Forum:Cool bleiben

Lesezeit: 3 min

Die USA würden sich mit Donald Trumps geplanter "America First"-Steuerpolitik selber schaden. Die Kritik daran ist deshalb übereilt. Von Wolfram F. Richter.

Von Wolfram F. Richter

America first" beherrschte nicht nur Donald Trumps Wahlkampf, sondern auch seine Antrittsrede als Präsident. Seitdem rätseln die Fachleute, was diese Botschaft für die Steuerpolitik bedeutet. Vermutet wird, dass an die Einführung einer "Destination-Based Cash Flow Tax" (DBCFT) gedacht ist. Wörtlich lässt sich das mit bestimmungslandorientierter Zahlungsüberschussbesteuerung übersetzen. Gemeint ist ein Reformpaket, das sich aus zwei Teilen zusammensetzt. Zum einen wird eine Steuer eingeführt, die den Konsum in Amerika nach Art der Mehrwertsteuer verteuert. Zum anderen wird Arbeit in Amerika verbilligt, indem die Sozialabgaben reduziert werden. Zwar wird die Reform politisch anders vermarktet, aber die ökonomischen Wirkungen lassen sich zutreffend beschreiben, wenn man sie so einordnet.

Für Politiker hat die Reform den Charme, dass die Verringerung der Lohnkosten einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Handelspartnern verspricht. Zwar belastet die Verringerung das staatliche Budget, aber die Einführung der Mehrwertsteuer sorgt für die nötigen Einnahmen. Gleichzeitig verteuert sich der private Inlandsverbrauch. Im Ergebnis sollten die Exporte zulegen und die Importe zurückgehen. Die notorisch defizitäre Leistungsbilanz der USA sollte sich erholen.

Deutsche Kommentatoren haben in ersten Reaktionen mit Entsetzen reagiert. Sie deuteten die Reformpläne als Angriff auf die deutsche Exportwirtschaft. Richtig ist, dass deutsche Autos für die amerikanischen Käufer teurer werden. Anders als die US-Produzenten profitieren die Deutschen auch nicht von den reduzierten Sozialabgaben, jedenfalls solange sie aus dem Ausland liefern. Die Frage ist nur, ob diese ungleiche Behandlung Protektionismus darstellt und deutsche Protestnoten rechtfertigt. Es gibt mindestens drei Einwände.

Erstens gibt es einen wichtigen Unterschied zu Protektionismus im klassischen Sinne. Die Erhebung eines Einfuhrzolls, die als protektionistische Politik par excellence gilt, soll immer die Wettbewerbsfähigkeit desjenigen heimischen Sektors stärken, der mit Importen konkurriert. Schaden nimmt typischerweise die Wettbewerbsfähigkeit des Exportsektors. Die DBCFT ist dagegen keine sektorspezifische Politik. Die Wettbewerbsfähigkeit Amerikas sollte insgesamt profitieren - jedenfalls kurzfristig.

Der Preis für die kurzfristigen Wettbewerbsvorteile ist eine Aufwertung des Dollar

Damit ist schon der zweite Einwand angedeutet. Leistungsbilanzüberschüsse und -defizite sind grundsätzlich transitorische Phänomene. Kein Land wird auf Dauer mehr Leistungen für die Welt erbringen wollen, als es wertmäßig von dort bezieht, und ebenso wird kein Land auf Dauer mehr Leistungen von der Welt erwarten können, als es für sie wertmäßig erbringt. Steuerpolitisch herbeigeführte Wettbewerbsvorteile können von daher allenfalls ein Strohfeuer entfachen. Bei festen Wechselkursen, wie sie den Euro-Raum kennzeichnen, mag dieses etwas länger währen. Der Preis ist die Abkühlung danach. Bei flexiblen Wechselkursen ist mit Anpassungen zu rechnen, die den Wettbewerbsvorteil schnell aufzehren. Konkret ist mit einer kompensierenden Aufwertung des Dollars zu rechnen.

