Haushaltspolitik:Schröder und Eichel streiten über Sparkurs

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Während der Bundeskanzler vorsichtig andeutete, die Haushaltskonsolidierung zu lockern, wollte sein Finanzminister von einem Kurswechsel nicht sprechen. Zum Sparen gebe es keine Alternative.

Ulf Brychcy, Alexander Hagelüken, Andreas Hoffmann

(SZ vom 5.6.2003) - Mit ihrer Finanzpolitik sorgt Rot-Grün wieder für Verwirrung. Noch am Mittwoch Vormittag hatte Eichel brüsk dementiert, dass Rot-Grün den Sparkurs lockern wolle. Einen entsprechenden Zeitungsbericht dementierte der SPD-Politiker nach einer Sitzung des Bundestags-Finanzausschusses mit den Worten: "Das Ganze ist Quatsch".

Einige Stunden später relativierte Schröder das Dementi seines Finanzministers. Am Rande einer Tagung zur Energiepolitik deutete er an, dass Deutschland im Jahr 2004 erneut das Defizitkriterium für den öffentlichen Haushalt verfehlen werde. Man wolle zwar an der Haushaltskonsolidierung festhalten, sagte er. Zugleich dürfe die Regierung nicht prozyklisch handeln und durch zusätzliches Sparen die Krise verschärfen. "Hier liegt der Grund, warum es angezeigt ist, nicht unter allen Umständen das Defizitkriterium zu erreichen", sagte der Kanzler.

Zuvor hatte es am Mittwochvormittag überraschend ein Gespräch zwischen Eichel und Schröder gegeben. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung zeigte sich der Kanzler verärgert über einzelne Medienberichte, die offenbar von Kabinettsmitgliedern lanciert worden waren.

Die Financial Times Deutschland hatte gemeldet, dass die Regierung davon abrücke, im kommenden Jahr das Drei-Prozent-Kriterium für das öffentliche Defizit einzuhalten. Dies sei bei einem Treffen am Dienstagabend im Kanzleramt festgelegt worden, an der Runde nahmen neben Eichel und Schröder auch Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier, SPD-Fraktionschef Franz Müntefering und SPD-Generalsekretär Olaf Scholz teil.

Dagegen berichtete das Handelsblatt, dass Eichel den Sparkurs verschärfen wolle. Statt 15 Milliarden wollte er nun sogar 23 Milliarden Euro im kommenden Haushalt einsparen. Wie ein Regierungssprecher mitteilte, soll der angepeilte Sparrahmen von 15 Milliarden Euro für 2004 aber nicht ausgeweitet werden.

Weiterer Rückschlag für Eichel

Nach Ansicht von Regierungskreisen ist die vorsichtige Lockerung des Sparkurses ein weiterer Rückschlag für Eichel. Zuvor musste er bereits eine Anhebung der Tabaksteuer hinnehmen, die er lange abgelehnt hatte.

Unklar blieb aber weiterhin, wie Eichel im Etat 2004 15 Milliarden einsparen will. Ein Ministeriumssprecher sagte, es sei nicht geplant, die Rentenausgaben zu verringern. Auch an einen höheren Krankenkassenbeitrag der Rentner werde nicht gedacht. Der Bundeszuschuss an die Rentenkasse ist mit 73 Milliarden Euro einer der größten Posten im Eat.

Unklar ist auch, wie groß die Ausgabenlücke im Etat 2004 tatsächlich ist. Bislang basieren die Rechnungen auf einem Wachstum von zwei Prozent, Experten halten dies für unrealistisch. Trotz angespannter Wirtschaftslage will der Kanzler die Kohlesubventionen offenbar nicht kürzen. "Die Stein- und Braunkohle bleibt das Fundament bei der Energieerzeugung", sagte Schröder. Während die Braunkohle unter Marktbedingungen kostengünstig sei, werde die Finanzierung des Steinkohle-Bergbaus in diesem Jahr geregelt. "Dies wird geleistet werden in fairer Partnerschaft", sagte er und spielte auf Gespräche mit der Ruhrkohle AG an, die nun Ex-Wirtschaftsminister Werner Müller leitet.

Ärger in Brüssel

Die Lockerung des Sparkurses könnte auch für Ärger in Brüssel sorgen. Gegen Deutschland läuft ein Strafverfahren wegen Überschreitung der Defizitgrenze im Jahr 2002. Die EU-Staaten haben der Regierung eine Frist gesetzt, das Defizit spätestens 2004 wieder unter diese Marke zu drücken. Sonst droht eine Geldbuße von bis zu zehn Milliarden Euro. Daher sei Schröders Hinweis irreführend, einige EU-Staaten hätten die Grenze auch dieses Jahr verletzt, hieß es. Das entscheidende Jahr im Verfahren gegen Deutschland und Frankreich sei 2004 und nicht 2003. Kleinere Mitgliedsstaaten, wie die Niederlande, drängen darauf, den großen Ländern keine Verstöße gegen den Stabilitätspakt zu erlauben.

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