Geschönte Umfrage-Zahlen:ADAC gesteht jahrelange Manipulationen

ADAC - Michael Ramstetter

Der ehemalige Leiter der Öffentlichkeitsarbeit des ADAC und Ex-Chefredakteur der Mitgliederzeitschrift Motorwelt, Michael Ramstetter, bei seinem letzten öffentlichen Auftritt am 16. Januar 2014 in München.

(Foto: dpa)

Der ADAC ringt um seine Glaubwürdigkeit. Die Wahl zum "Gelben Engel" wurde über Jahre hinweg geschönt. Der verantwortliche Kommunikationschef Ramstetter bestätigt der SZ: "Ich habe Scheiße gebaut."

Von Bastian Obermayer und Uwe Ritzer

Beim ADAC-Autopreis "Gelber Engel" wurde offenkundig bereits länger manipuliert als bisher bekannt. Der am Wochenende geschasste Kommunikationschef des Automobilverbandes, Michael Ramstetter, soll über Jahre hinweg die Teilnehmerzahlen der Umfrage zum "Lieblingsauto der Deutschen" nach oben frisiert haben. Das bestätigte ADAC-Geschäftsführer Karl Obermair der Süddeutschen Zeitung. Er kündigte eine umfassende Aufklärung an.

Zuvor hatte der ADAC eingeräumt, dass Ramstetter die Ergebnisse der diesjährigen Leserwahl um ein Vielfaches übertrieben hat - wohl um den Preis noch bedeutender und wertiger darzustellen. Nach tagelangen Dementis räumte Ramstetter die Manipulationen am Freitag intern ein. Daraufhin trennten sich der ADAC und sein langjähriger Kommunikationschef, der auch Chefredakteur der Zeitschrift Motorwelt ist, mit sofortiger Wirkung. Ramstetter selbst sagte am Sonntag der SZ: "Ich habe Scheiße gebaut und die Zahlen geschönt. Daraus ziehe ich die Konsequenzen und übernehme die Verantwortung." Mehr wolle er derzeit aber nicht sagen.

Statistiken wurden angeblich unmittelbar nach der Preisverleihung vernichtet

Die Aufarbeitung der Affäre ist mit Ramstetters Ablösung aber nicht beendet. Jetzt stehen im Grunde alle Teilnehmerzahlen seit der erstmaligen Verleihung des "Gelben Engels" im Jahr 2005 in Frage. Interne Revisoren des ADAC schauen sich die entsprechenden, angeblichen Abstimmungszahlen an - sofern diese überhaupt noch vorhanden sind. Einige Statistiken wurden angeblich unmittelbar nach der jeweiligen Preisverleihung vernichtet.

Für den ADAC ist die Affäre eine Image-Katastrophe. Der Verein lebt wesentlich von dem Vertrauen der Mitglieder und der Öffentlichkeit in seine Tests und Empfehlungen. "Glaubwürdigkeit und Vertrauen sind unser höchstes Gut, umso mehr treffen uns diese ganzen Vorgänge", sagte Obermair. Er kündigte an, der ADAC werde auch "an die Unternehmen aus der Automobilindustrie herantreten" und sich "bei ihnen entschuldigen".

Noch bei der Verleihung des Autopreises am Donnerstag in München hatte Obermair einen SZ-Bericht über die Zahlentrickserei scharf zurückgewiesen. Vor 400 geladenen Gästen, darunter die gesamte Spitze der Autoindustrie, hatte er von "Unwahrheiten und Unterstellungen" gesprochen, von "komplettem Unsinn" und einem "Skandal für den Journalismus".

Am Sonntag sagte Obermair, niemand in der ADAC-Spitze habe sich bis dahin vorstellen können, dass es bei der Wahl zum Lieblingsauto der Deutschen zu Unregelmäßigkeiten gekommen sein könnte. "Wir alle sind bis Freitag von der kompletten Unschuld Michael Ramstetters ausgegangen", sagte Obermair. "Was hier geschehen ist, ist für das gesamte Präsidium und die Geschäftsführung des ADAC unfassbar."