Ob die Einführung der DBCFT die Position der USA gegenüber dem Ausland verbessert, kann man von daher tunlichst bezweifeln. Man muss ja sehen, dass alle in Dollar gehaltenen Forderungen als Folge der zu erwartenden Aufwertung im Wert zulegen. Die aufgelaufenen Verpflichtungen gegenüber dem Ausland belasten die USA nach Aufwertung also stärker als zuvor. Darin zeigt sich die Kehrseite der Rolle, die der Dollar als internationale Leitwährung einnimmt.

Der dritte Einwand soll daran erinnern, dass die USA nichts anderes planen, als was Deutschland vor zehn Jahren vorexerziert hat. Zwar musste damals die Mehrwertsteuer nicht erst eingeführt werden, der Mehrwertsteuersatz wurde aber 2007 von 16 auf 19 Prozent angehoben, und der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung wurde im Gegenzug von 6,5 auf 4,2 Prozent abgesenkt. Man könnte also mit gutem Grund behaupten, dass die USA mit der Einführung der ominösen DBCFT nur der deutschen Steuerpolitik nacheifern.

Während die Reform noch als sachgerechtes Mittel gegen das amerikanische Leistungsbilanzdefizit erscheinen mag, lässt sich Vergleichbares im deutschen Fall kaum behaupten. Jedenfalls wäre bei den wachsenden deutschen Leistungsbilanzüberschüssen aus heutiger Sicht eigentlich eine Rückabwicklung der Reform von 2007 angezeigt. Damit würde insbesondere den Partnerländern im Euro-Raum jener Wettbewerbsvorteil verschafft, den diese dringend benötigen.

Dessen ungeachtet wird die DBCFT in Amerika steuerliche Wirkungen entfalten. Der Kreis der real Belasteten ist indessen relativ überschaubar. Der Faktor Arbeit trägt die Steuer nicht, da seine Entlohnung mit der gleichen Rate steigen soll, wie sich die Ausgaben als Folge der Konsumbesteuerung erhöhen. Von daher müssen letztlich die Eigner von Kapital die Steuer tragen. Sie müssen steigende Ausgaben im Konsum hinnehmen, ohne in den Genuss reduzierter Sozialabgaben zu kommen.

Zur (Netto-) Einnahmenerzielung ist die DBCFT aber eher ungeeignet. Das macht man sich am besten an deutschen Verhältnissen klar. Nach einer Daumenregel erbringt die Anhebung der Mehrwertsteuer um einen Prozentpunkt elf Milliarden Euro, während die Absenkung der Sozialabgaben um einen Prozentpunkt zehn Milliarden Euro kostet. Pro Prozentpunkt ergibt das einen Überschuss von gerade mal einer Milliarde Euro. Man müsste schon die Mehrwertsteuer - wie in Deutschland 2007 geschehen - prozentual stärker anheben, als die Sozialabgaben reduziert werden, wenn das Reformpaket einen nennenswerten Überschuss erbringen sollte.

Deutschland sollte zunächst in Ruhe abwarten, ob die USA die DBCFT tatsächlich einführen. Es gibt viele offene Fragen. Unangemessen erscheint es aber in jedem Fall, die Einführung mit einer Abkehr von den Regeln des internationalen Handels gleichzusetzen. Das Tun der Trump-Administration wäre freilich dann anders zu bewerten, wenn die USA die Einführung der DBCFT, so wie es auch schon verlautbart wurde, mit einer Abschaffung der Kapitaleinkommensbesteuerung verbänden. Dann würden die USA die Rolle einer gigantischen Steueroase übernehmen, und das Ausland sähe sich gezwungen, die eigene Kapitaleinkommensbesteuerung infrage zu stellen. Ob indessen die (Netto-) Einnahmen einer DBCFT reichen, den Ausfall der Kapitaleinkommenssteuer zu ersetzen, ist noch mit einem Fragezeichen zu versehen.

© SZ vom 27.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: