Frankreich:Macrons Achillesferse

Lesezeit: 3 min

Der französische Präsident spart zu wenig. Dadurch könnte er am Ende in Frankreich durch die Rücknahme von Steuersenkungen unpopulär werden und bei deutschen Stabilitätsfanatikern in Misskredit geraten. Das wäre ein Schaden für Europa.

Von Leo Klimm

Emmanuel Macron ist furios gestartet. Als europäischer Führungspolitiker, etwa wenn er das träge gewordene Deutschland mit ehrgeizigen Plänen zur Vertiefung der Euro-Zone konfrontiert. Und als Reformer in Frankreich, wo der junge Präsident in einem halben Jahr seit Amtsantritt mehr für die Modernisierung der Wirtschaft getan hat als seine drei Vorgänger zusammen. Dabei sollen zwei zentrale Projekte, die Lockerung des Arbeitsrechts und die Haushaltspolitik, nicht nur der heimischen Wirtschaft dienen. Ausdrücklich sollen sie auch die Glaubwürdigkeit Frankreichs gegenüber Deutschland wiederherstellen - damit die Deutschen, siehe oben, in eine Vertiefung der Euro-Zone einwilligen.

Der Präsident spart wenig. Das könnte sich rächen

Doch diese Verbindung von wirtschaftspolitischen Veränderungen und europapolitischen Forderungen ist heikel, hier verbirgt sich Macrons Achillesferse - die eine verwundbare Stelle seiner Politik, die den ganzen Reformkorpus gefährdet. Geht es um Arbeits- und Sozialpolitik, weiß der Präsident genau, dass er jetzt, zu Beginn der Amtszeit, noch viel mehr tun muss, will er am Ende als Bezwinger der hohen Erwerbslosigkeit in Frankreich gelten. 2018 folgt daher eine überfällige, aber nicht einseitig auf Einschnitte ausgerichtete Reform der Arbeitslosenversicherung. Auch Aus-und Weiterbildung werden zu Recht umgekrempelt. Ein Land mit einer Erwerbslosenquote von 9,4 Prozent, dem zugleich Hunderttausende Fachkräfte fehlen, hat vor allem ein Qualifikationsproblem. Da macht Macron alles richtig.

Sein Haushaltskurs jedoch birgt enorme politische Gefahr. Sowohl innenpolitisch, da Macron mit Steuersenkungen darauf abzielt, in Frankreich populär zu bleiben. Als auch mit Blick auf das Ziel, den EU-Partnern zu gefallen. Denn dieser starke Präsident hat eine sehr französische Schwäche: Er spart nicht so gern.

Über das EU-Stabilitätsdogma eines Staatsdefizits von maximal drei Prozent der Wirtschaftsleistung lässt sich trefflich streiten. Macron selbst war auch nie ein Anhänger besonderer haushalterischer Strenge. Aus taktischen Überlegungen hat er sich aber entschieden, sich den Erwartungen deutscher Spar-Fetischisten zunächst zu beugen. Mit unpopulären Einschnitten glich er 2017 das ererbte Etatdefizit aus und drückte so Frankreichs Haushaltslücke erstmals seit zehn Jahren knapp unter die Drei-Prozent-Marke.

Anders als bei der Arbeitsmarktpolitik ist er allerdings der Meinung, dass er damit genug geleistet hat. Nun sei es an Deutschland, sich auf ihn zuzubewegen. Doch der Glaubwürdigkeitsgewinn, den Macron da für sich reklamiert, dürfte nicht lang vorhalten: Wenn es jetzt in Berlin in den Sondierungen zu einer neuen Bundesregierung um Europa geht, brauchen missgünstige Verhandler aus CDU und CSU nur auf die weitere französische Haushaltsplanung zu blicken, sollten sie Argumente suchen, etwa gegen Macrons Idee eines Euro-Zonen-Haushalts.

2018 streicht Macron nur 1600 Stellen in Frankreichs üppig besetztem, aber im internationalen Maßstab eher ineffizienten Staatsdienst. Zweifel sind erlaubt, wie er bis 2022 die angekündigten 120 000 Stellen schaffen will. Der Anteil der Staatsausgaben an der Wirtschaftsleistung soll nur langsam sinken - vor allem dank Wachstum, nicht durch Sparen. Bei der Neuverschuldung plant Macron in den nächsten Jahren weiter scharf an den drei Prozent entlangzusurfen; 2019 soll das Defizit sogar dem Grenzwert entsprechen.

Da darf nichts schiefgehen. Da darf keine Finanz- oder Konjunkturkrise heraufziehen. Da dürfen auch die Zinsen nicht ruckartig steigen. Schon diese Interessenlage lässt einen harten Kampf zwischen Deutschland und Frankreich erahnen, wenn in nicht allzu langer Zeit die Nachfolge Mario Draghis geregelt werden muss, des Chefs der Europäischen Zentralbank.

Macron liebt das Risiko. Er zählt auf das Glück des Tüchtigen, das er im Leben bisher oft hatte. Hängt aber so viel von äußeren Faktoren ab wie in der französischen und europäischen Wirtschaftspolitik, verlässt einen das Glück schnell. Dann könnte Macron gezwungen sein, Steuersenkungen rückgängig und sich selbst unbeliebt zu machen - weil er Abgabensenkungen nicht ausreichend durch Ausgabenkürzungen gegenfinanziert hat. Um seine Glaubwürdigkeit bei deutschen Spar-Fetischisten wäre es erst recht geschehen. Er hätte am Ende gegenüber den Wählern und dem Partner Deutschland mehr verloren als gewonnen.

Und das wäre ein Unglück. Denn Macron ist als Erneuerer Frankreichs - und Europas - zu wertvoll. Etwas mehr Vorsorge, etwas mehr Sparen könnten ihn vor diesem schlimmen Szenario bewahren.

© SZ vom 09.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: