sozialisten wollen überdies die Vermögensteuer wieder heraufsetzen, Banken und den Ölkonzern Total mit einer Sondersteuer belegen, die Börsenumsatzsteuer aufstocken, sie wollen Überstunden wieder besteuern und Reiche generell stärker zur Kasse bitten - wen auch immer sie dazu zählen. Und die rechte Opposition empört sich über das "größte Steuererhöhungsprogramm der Geschichte Frankreichs".

Keine Zeit für Geplänkel: Experten sind sich weitgehend einig, dass Steuererhöhungen unerlässlich sind, um in diesem Jahr die Neuverschuldung auf 4,5 Prozent der Wirtschaftsleistung zu drücken und dann 2013 das Maastrichter Defizit-Kriterium von drei Prozent zu erreichen. Die Frage ist nur, was sie bewirken? Macht die Umverteilung die Unternehmen wettbewerbsfähiger? Verringert sie die Lohnstückkosten? Und schafft sie dadurch Arbeitsplätze?

Von all diesen Strukturreformen ist bislang nichts zu erkennen, obwohl Wachstum und Beschäftigung zu den Prioritäten der Regierung gehören. Auguren prophezeien daher, Frankreich werde international weiter zurückfallen. Während sich Europa ringsum reformiere, senke Frankreich das Rentenalter für viele wieder auf 60 Jahre und erhöhe den Mindestlohn.

Das Land verhalte sich, als sei es eine Insel der Glückseligen, fernab der Realität. Optimisten glauben hingegen, Hollande werde sich, weil er keine andere Wahl habe, zwangsläufig Schritt für Schritt zum Reformer wandeln. Er müsse aber zunächst den Rückhalt in der Bevölkerung gewinnen, ehe er die unangenehmen Wahrheiten verkünde. Deswegen die Wahlgeschenke an die linke Klientel.

Leider haben weder Frankreich noch Europa für solch ein Geplänkel Zeit. Das Wirtschaftswachstum stagniert, eine Rezession droht, die Arbeitslosigkeit steigt und Gerüchte über weitere Massenentlassungen machen die Runde. Das Haus brennt und Hollande überlegt, wie er den Brand am besten löscht, ob er zum Löschen andere holt, die EU oder Deutschland, oder ob er doch vielleicht Kerosin versprüht. Kerosin, das wären schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme. Seine bisherigen Stimuli haben den Geruch davon, sie fielen aber so gering aus, dass sie keinen größeren Schaden anrichteten. An den Kapitalmärkten gilt Frankreich nach wie vor als sicherer Hafen.

Links blinken, rechts abbiegen Zumindest zwischen den Zeilen ist zu erkennen, dass Hollande sich der Realität annähert. Sein Premier orakelt von nötigen "Anstrengungen", ein Bericht des Finanzministeriums empfiehlt Ausgabenkürzungen und Anfang Juli, heißt es, werde ein Nachtragshaushalt mit zusätzlichen Einsparungen von bis zu zehn Milliarden Euro erwartet. Unmittelbar davor, aber erst nach dem EU-Gipfel Ende Juni soll es zum großen Kassensturz durch den Rechnungshof kommen. Das große Elend soll bitte eine unabhängige Institution und nicht die Regierung selber verkünden.

Am Ende dominiert Verantwortungsethik

Das ist das Gegenteil von mutig, zeigt aber: Alles ist minutiös für die Stunde der Wahrheit vorbereitet. Unterdessen hat sich Hollande von den Euro-Bonds ebenfalls klammheimlich verabschiedet, jedenfalls als kurzfristiges Instrument zur Euro-Rettung. Ein Frankreich-Kenner sagt: "Am Ende dominiert auch bei den Sozialisten die Verantwortungsethik." Und das, obwohl die PS im Gegensatz zur SPD ihr Godesberg nie hinter sich gebracht hat. Soll heißen: Obwohl sich die Partei nie offiziell zur sozialen Marktwirtschaft bekannte. Trotzdem hieß das Motto, als die Sozialisten zuletzt von 1997 bis 2002 an der Regierung waren: "Links blinken und rechts abbiegen." Darauf könnte es auch diesmal hinauslaufen.

Die Einführung der von Cameron verspotteten 75-Prozent-Steuer hat Hollande jedenfalls längst still und leise vertagt. Sie kommt frühestens nächstes Jahr - falls der Verfassungsrat keine Einwände hat.

© SZ vom 21.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: