Geldpolitik:Japans Notenbank macht alles neu - zumindest ein bisschen

Lesezeit: 2 min

BOJ-Chef Kuroda will die Geldpolitik seines Hauses neu ordnen. Das ist dringend nötig, denn die alten Mittel haben versagt und werden langsam gefährlich. Nur ob nun die Neuerung wirkt, ist völlig offen.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Die japanische Notenbank BOJ verändert ihre Geldpolitik von Grund auf, belässt aber vorläufig alles beim Alten. Statt wie bisher vorab festzulegen, wie viel Geld sie in welche Anlage-Instrumente pumpt, will sie künftig mehr Flexibilität. Dazu will sie künftig nur noch die Zinskurven japanischer Staatsanleihen steuern, von konkret bezifferten Zielen wie der jährlichen Erweiterung der Geldmenge rückt sie dagegen ab. Unter dem Strich werde sie zunächst aber wie gehabt für jährlich umgerechnet mehr als 700 Milliarden Euro Staatsanleihen kaufen, kündigte Notenbankchef Haruhiko Kuroda an.

Kurzfristig ändert sich also in der Sache nichts - allerdings werden die Einschätzungen, nach denen sie diese Maßnahmen dimensioniert, differenzierter. Außerdem soll die BOJ so schneller reagieren können. Ob sie aber in Zukunft noch mehr Wertpapiere aufkaufen wird oder nicht, ist derzeit nicht abzusehen. Offenbar ist noch nicht einmal genau geklärt, wer künftig über das Volumen des Kaufprogramms entscheidet: Fest steht nur, dass die Notenbank von den zehnjährigen Staatsanleihen so viel übernehmen wird, dass sich ihr Ertrag bei Null Prozent einpendelt. Damit sollen dann auch die Zinsen auf Papiere mit anderen Laufzeiten beeinflusst werden.

Einen Namen hat die neue Politik auch schon: "QQE mit Zinskurvenkontrolle", bisher war von "QQE mit Negativzins" die Rede. Das Kürzel QQE steht dabei für quantitative und qualitative Lockerung der Geldpolitik.

Auch am Inflationsziel von dauerhaft zwei Prozent hält die BOJ weiter fest, verzichtet aber erneut auf einen Zeithorizont. Dafür spricht sie nun davon, die Inflation könne vorübergehend auch höher steigen, damit sich zwei Prozent als Durchschnitt etablierten. Derzeit geben die Preise in Japan allerdings wieder nach, es herrscht also Deflation.

Schon heute hält die Notenbank ein Drittel aller japanischen Staatsschulden

Ihren Schwenk begründet die BOJ nun mit einer "fundamentalen Überprüfung" ihrer Politik der letzten Jahre. Insbesondere hat sie die von ihr bis Frühjahr 2015 angepeilte Zwei-Prozent-Inflation verfehlt. Dabei bezeichnete Kuroda dies stets als seine wichtigste Aufgabe. Er behauptet immer noch, Japans Wirtschaft lahme, weil die Menschen mit fallenden statt steigenden Preisen rechneten und deshalb Anschaffungen aufschieben. Allerdings animierte auch ein kurze Phase der Inflation vor zwei Jahren die Japaner nicht zum Konsum - vielen fehlt dazu schlicht das Geld.

Mit ihrer neuen Unberechenbarkeit entzieht die BOJ den Finanzmärkten nun einen Ansatz zur Spekulation: Die Börse wird nicht mehr jeden Monat vor der Sitzung des geldpolitischen Rates darauf wetten können, ob dieser nun handle oder nicht. Damit sei die Notenbank besser gerüstet, auf Finanzkrisen sofort zu reagieren, so Kuroda.

Wichtig für den Schwenk war auch, dass die BOJ gemeinsam mit dem japanischen Pensionsfonds zur größten Aktionärin fast aller Firmen im Nikkei-225-Index aufgestiegen ist. Damit verzerren die zwei Staats-Institutionen nicht nur den Markt, sie schnappen den Japanern auch die interessantesten Wertpapiere weg. Künftig will die Notenbank deshalb auch Aktien kleinerer Unternehmen kaufen. Noch stärker verzerrt die BOJ den Markt für Staatsanleihen: Sie hält bereits ein Drittel aller ausstehenden Schulden der Regierung, bis Ende des Jahres werden es 40 Prozent sein. Macht sie so weiter wie bisher, würde der gesamte Markt in anderthalb Jahren austrocknen.

Welche Auswirkungen Kurodas Ankündigungen nun haben, darüber herrscht allerdings noch Rätselraten. Nur eines scheint klar: Die alten Tricks haben nicht funktioniert, nun versucht der BOJ-Chef einen neuen. Und nebenbei öffnet er sich eine Hintertür, um die Wertpapierkäufe endlich zu drosseln.

© SZ vom 22.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: