Frankreich:Der Staat zahlt

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Die französische Regierung entlastet die Staatsbahn SNCF von einem Großteil ihrer Schulden - nämlich um 35 Milliarden Euro. Das soll Spielraum für Investitionen geben. Die Gewerkschaften sind dennoch unzufrieden - die Streiks werden fortgesetzt.

Von Leo Klimm, Paris

Mit der Übernahme eines Großteils der Konzernschulden will Frankreich seiner Bahn SNCF einen Neustart ermöglichen. Von den 55 Milliarden Euro an Verbindlichkeiten, die auf dem öffentlichen Unternehmen lasten, werde der Staat 35 Milliarden Euro auf seine Rechnung nehmen, kündigte Premierminister Édouard Philippe an. Die erste Tranche von 25 Milliarden Euro solle 2020 an den Staat übergehen, die zweite 2022. "Diese Schuldenübernahme ist eine nie dagewesene Selbstverpflichtung der Nation und des Steuerzahlers gegenüber SNCF", so Philippe. Er versprach auch eine Erhöhung der Investitionen in den Konzern.

Frankreichs Regierung beruft sich bei dem Schuldenschnitt auf das Vorbild der deutschen Bahnreform in den Neunzigerjahren. Das Staatsunternehmen SNCF, das bei Kunden wegen häufiger Pannen in Verruf geraten ist, soll neu gewonnene finanzielle Spielräume nutzen, um sich auf die geplante Öffnung des Schienennetzes für Wettbewerber einzustellen und um mehr Verkehr anzubieten. Ein erheblicher Teil der SNCF-Schulden geht auf den jahrzehntelang vom Staat forcierten Ausbau des Hochgeschwindigkeitsnetzes zurück.

Die angekündigte Entschuldung ist das wichtigste Zugeständnis der Regierung im Kontext der französischen Bahnreform, die massiven Widerstand bei den Gewerkschaften hervorruft. Das in erster Lesung schon verabschiedete Vorhaben sieht neben der langsamen Liberalisierung des Netzes die Umwandlung von SNCF in eine Kapitalgesellschaft vor, die einer Schuldenbremse unterliegt. Schließlich soll der beamtenähnliche Bahner-Status, der den SNCF-Mitarbeitern eine Vorzugsrente und andere Vorteile garantiert, bei Neueinstellungen nicht mehr gelten.

Die Schuldenübernahme wird sich nach 2020 auf Frankreichs Defizit auswirken. Die Summe von 35 Milliarden stellt 1,6 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) des Landes dar - weshalb es sich den Schritt mit Blick auf die europäische Drei-Prozent-Defizitgrenze nur leisten kann, falls die Neuverschuldung sinkt. 2017 lag das Staatsdefizit bei 2,6 Prozent des BIP.

Die meisten Gewerkschaften zeigten sich unzufrieden mit Philippes Plan; die radikalsten unter ihnen fordern weiter die Aufgabe der Bahnreform und kündigten die Fortsetzung ihrer seit Ostern laufenden Streiks an.

© SZ vom 26.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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