Verbandsintern scheint es jedoch bereits Zweifel gegeben zu haben. Nachdem die SZ ihn eine Woche vor der Auto-Gala mit den Manipulationsvorwürfen konfrontiert hatte, habe er als Vorgesetzter Ramstetters umgehend eine Überprüfung angeordnet, so Obermair. Ramstetter habe ihm erklärt, dass mehrere Teams mit der Auszählung befasst gewesen seien. Konkrete Zahlen habe Ramstetter immer wieder versprochen, aber nicht geliefert.

In den folgenden Tagen soll sich Ramstetter weiteren Bitten um Aufklärung entzogen haben - mit dem Hinweis, er habe unter anderem mit der Vorbereitung der "Gelbe-Engel"-Gala in der Münchner Allerheiligen-Hofkirche zu viel zu tun. Das Blatt wendete sich schließlich am Freitag zu seinen Ungunsten. Obermair sagt, auf seinen Druck hin habe ihm Ramstetter von zu Hause aus per Mail kurz vor zehn Uhr morgens die wirklichen Zahlen zugeschickt. Nach dem Studium der Excel-Tabellen sei klar gewesen, dass die Zahlen tatsächlich frisiert worden waren. Daraufhin beschlossen sowohl die Geschäftsführung als auch das ehrenamtliche Präsidium Ramstetters Ablösung. Anschließend gingen die Anwälte ans Werk.

ADAC: Weder "goldener Handschlag" noch Abfindung für Ramstetter

Auf Nachfrage soll Michael Ramstetter eingeräumt haben, die veröffentlichten Zahlen bei der Wahl zum Lieblingsauto der Deutschen auch in anderen Jahren weitgehend frei erfunden zu haben. Und tatsächlich fällt auf: Die Beteiligung an der Umfrage blieb von 2006 bis 2014 auf konstant hohem Niveau. Es erscheint als wahrscheinlich, dass alle diese Jahre von der Manipulation betroffen sind. "Wir haben eine umfassende interne Revision eingeleitet, die auch die Abstimmungen in den vergangenen Jahren bis ins letzte Detail überprüft", sagte Obermair.

Die Trennung von Ramstetter war schließlich am Samstagmittag unter Dach und Fach. Der ADAC erklärte in einer Mitteilung, der Kommunikationschef habe "die alleinige persönliche Verantwortung" übernommen und "mit sofortiger Wirkung" alle Posten beim ADAC niedergelegt. Was das konkret heißt, ist unklar. Über die Konditionen der Trennung wurde Stillschweigen vereinbart. "Es gibt keinen goldenen Handschlag für Herrn Ramstetter, und es wird ihm keine Abfindung bezahlt", sagte Obermair zur SZ. Zwei Sachen sind ihm außerdem besonders wichtig. Zum einen seien weder Präsidium noch Geschäftsführung über diese Dinge im Bild gewesen, zum anderen habe Ramstetter zwar die Gesamtzahlen geschönt, nicht jedoch die Rangfolge der Gewinner verändert. Zumindest für die beiden zurückliegenden Jahre deckt sich dies mit den ADAC-internen Unterlagen, die der SZ vorliegen. Gleichzeitig halten sich aber seit Jahren in verschiedenen Abteilungen des Verbandes Gerüchte, bei der Abstimmung zum "Lieblingsauto der Deutschen" habe nicht immer das Auto mit den meisten Stimmen am Ende auch gewonnen.

Den ADAC wird die Angelegenheit noch länger begleiten

Aber wie konnten diese Fälschungen über Jahre hinweg unbemerkt bleiben? ADAC-Geschäftsführer Obermair sagt, Ramstetter habe dafür gesorgt, dass er allein Zugang zu allen Abstimmungsauszählungen gehabt habe. So habe niemand außer Ramstetter ein genaues Bild gehabt.

Den ADAC wird die Angelegenheit noch länger begleiten. Schon fordern erste Experten, alle ADAC-Tests kritisch zu untersuchen. So sagt Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Automobilwirtschaft an der Uni Duisburg-Essen: "Wenn sie beim ,Gelben Engel' lügen, kann man das auch für die anderen Bereiche nicht ausschließen."

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