Großbritannien:Privatisiertes Beileid

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Ein britischer Soldat, der 2013 in Afghanistan getötet wurde, wird beerdigt. Die Angehörigen könnte künftig eine private Firma informieren. (Foto: Christopher Furlong/Getty Images)

Die britische Regierung überträgt viele staatliche Aufgaben an Unternehmen - auch sehr heikle. Der Gewerkschaft gefällt das gar nicht.

Von Björn Finke, London

Die Behörde verwaltet Gehälter und Pensionen für die Soldaten und die zivilen Angestellten des Verteidigungsministeriums. Sie kümmert sich um das Wohlergehen von 900 000 Veteranen. Sie verteilt jedes Jahr 130 000 Medaillen. Und sie informiert Angehörige, wenn ein Soldat getötet wurde. Auch die Leiche zu überführen, gehört zu den Pflichten dieser Einrichtung mit dem schnöden Namen Defence Business Services (DBS). Doch in Zukunft sollen diese heiklen Aufgaben von einem privaten Unternehmen erledigt werden: Die britische Regierung plant, die Tätigkeiten von DBS outzusourcen.

Service-Firmen sollen Angebote einreichen. Der Sieger der Ausschreibung wird die Dienste von DBS über vier Jahre erbringen und Teile des Personals der Behörde übernehmen. Die Gewerkschaft Public and Commercial Services Union lehnt eine Übertragung dieser "besonders komplizierten und heiklen Aufgaben" an Private ab. Konzerne würden bei Mitarbeitern und Ressourcen sparen, um ihre Gewinne zu erhöhen, heißt es in einer Stellungnahme.

Medaillen und Todesnachrichten vom freundlichen privaten Dienstleister - Großbritannien ist ein Paradies für Outsourcing-Firmen. Die konservative Regierung, die Kommunen im Land oder der staatliche Gesundheitsdienst NHS vergeben munter Service-Aufträge an Unternehmen. Die Politiker hoffen, die Einbeziehung der Wirtschaft senke die Kosten und verbessere die Qualität. Im vergangenen Jahr legte im Königreich der Wert der Outsourcing-Verträge der öffentlichen Hand um ein Viertel zu, schreibt Arvato, die Service-Tochter des Bertelsmann-Konzerns, in einer Studie.

Allerdings erfüllen sich die Hoffnungen der Politik oft nicht. Fehlschläge und Tricks der Outsourcing-Firmen machen regelmäßig Schlagzeilen. So sollen die Unternehmen G4S und Serco über Jahre hinweg systematisch zu viel für die Überwachung von Verurteilten mit elektronischen Fußfesseln abgerechnet haben. Die Konzerne kassierten offenbar auch für verstorbene oder ins Ausland verzogene Straftäter. Und bei den Olympischen Spielen 2012 in London schaffte es G4S nicht, die vereinbarte Zahl an Sicherheitsleuten aufzubieten. Die Armee musste einspringen.

Das National Audit Office, der Rechnungshof, kritisierte zuletzt Outsourcing-Projekte der staatlichen Exportförderungs-Gesellschaft und der Regierung. Die Regierung schuf für die Verwaltungsaufgaben der Ministerien zwei Service-Center, die von privaten Firmen geführt werden. Der Rechnungshof klagt, die Vorhaben hätten ihre Ziele verfehlt. Allgemein bemängeln die Aufseher, dass die jetzige sowie frühere britische Regierungen Service-Verträge schlecht aushandelten und kontrollierten. Das sei ein "systematisches, tief verwurzeltes" Problem, das mit der Kultur in den Ministerien zu tun habe.

Doch die konservative Regierung überträgt nicht nur gerne Staatsaufgaben an Unternehmen, sie verkauft zugleich viele staatliche Beteiligungen. Im vergangenen Jahr brachten Privatisierungen Schatzkanzler George Osborne 26,4 Milliarden Pfund ein. Das übertrifft die Erlöse aus den besten Jahren Margaret Thatchers. Unter anderem stieß Osborne Anteile am Zugbetreiber Eurostar, dem Postkonzern Royal Mail sowie an den Finanzinstituten Lloyds und Royal Bank of Scotland ab. Für die kommenden Jahre verspricht der Konservative weitere Milliardenverkäufe. Alles muss raus.

© SZ vom 21.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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