Gericht fordert US-Unterlagen:Wende im Telekom-Prozess

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Das Gericht will Aussagen des Ex-Telekom-Chefs Ron Sommer und seiner Kollegen überprüfen lassen - anhand von Unterlagen aus einem US-Prozess.

Markus Zydra

Im Telekom-Prozess ist es zu einer überraschenden Entscheidung gekommen. Das Oberlandesgericht(OLG) Frankfurt will Zeugenaussagen namhafter Telekom-Manager auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen.

Ex-Telekom-Chef Ron Sommer: Seine Aussagen aus dem US-Telekom-Prozess müssen offengelegt werden. (Foto: Foto: ddp)

Sommers und Rickes Aussagen werden überprüft

Betroffen sind die ehemaligen Konzernchefs Ron Sommer und Kai-Uwe Ricke, der frühere Vorstand Jeffrey Hedberg und der noch amtierende Finanzvorstand der Telekom, Karl-Gerhard Eick. Die vier Manager haben im Frühjahr vor dem OLG Frankfurt im größten Zivilprozess der deutschen Geschichte ausgesagt.

Der 23.Zivilsenat unter dem Vorsitzenden Richter Christian Dittrich hat die Deutsche Telekom aufgefordert, Aussagen der vier Manager aus einem früheren Zivilstreit in derselben Angelegenheit vorzulegen - und zwar binnen eines Monats. "Diese Dokumente sind geeignet, die Aussagen der Zeugen zu überprüfen beziehungsweise zu würdigen", heißt es in dem Senatsbeschluss vom 1.August. Das Papier liegt der SZ vor.

Telekom muss US-Unterlagen vorlegen

Dabei geht es um Aussagen besagter Vorstandsmitglieder während der Beweisaufnahme in einem US-Zivilprozess, einem sogenannten pre-trial discovery. Auch dort hatten Anleger Schadenersatz gefordert, weil sie sich von der Telekom im Zuge der Übernahme des US-Mobilfunkkonzerns Voicestream getäuscht fühlten. Das Schadenersatzverfahren ging 2005 vor dem Amtsgericht Southern District of New York mit einem Vergleich zu Ende. Die Telekom zahlte 120 Millionen Dollar an die US-Kläger.

Die Telekom ist im Besitz dieser Zeugenaussagen und muss das Dossier nun dem OLG Frankfurt vorlegen, zusammen mit Aktenvermerken von einem Gespräch zwischen Ron Sommer und dem damaligen Voicestream-Chef John Stanton von Anfang März 2000.

Danach kann Wort für Wort verglichen werden, was die Telekom-Vorstände im US-Prozess aussagten und was sie vor dem OLG Frankfurt zu Protokoll gaben. Ron Sommer und seine ehemaligen Vorstandskollegen haben im April und Mai vor dem OLG in Frankfurt einhellig erklärt, dass die Vorwürfe der Klägerseite, die Telekom habe Investoren Fakten zur Voicestream-Übernahme im Jahr 2000 verschwiegen, falsch seien.

"Massive Zweifel" an den Aussagen

"Wir sehen unsere massiven Zweifel an den Zeugenaussagen der früheren Telekom-Spitze nachhaltig bestärkt", sagt Rechtsanwalt Peter Gundermann von der Kanzlei Tilp, die den Musterkläger vertritt. Im Senatsbeschluss heißt es weiter, die Kläger hätten in einer für die Durchführung einer Beweisführung ausreichenden Weise vorgetragen, dass der Prospekt bezüglich des Komplexes "Erwerb von Voicestream" unrichtig sei. Ein Telekom-Sprecher sagte der SZ, man werde die Unterlagen selbstverständlich einreichen, und am Ende werde sich die Haltlosigkeit der Vorwürfe erweisen.

Der Telekom-Prozess hat Anfang April begonnen und ist nach Anhörung zahlreicher Zeugen derzeit unterbrochen. Der ehemalige Voicestream-Chef Stanton soll auch noch befragt werden.

Wieder Spannung im Prozess

In dem Musterprozess wird stellvertretend für 17.000 Anleger in 2700 anhängigen Prozessen entschieden, ob der Börsenprospekt zur dritten T-Aktien-Platzierung aus dem Jahr 2000 falsch war. Die Zeichnungsfrist für diese dritte Aktientranche begann am 26.Mai 2000. Basis für zahlreiche Privatanleger war der Börsenprospekt. Am 23.Juli 2000 wurde die Voicestream-Übernahme offiziell bekanntgegeben.

Die entscheidende Frage ist: War das Geschäft schon vorher unter Dach und Fach? Dann hätte diese Information in den Prospekt gehört, meinen die Kläger, die Schadenersatz für ihre erlittenen Kursverluste fordern. Die T-Aktie hat nach der Übernahme von Voicestream deutlich an Wert verloren.

Mit der Entscheidung des 23.Zivilsenats kommt wieder Spannung in den Prozess, an dem die Öffentlichkeit zuletzt das Interesse verloren hatte. Die Einbeziehung der Unterlagen aus dem New Yorker Telekom-Verfahren, so Rechtsanwalt Andreas Tilp, würde es künftig auch anderen Anlegern leichter machen, grenzüberschreitende Kapitalmarktschäden zu verfolgen.

© SZ vom 05.08.2008/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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