Forum:Forschung anders fördern

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Eine mit der Lohnsteuer verrechenbare Steuergutschrift für Unternehmen würde den Standort Deutschland stärken. Die Innovationsagenda ist nicht der erste politische Vorstoß, eine konkrete Umsetzung blieb aber bislang aus.

Von Achim Wambach

Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten (F&E) von Unternehmen sind wesentliche Voraussetzungen für technologischen Fortschritt und anhaltendes Produktivitätswachstum. In vielen Ländern werden Firmen bei ihren Investitionen in Innovationen vom Staat gefördert. Dies ist immer dann besonders sinnvoll, wenn die Firmen durch ihre Forschungstätigkeit nicht nur die eigene Produktivität erhöhen, sondern dadurch zusätzlich positive Wirkungen auf weitere Betriebe und die Gesellschaft auftreten.

In Deutschland werden innovative Unternehmen durch direkte Projektförderung vom Staat unterstützt. Ein weiteres Instrument, das international zunehmend Verbreitung findet, bleibt in Deutschland hingegen bisher ungenutzt: steuerliche Anreize für F&E-Tätigkeiten. Die im April vorgestellte Innovationsagenda der Bundesregierung greift nun einen Vorschlag der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) auf, der dies ändern soll.

Prinzipiell ist die Förderung von F&E über die Steuerpolitik interessant, weil sie viele Nachteile der Förderung durch staatliche Zuschüsse vermeidet. Insbesondere ist die steuerliche Förderung marktorientiert. Es ist das Interesse der Unternehmen und damit in der Regel die erwartete Marktakzeptanz, das die jeweilige Forschungsagenda bestimmt, und nicht die Einschätzung der zuständigen Politiker. Ein Nachteil der Projektförderung ist auch die aufwendige Antragstellung, die insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen eine substanzielle Hürde darstellt. Es ist wenig überraschend, dass unter den forschenden Unternehmen in Deutschland die Wahrscheinlichkeit, staatliche Projektförderung zu erhalten, für Großunternehmen etwa 2,5-mal höher ist als für kleine und mittlere Unternehmen. Eine technologieoffene, steuerliche F&E-Förderung würde hingegen die Förderwahrscheinlichkeit auch kleinerer Unternehmen erhöhen.

Allerdings ist bei der konkreten Ausgestaltung von steuerlichen Forschungsanreizen Augenmaß geboten. Insbesondere die Begünstigung von Forschungserträgen durch sogenannte Patentboxen, wie sie in vielen europäischen Ländern eingesetzt wird, ist kritisch zu betrachten. Wesentliches Merkmal dieses Instruments ist die deutliche Reduktion der Steuerbelastung auf Erträge aus erfolgreicher Verwertung von geistigem Eigentum, zum Beispiel in Form von Lizenzerträgen auf Patente. Die Effektivität von Patentboxen im Hinblick auf die Forschungsaktivität von Unternehmen konnte in wissenschaftlichen Studien bislang allerdings kaum robust nachgewiesen werden. Vielmehr werden Patentboxen von multinationalen Konzernen vermehrt zur Steuerplanung genutzt: Patentrechte und die mit ihnen verbundenen Gewinne lassen sich leichter zwischen Ländern verschieben als andere Wirtschaftsgüter. Ein weiteres Problem von Patentboxen ist ihre Selektivität: Patentboxen unterstützen lediglich jene Branchen, in denen Innovationen auch zu Patenten führen. Gegenwärtig wird auch diskutiert, ob diese Selektivität zu einer Kollision mit den EU-rechtlichen Beihilfebestimmungen führt.

Die Innovationsagenda ist nicht der erste politische Vorstoß, eine konkrete Umsetzung blieb aus

Die inputorientierte steuerliche Förderung von Forschungsaufwendungen ist auch ökonomisch sinnvoller. Dabei werden die F&E-Aufwendungen eines Unternehmens entweder bei der Berechnung des zu besteuernden Gewinns über den tatsächlich anfallenden Betrag hinaus berücksichtigt oder die fällige Steuerzahlung wird direkt um einen bestimmten Anteil der F&E-Aufwendungen durch eine Steuergutschrift verringert. Dadurch werden die F&E-Kosten reduziert, was Anreize für zusätzliche Forschungsinvestitionen setzt. Zahlreiche Studien belegen einen positiven Effekt dieser F&E-Vergünstigungen. Als steuerpolitisches Instrument ist diese F&E-Förderung nicht nur sinnvoll, sondern auch sehr effektiv: So zeigt eine Studie des ZEW im Auftrag der EFI, dass für jeden Euro, den der Staat für die steuerliche Förderung für Forschung und Entwicklung aufwendet, eine Steigerung der Ausgaben für Forschung und Entwicklung der Unternehmen von mehr als einem Euro erzielt werden kann.

Hilfreich für eine effektive Förderung ist eine unmittelbare Liquiditätswirkung, die die Unternehmen direkt entlastet. Viele Ökonomen befürworten daher den Vorschlag, die Einführung einer Steuergutschrift mit einer Steuererstattung zu kombinieren, die dann zum Einsatz kommt, wenn die Steuergutschrift die Steuerschuld übersteigt. So kann die Förderung unabhängig von der Ertragslage des Unternehmens sofort wirken.

Der Vorschlag der Innovationsagenda sieht eine mit der Lohnsteuer verrechenbare Steuergutschrift in Höhe von zehn Prozent der Personalausgaben für Forschung und Entwicklung vor. Diese Maßnahme war auch in einer Studie des ZEW im Auftrag der EFI empfohlen worden, die zahlreiche Ausgestaltungsmöglichkeiten von steuerlicher Forschungsförderung genauer untersucht hat.

Die Vorteile einer Steuergutschrift sind leicht ersichtlich. Der sofortige Liquiditätseffekt kommt forschenden Firmen direkt zugute und würde insbesondere Unternehmen mit geringen finanziellen Mitteln helfen. Weil die Reform an der Lohnsteuer ansetzen würde, wäre sie zudem administrativ leichter durchführbar als andere Optionen der steuerlichen Förderung. Die nötigen Informationen liegen in der Regel bereits bei den Finanzämtern vor und sind leicht überprüfbar. Die Beschränkung der Förderung auf Unternehmen mit weniger als 1000 Mitarbeitern, wie es die Innovationsagenda vorsieht, könnte mit der besonderen Effektivität dieses Instruments für kleinere Unternehmen begründet werden. Um organisatorische Reaktionen auf diese Beschränkung durch Mitarbeiterzahl zu vermeiden, könnte alternativ eine finanzielle Obergrenze der Steuergutschrift pro Unternehmen umgesetzt werden.

Die Innovationsagenda aus dem SPD-geführten Wirtschaftsministerium ist nicht der erste politische Vorstoß für eine steuerliche F&E-Förderung in Deutschland. Bereits 2009 war sie Bestandteil des Koalitionsvertrags zwischen CDU/CSU und FDP, und im März 2016 hat die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen einen Gesetzentwurf für eine F&E-Steuergutschrift für kleine und mittlere Unternehmen eingebracht. Obwohl die Schaffung steuerlicher Anreize für Innovationstätigkeit von Firmen also scheinbar über die Parteigrenzen hinweg breite Unterstützung genießt, blieb die konkrete Umsetzung bisher aus.

Es bleibt abzuwarten, ob sich das mit dem aktuellen Vorschlag ändert. Als eines von wenigen OECD-Ländern ohne steuerliche Innovationsanreize hat Deutschland Nachholbedarf.

© SZ vom 12.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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