Forschung:Das Gift der Unsicherheit

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Ein Indikator misst die Risiken für die deutsche Wirtschaft. Es zeigt sich: Helmut Kohl und die Finanzkrise waren schlimm, Trump ist es nicht.

Von Catherine Hoffmann, München

Bei der zweiten gesamtdeutschen Bundestagswahl im Jahr 1994 hat sich die schwarz-gelbe Regierungskoalition nur knapp behaupten können. CDU/CSU erzielten ihr schlechtestes Ergebnis seit 1949, auch die FDP verlor Stimmen. Doch Helmut Kohl blieb Bundeskanzler. Für Ökonomen, die damals vorhersagen wollten, wie sich die Konjunktur in Deutschland entwickeln wird, war das eine harte Zeit. Nichts ist schlimmer für Prognostiker als Unsicherheit. Und größer als damals waren die Unwägbarkeiten seither nur einmal noch - als nach dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers das globale Finanzsystem in seinen Grundfesten erschüttert wurde.

Der Brexit und Trumps protektionistisches Poltern dagegen bieten bislang kein Anlass zu großer Verunsicherung. Das zumindest ist die Aussage eines neuen Wirtschaftsindikators, den Christian Grimme und Kollegen für das Münchner Ifo-Institut entwickelt haben (Grafik oben). "Uns geht es darum, gegen Stimmungsmache anzutreten und mit ruhiger Hand wirtschaftliche Unsicherheit zu messen", sagt Grimme. Derzeit gebe es keinen Grund, sich um die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland zu sorgen. Ein wenig unheimlich findet Grimme den Optimismus zwar schon. Aber solange Strafzölle und Handelsbarrieren nicht in neuen US-Gesetzen festgeschrieben seien, zeigten sich Wirtschaft und Prognosen eben robust.

Die Idee hinter dem Indikator: Wenn Ökonomen erwarten, dass sie größere Fehler in ihren Prognosen machen, wenn es also schwieriger wird, die Zukunft der deutschen Wirtschaft korrekt vorherzusagen, dann wächst die Unsicherheit. Um sie messbar zu machen, erfassen die Ifo-Ökonomen eine Vielzahl von Daten aus der Realwirtschaft wie Produktion, Beschäftigung, Löhne, Konsum, Export, Import, aber auch nominale Größen wie die Geldmenge, Preise, Wechselkurse, Zinsen für Anleihen und Kredite. Dann ermitteln sie, wie stark der Prognosefehler für diese Daten im Lauf der Zeit schwankt. So bekommen sie einen Indikator, der zeigt, ob die wirtschaftliche Lage unsicherer wird oder nicht.

© SZ vom 04.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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