Großbritannien:Fast nur Nachteile

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Deutsche Mittelständler klagen über die Probleme, die der Brexit macht: Zölle, Wechselkurse und Steuern bereiten Kopfzerbrechen.

Von Björn Finke, London

Waren made in Germany haben ihren Preis. Und der ist im Vereinigten Königreich nun oft höher. Das gilt etwa für Süßigkeiten. Oder Motorsägen. "Wir haben die Preise in Großbritannien wegen der Abwertung des Pfund um 15 Prozent angehoben", sagt Tobias Bachmüller, Chef und Eigentümer der Süßwaren-Firma Katjes Fassin. Marktanteile habe das nicht gekostet. Auch Nikolas Stihl, Beiratsvorsitzender des schwäbischen Kettensägenherstellers Stihl, berichtet von Preiserhöhungen im Königreich. "Die haben wir durchsetzen können", sagt er. Seit dem EU-Referendum vor einem guten Jahr hat das Pfund stark an Wert verloren. Unternehmen wie Katjes Fassin oder Stihl bekommen darum weniger Euro für ihre Verkäufe in Pfund auf der Insel heraus.

Mit den Preiserhöhungen lassen sie die britischen Verbraucher die Last der Pfund-Abwertung tragen. Dass Importe teurer werden, spiegelt sich bereits in der Inflationsrate wider: Sie stieg zwischenzeitlich auf 2,9 Prozent. Würden 2019 nach dem Brexit Zölle eingeführt, werde er diese ebenfalls auf die Kunden im Königreich abwälzen, sagt Stihl. "In Großbritannien produziert keiner unserer Wettbewerber. Alle müssen ihre Produkte einführen, alle stellen die Abwertung oder neue Zölle vor die gleichen Probleme." Darum könnten sich die Hersteller Preiserhöhungen leisten.

Das Fazit der Mittelständler: Der Brexit könnte eine teure Angelegenheit für die Untertanen Ihrer Majestät werden.

Stihl und Bachmüller gehörten zu einer Delegation von 25 deutschen Unternehmern, die am Dienstag und Mittwoch in London mit Parlamentariern, Wirtschaftsvertretern und Diplomaten über den Brexit sprachen. Organisiert wurde die Reise von der Stiftung Familienunternehmen, dem Lobbyverband der großen familiengeführten Konzerne. Bei einem Treffen mit Journalisten in der britischen Hauptstadt klagten die Manager auch über die schädliche Unsicherheit, die der EU-Austritt von Deutschlands fünftwichtigstem Handelspartner schafft.

Hinrich Mählmann, Chef und Inhaber des Konzerns Otto Fuchs, sagte, er erwäge gerade, eine kleine Firma im Königreich zu übernehmen. "Aber ist es sinnvoll, hier zu fertigen? Muss ich nach dem Kauf die Produktion aus Großbritannien ins Ausland verlagern?", fragte er. Otto Fuchs ist ein Zulieferer für die Auto-, Flugzeug- und Bauindustrie. Manager wie Mählmann wissen nicht, welchen Bedingungen der Handel über den Ärmelkanal in Zukunft unterliegen wird: ob Zölle anfallen, ob Standards voneinander abweichen. Investitionen in eine Fabrik oder eine neue Tochterfirma sind da riskant.

Am meisten leiden britische Unternehmen unter dieser Ungewissheit. Der Wirtschaftsverband CBI veröffentlichte Anfang der Woche eine Umfrage, bei der 40 Prozent der Firmen angaben, der Brexit wirke sich negativ auf ihre Investitionspläne aus. In der wichtigen Auto-Industrie deuten Zahlen für das erste Halbjahr darauf hin, dass die Konzerne dreiviertel weniger investieren als noch vor zwei Jahren.

Die britische Regierung und die EU trafen sich am Montag in Brüssel zu ihrer zweiten Verhandlungsrunde, die an diesem Donnerstag enden wird. Die beiden Seiten müssen sich bis zum Austrittstermin im März 2019 auf die Bedingungen der Scheidung einigen. Außerdem will Premierministerin Theresa May ein umfassendes Freihandelsabkommen abschließen, damit keine Zölle eingeführt werden. Alfons Schneider, Vorstandsmitglied der Stiftung Familienunternehmen, sagte, Brüssel und London sollten pragmatische Lösungen anstreben und "davon absehen, politische Exempel zu statuieren".

Der Austritt kann auch steuerrechtliche Folgen für deutsche Firmen haben

Motorsägen-Unternehmer Stihl sagte, die britische Regierung setze wohl darauf, Wirtschaftsvertreter auf dem Festland als Verbündete zu gewinnen: "Ich glaube, die britische Regierung hofft darauf, dass die Wirtschaft die Politik dort unter Druck setzt, auf dass die Verhandlungen zu einem guten Ergebnis führen." Doch die Unternehmer würden das nicht machen.

Von der deutschen Regierung fordern die Familienunternehmer Änderungen im Steuerrecht wegen des Brexit. Dabei geht es um die Erbschaftsteuer. Stirbt ein Firmenbesitzer, zahlen die Erben für den Betrieb keine Erbschaftsteuer, wenn sie im Gegenzug sieben Jahre lang die Zahl der Arbeitsplätze nicht verringern. Die Regelung soll verhindern, dass Unternehmen durch die Steuer geschwächt werden. Bei der Zahl der Jobs werden alle Standorte in der EU berücksichtigt, aber keine Niederlassungen außerhalb der Union.

Nach dem Brexit würden die Arbeitsplätze einer britischen Filiale auf einmal nicht mehr mitzählen - das würde zu Ärger mit dem Fiskus führen, wenn die Regierung die Regeln nicht anpasst. Ein ähnliches Problem ergibt sich bei der sogenannten Wegzugsbesteuerung, also den Steuern, die der Mitinhaber einer Firma zahlen muss, wenn er aus Deutschland in ein Land außerhalb der EU umzieht.

Manager Stihl sagte, der Brexit bringe den Unternehmern nur Nachteile. Dann fällt ihm doch ein Vorteil ein: "Wir wollen unsere Vertriebsniederlassung in Großbritannien vergrößern und müssen dafür ein Grundstück kaufen. Das wird jetzt vielleicht billiger."

© SZ vom 20.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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