Harter Kampf um Schiesser:Glamour oder Outlet

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Feinripp als Rohdiamant: Am beschaulichen Bodensee wird um die Zukunft des insolventen Unterwäscheherstellers Schiesser gerungen. Mittendrin: Star-Designer Wolfgang Joop.

Tobias Dorfer

Der Mann, der Schiesser retten will, sieht sich bereits am Ziel. "Schiesser ist Germany", flötet Wolfgang Joop und sprüht vor Selbstbewusstsein und Tatendrang: "Ich will den Schatz heben. Ich will dem Rohdiamanten den Schliff geben", sagte der Modedesigner kürzlich. Um für die Übernahme von Schiesser zu werben, kam der prominente Bieter, der an der Spitze eines Konsortiums steht, Mitte Mai sogar persönlich ins beschauliche Bodenseeörtchen Radolfzell.

Darf Modedesigner Wolfgang Joop der Traditionsmarke Schiesser neues Leben einhauchen? "Ich will den Rohdiamanten schleifen", sagte Joop kürzlich. (Foto: Foto: ddp, AP)

Ob Joop jedoch die Lizenz zum Schleifen bekommt, ist derzeit unklar. Denn auch andere haben ihre Pläne mit dem Feinripp-Konzern und so ist Wolfgang Joop zwar der prominenteste, aber längst nicht der einzige Interessent, der bei Insolvenzverwalter Volker Grub vorgesprochen hat.

Grub, ein Rechtsanwalt aus Stuttgart, ist kein Mann für die Zukunft, sondern ein Mann für das Jetzt. Bei dem Verwalter treffen die Forderungen von Lieferanten und Banken ein, er muss den Spagat schaffen, einerseits die Gläubiger zufriedenzustellen und andererseits ein tragfähiges Konzept für die Rettung des Unterwäscheherstellers zu finden. In Grubs Welt ist wenig Platz für Rohdiamanten und Glamour à la Joop.

Weiter-So oder Neustart?

Am Dienstag treffen die Gläubiger von Schiesser mit dem Insolvenzverwalter zusammen. Das Treffen wird richtungsweisend für die Zukunft des Konzerns sein. Denn vor allem wird es um eine Frage gehen: Wird es ein Weiter-so geben? Oder einen Neustart mit frischen Gesichtern?

Die neuen Gesichter wären - neben Wolfgang Joop - etwa 20 ernstzunehmende Bieter. Außer dem Modedesigner hat sich jedoch noch niemand aus der Deckung gewagt und Insolvenzverwalter Grub hütet die Namen wie einen Schatz. Nur so viel: Finanzinvestoren seien darunter, ein Wettbewerber aus dem Unterwäschemarkt und andere Modehersteller, die ihr Portfolio mit der Traditionsmarke vergrößern wollten.

Das "Weiter-so" wird von der Familie Bechtler repräsentiert. Den Schweizer Unternehmern gehört Schiesser bislang über die im Steuerparadies Zug beheimatete Familienholding Hesta Tex. Vor 20 Jahren kauften sie den Unterwäschehersteller und führten ihn in den Abgrund: Häufige Managementwechsel, sinkende Umsätze, hohe Verluste. In den letzten Jahren siechte Schiesser vor sich hin.

Doch die Eigentümer um das Familienoberhaupt Thomas Bechtler denken gar nicht daran, Schiesser einfach so abzugeben. Ihr Plan sieht vor, das Unternehmen durch die Insolvenz zu schicken, die Schulden des Konzerns abzubauen und dem Unterwäschehersteller dann eine zweite Chance zu geben. Ein entsprechender Plan liegt Insolvenzverwalter Grub offenbar bereits vor.

Hertie, Schiesser & Co.
:Abschied von alten Bekannten

Quelle, Escada, Rosenthal: Pleiten von Traditionsunternehmen sorgen in Deutschland immer wieder für Aufsehen - weil oft Hunderte, manchmal Tausende Jobs einfach wegfallen. Spektakuläre Pleiten in Bildern.

Ob Bechtler, Joop oder ein bislang ungenannter Investor bei Schiesser zum Zuge kommt, entscheidet sich bei dem Gläubigertreffen. Stimmen die Banken und Lieferanten dem Plan der bisherigen Eigentümer zu, behalten die Bechtlers das Sagen in Radolfzell. Anderenfalls wird es wohl zu einem Bieterverfahren kommen, an dem sich Joop beteiligen würde.

Hertie, Schiesser & Co.
:Abschied von alten Bekannten

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"Alles offen"

Mutmaßungen, wie das Treffen verlaufen wird, will Insolvenzverwalter Grub nicht anstellen. "Alles ist völlig offen", sagt er lediglich. Zu dem prominenten Bieter will er sowieso nichts sagen, nur einen Satz lässt er sich entlocken: "Wolfgang Joop ist nur einer von vielen Bewerbern."

Es ist kein Geheimnis, dass der schwäbische Rechtsanwalt Grub dem schillernden Modeguru und seinen Plänen skeptisch gegenübersteht. Zwei Welten treffen da aufeinander. Auf der einen Seite Joop, der sein gleichnamiges Unternehmen vor etlichen Jahren verkauft hat und später mit dem Modelabel "Wunderkind" ein vielbeachtetes Comeback schaffte. Ein Guru, dessen Wirkungsfeld sich vorwiegend zwischen New York, Paris und Potsdam abspielt. Joop, der Star der deutschen Modeszene, will Schiesser vom biederen Mief befreien, das Sortiment verkleinern und sich auf die Produktion der Feinripp-Unterwäsche spezialisieren.

Auf der anderen Seite steht der Zahlenmensch Grub, der von potentiellen Investoren vor allem hören möchte, was man "zusätzlich" machen kann und der meint, es ginge eben nicht darum, etwas wegzustreichen. Nicht umsonst plant der Insolvenzverwalter, den Schiesser-Outlet-Store in Radolfzell von 4500 auf 10.000 Quadratmeter zu erweitern - eine Entscheidung, die Bieter Joop sogleich medienwirksam kritisiert hat: "Wenn sie noch mehr Ware billig an Touristen verkaufen, wird das die Marke umbringen."

Endlich wieder schwarze Zahlen

Grub und Joop, Radolfzell und Potsdam, Outlet und Glamour - das sind zwei Denkmodelle, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Doch die Entscheidung, wie es mit Schiesser weitergeht, liegt in der Hand des Rechtsanwalts - und der will erst einmal das Angebot der Familie Bechtler prüfen. "Die Familie ist sehr seriös, finanziell abgesichert und hat in den vergangenen Jahren schon viel Geld in Schiesser investiert", sagt Grub.

Verscherbeln will er den Unterwäschehersteller ohnehin nicht. Rechtzeitig vor dem Treffen der Gläubiger hat der Insolvenzverwalter noch einmal gute Nachrichten aus Radolfzell verkündet. Das Geschäft von Schiesser laufe gut, in diesem Jahr werde das Unternehmen sogar schwarze Zahlen schreiben. "Wir sind keine Verlustfirma mehr", sagt Grub stolz.

Vor diesem Hintergrund wird sich Designer Joop ins Zeug legen müssen, wenn die Liaison zwischen Feinripp und Luxusmode zustande kommen soll. Falls es nicht klappen sollte, wird der Designer den Kopf jedoch nicht hängen lassen, wie er kürzlich in einem Interview mit der Welt betonte: "Ich kann kochen, ich kann backen, und ich weiß, wie man Kartoffeln anbaut."

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