Grauer Kapitalmarkt:Der Preis der Gier

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Einer der spektakulärsten Betrugsfälle der deutschen Wirtschaftsgeschichte endet mit langjährigen Haftstrafen. Für die 11 000 Geprellten der Immobilienfirma S&K geht das Drama aber jetzt erst los.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Ein Justizbeamter nimmt einem der beiden Gründer von S&K während der Verhandlung die Handschellen ab. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Die Verurteilten umarmten ihre Strafverteidiger, als hätten sie die Freiheit gewonnen. Wahrscheinlich empfanden sie es in diesem Moment auch so. Es war der Schlussakkord bei einem der spektakulärsten Wirtschaftsstrafprozesse der deutschen Geschichte.

Das Frankfurter Landgericht hat die beiden Gründer der Immobilienfirma S&K, Stephan Schäfer und Jonas Köller, am Mittwoch zu achteinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Doch die beiden Männer durften zusammen mit den beiden anderen verurteilten Kompagnons fürs Erste Freiheit schnuppern. Nach über vier Jahren Untersuchungshaft hatte das Gericht ihre Haftbefehle aufgehoben. Also nichts wie raus durch den Nebenausgang und ab in die Frankfurter Frühlingssonne. Der Termin zum Haftantritt kommt mit der Post, die Untersuchungshaft wird angerechnet.

Am letzten Verhandlungstag machte sich im Gerichtssaal Erleichterung breit. Es ist noch gar nicht so lange her, da sah es so aus, als könnte dieser Prozess erst in ein paar Jahren enden. Doch Staatsanwaltschaft und Verteidiger hatten sich in den letzten Wochen mit dem Gericht auf eine Einigung verständigt. Der Betrugsvorwurf in der Anklage wurde fallen gelassen. Es sollte "nur" noch um Untreue gehen, wenn die vier Angeklagten im Gegenzug ein glaubhaftes Geständnis ablegen würden. Das taten sie dann auch.

"Die Angeklagten hatten ein faires Verfahren. Wir können froh sein, dass wir in Deutschland leben", sagte der Vorsitzende Richter Alexander El Duwaik nach der Urteilsverkündung. Er attestierte den Verurteilten "kriminelle Energie", sie seien sich bewusst gewesen, was sie taten. "Es haben viele Anleger viel Geld verloren." Der Richter hielt den Männern zugute, dass sie ihre Taten gestanden hatten. Auch die lange Untersuchungshaft nutzte das Gericht, um den Strafrahmen von bis zu neuneinhalb Jahren nicht voll auszuschöpfen.

Damit endete nach gut anderthalb Jahren und über 100 Verhandlungstagen ein denkwürdiger Strafprozess. Rund 11 000 Anleger erlitten einen Schaden von 240 Millionen Euro, weil sie ihr Geld in S&K-Produkte gesteckt hatten. Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft war über 3000 Seiten stark. Davon mussten 1200 Seiten an 19, zumeist qualvollen, Verhandlungstagen verlesen werden. "Das war wohl einmalig in Deutschland und bleibt es hoffentlich auch für alle Zukunft", sagte Richter El Duwaik.

Staatsanwälte und Strafverteidiger lieferten sich destruktive Scharmützel, die das Verfahren unnötig in die Länge zogen. Allein fünf Ordner füllen die Befangenheitsanträge gegen das Gericht. Erst ein neuer Staatsanwalt konnte das Eis brechen und eine Gesprächsgrundlage mit den Verteidigern aufbauen, in deren Verlauf auch die Schadenssumme der Anklage auf 90 Millionen Euro abgespeckt wurde.

Die Angeklagten sprachen in ihren Geständnissen von "Gier", die sie angetrieben hatte. Sie seien ihrer "vermeintlichen Genialität" erlegen. Richter El Duwaik zollte den geschäftlichen Aktivitäten der S&K-Gründer Anerkennung. Es sei schon "ganz ordentlich" gewesen, "was da auf die Beine gestellt wurde". Doch am Ende sei man nicht auf seiner Bahn geblieben und alles sei "aus dem Ruder gelaufen". Statussymbole wie teure Autos oder ein aufwendiger Lebensstil seien "nicht alles im Leben", sagte der Richter.

Der Graue Kapitalmarkt kennt kein Korrektiv. Kritiker fordern eine stärkere Regulierung

Der S&K-Fall ist exemplarisch für Finanzfirmen aus dem grauen Kapitalmarkt, die peu à peu in die Illegalität abrutschen. Längst nicht alle Kriminellen starten ihr Geschäft mit einer vorsätzlichen Betrugsabsicht. Doch Übermut und Habgier sorgen oft dafür, dass dem ersten Gesetzesverstoß die nächsten folgen. Der graue Kapitalmarkt kennt kein Korrektiv und ist nach Ansicht von Verbraucherschützern zu wenig reguliert. Die Anbieter locken mit überzogenen Renditeversprechen für Schiffs-, Immobilien- oder Rohstoff-Beteiligungen, und Anleger unterschätzen die Risiken. Es bildet sich häufig ein Netz von Unterstützern. Windige Wirtschaftsprüfer, Gutachter, Anwälte und Notare schreiben dann bereitwillig Gefälligkeitsgutachten, um an der Sause mitzuverdienen. Freiwillig zieht da selten einer die Notbremse. Man macht einfach immer weiter, bis der Betrug auffliegt.

Die Ermittlungsarbeit dieser Wirtschaftsstrafsachen ist aufwendig. Es braucht viele Spezialisten mit viel Zeit, um Betrugsfälle aus dem Finanzsektor anklagefest zu machen. Die Gerichte in Deutschland schöpfen das Strafmaß auch mal aus, wenn die Beweislage es erlaubt. So wurde im Jahr 2011 der Hedgefondsmanager Helmut Kiener zu über zehn Jahren Haft verurteilt. Er hatte Anlegern einen Schaden von 320 Millionen Euro beschert. Der öffentlichkeitswirksame Prozess und das Urteil konnten keine Abschreckungswirkung entfalten. Es gibt immer noch unzählige Fälle, in denen Anleger ihr Geld gutgläubig bei einem dubiosen Finanzanbieter versenkt haben. Für die geprellten S&K-Anleger geht das Drama jetzt erst richtig los. Sie müssen über Zivilklagen ihr Geld zurückfordern. Das ist teuer und zeitraubend.

Neben den beiden S&K-Gründern wurden zwei weitere Angeklagte zu sechs respektive viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Ein fünfter Angeklagter wollte sich an dem Deal mit dem Gericht und der Staatsanwaltschaft nicht beteiligen. Dieser Prozess geht weiter. Ein sechster war bereits zu einer Haftstrafe von fünf Jahren verurteilt worden. Richter El Duwaik gab den beiden S&K-Gründern noch einen Ratschlag: "Suchen sie sich ein anderes Umfeld. Nutzen Sie Ihre Fähigkeiten woanders." Einer der Männer plant ein BWL-Studium, der andere möchte bei einem Bodybuilding-Studio einsteigen.

© SZ vom 30.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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