Handyhersteller schließt Werk in Cluj:Nokias Rumänien-Trick geht nicht auf

Lesezeit: 2 min

Ein Aufschrei ging durch Bochum, als Nokia 2008 die Produktion von Deutschland nach Rumänien verlagerte. Doch jetzt wird auch das Werk in Cluj geschlossen. Damit nicht genug: Nokia und Siemens pumpen auch noch eine Milliarde Euro in ein Unternehmen, das längst verkauft sein sollte. Und Rumänien will Geld zurück.

Nokia kämpft ums Überleben: 3500 Stellen will das finnische Unternehmen nun streichen, das vor rund drei Jahren mit der Schließung des Werkes in Bochum für viel Wirbel in Deutschland sorgte. Dabei wird ausgerechnet auch der Standort im rumänischen Cluj dicht gemacht - wohin die Produktion aus Bochum ausgelagert worden war. 2200 Arbeitsplätze gehen allein dort verloren. Der rumänische Staat will jetzt seine Zuschüsse zurück. Es geht um wenigstens einen Teil der 20 Millionen Euro, mit denen Nokia 2008 gelockt worden war.

Nokia - ein stark angeschlagenes Unternehmen? (Foto: dpa)

Die Schließung der Bochumer Fabrik hatte seinerzeit in Deutschland für Empörung gesorgt, weil Nokia beim Bau der deutschen Produktionsstätte erhebliche Subventionen erhalten hatte. Der damalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) warf dem Nokia-Management "Karawanen-Kapitalismus" vor.

Aber auch diesmal bleibt Deutschland nicht verschont: Weltweit werden 1300 Stellen in der Software-Entwicklung abgebaut. Davon ist auch der Standort Bonn betroffen, der geschlossen wird. Nach Angaben eines Nokia-Sprechers liegt die Zahl der betroffenen Arbeitsplätze im mittleren zweistelligen Bereich. "Die Gesamtanzahl der Mitarbeiter in Deutschland wird aber wachsen." So würden an den verbleibenden Forschungs- und Entwicklungsstandorten in Ulm und Berlin voraussichtlich neue Stellen geschaffen.

Nokia verlor jüngst massiv Marktanteile an andere Hersteller wie Apple oder Samsung. Konzernchef Stephen Elop hat Nokia deshalb ein Eine-Milliarde-Euro-Sparprogramm verordnet. Bereits im April hatte er angekündigt, sich von rund 7.000 Mitarbeitern und damit von mehr als einem Zehntel der Belegschaft zu trennen. Der neue Stellenabbau kommt nun noch obenauf.

Und es dürfte noch nicht das letzte Wort im Schrumpfungsprozess des Mobilfunkkonzerns sein. Denn das Unternehmen kündigte gleichzeitig an, es werde die langfristigen Perspektiven seiner Fertigungsstätten im finnischen Salo, im ungarischen Komarom und im mexikanischen Reynosa auf den Prüfstand stellen.

Dies könne 2012 zu weiteren Personalmaßnahmen führen, hieß es. Der nach Volumen weltweit nach wie vor größte Handy-Hersteller will die Fertigung künftig verstärkt auf seine großen Produktionsstätten in Asien konzentrieren.

Konzernchef Elop betonte, die geplanten Veränderungen machten Nokia zu einem dynamischeren und effizienteren Wettbewerber. Die Einschnitte beim Personal seien "schmerzhaft, aber notwendig".

Doch die Finnen haben noch ein weiteres Sorgenkind: Nokia und Siemens müssen eine Milliarde Euro frisches Kapital in ihr angeschlagenes Gemeinschaftsunternehmen Nokia Siemens Networks (NSN) stecken. Beide Unternehmen investieren jeweils 500 Millionen Euro in den Telekom-Ausrüster.

Das ist ein starkes Signal für einen Strategiewechsel: Im Sommer hatten die beiden Unternehmen die Suche nach einem Käufer für das ungeliebte Tochterunternehmen erfolglos beendet - der Preis von rund sechs Milliarden gebündelt war den Interessenten zu hoch. Das Manager Magazin schätzt den Jahresumsatz auf rund 12,8 Milliarden Euro, bei einem Betriebsverlust von fast 200 Millionen Euro.

Die deutsch-finnischen Partner Siemens und Nokia kündigten an, NSN in Eigenregie wieder auf die Beine bringen zu wollen. Auf dem Programm stehen Kostensenkungen, Portfolio-Ausdünnung und wohl auch Entlassungen.

Im Frühjahr wechselte Siemens den Finanzchef des Unternehmens aus - gegen Marco Schröter, den ehemaligen Finanzchef der einstigen Siemens-Tocher Infineon. Er ist als Kostendrücker bekannt. Jetzt bekommt NSN auch noch einen neuen Chefaufseher. Jesper Ovesen werde als hauptamtlicher Vorsitzender des Aufsichtsrates insbesondere die strategische Richtung von NSN im Blick haben, hieß es. Ovesen hat Erfahrung mit Unternehmensumbauten und Börsengängen.

NSN wurde 2007 gegründet - und nie kam es richtig auf die Beine. Das Unternehmen hat Siemens und Nokia in den vergangenen Jahren hohe Verluste beschert und leidet nun unter einem starken Wettbewerb in der Branche. Rund 75.000 Mitarbeiter in 150 Länder arbeiten heute für das Unternehmen. Es bedient mehr als 600 Netzbetreiber.

© sueddeutsche.de/dpa/hgn/kahe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: