Folgen einer Übernahme:Bei den Bauern geht die Angst um

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Schon jetzt steigen die Preise, fallen die Einnahmen: Landwirte in den USA fürchten, dass ein fusionierter Agrarkonzern ihre Existenz bedroht.

Von Kathrin Werner, New York

Chris Porter war schon einmal bei Monsanto zu Gast. Von seiner Farm in Missouri, wo das Land weit und flach ist und der Blick bis zum Horizont über seine Felder schweifen kann, ist er in die Großstadt gefahren, nach St. Louis und zum Hauptsitz des Agrarkonzerns - vom Acker ins Labor. Porter hatte die Sojabohnen dabei, die er im Auftrag von Monsanto gezüchtet hat, er hat sie den Analysten und Gentechnikern präsentiert. Porter weiß jetzt, wie Monsanto tickt. "Die kennen sich sehr gut aus mit Technik und Forschung", sagt er. "Aber von der Praxis haben sie keine Ahnung." Sie wissen nicht, wie es ist, morgens um sieben auf dem Feld zu stehen und erst um 21 Uhr nach Hause zu kommen, wenn die Kinder schon schlafen. Wie es ist, sich um Sonne, Regen und Wind zu sorgen. Und darum, ob er sich im nächsten Jahr noch Saatgut leisten kann, wenn er nicht mehr Geld für seinen Mais bekommt. Sie verstehen nicht, warum sich Bauern wie Porter davor fürchten, dass die Konzerne immer größer und immer mächtiger werden.

Porter hat die Farm von seinem Vater übernommen, und der von dessen Vater. Eigentlich soll der kleine Sohn des 41-Jährigen einmal die 1500 Hektar übernehmen. Aber die Preise sind im Keller und die großen Saatgut- und Pflanzenschutz-Konzerne geben längst nicht genug Preisnachlass, damit sich das Geschäft richtig lohnt, sagt Porter. "Ich habe Angst, dass es für Familienbetriebe bald zu Ende geht." Die Angst ist noch gewachsen, seit Porter vom Zusammenschluss von Bayer und Monsanto hörte. Die Deutschen kaufen den amerikanischen Agrarkonzern für 66 Milliarden Dollar, es ist die größte Übernahme in der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Porter fürchtet die Marktmacht des neuen Monsanto-Bayer-Konzerns. "Seit Jahren schon gehen die Saatgutpreise immer nur hoch, hoch, hoch. Ohne Wettbewerb wird das noch schlimmer", sagt er. "Ich sage das schon seit Monaten, aber auf Leute wie mich hört ja keiner."

Das wiederum steht noch nicht fest. Denn Porter ist nicht allein mit seinen Sorgen. Der amerikanische Bauernverband Farmers Union zum Beispiel hat diese Woche 275 Mitglieder nach Washington geflogen, gemeinsam haben sie den Kongressabgeordneten und dem Landwirtschaftsminister ihre Sorgen erklärt. Die Politiker sollen verhindern, dass aus Bayer und Monsanto ein Konzern wird. Schon am kommenden Dienstag will der Rechtsausschuss im US-Senat eine Anhörung zu Fusionen in der Agrarindustrie abhalten. Auch die EU-Kommission hat bereits angekündigt, die Übernahme genau zu prüfen. Bayer und Monsanto müssen in 30 verschiedenen Rechtssystemen die Kartellbehörden überzeugen, dass ihr Zusammenschluss nicht dem Wettbewerb schadet, neben den USA und der EU auch in Kanada und Brasilien. Das dauert bis mindestens Ende 2017. Ausgang: ungewiss. Die Analysten der Investmentfirma Sanford C. Bernstein geben dem Deal nur 50 Prozent Erfolgschance. Das liegt daran, dass die Behörden neben Bayer/Monsanto zwei weitere Milliardendeals beschäftigen: Chem China kauft den Schweizer Pestizid- und Saatguthersteller Syngenta, und Ende 2015 verkündeten die US-Konzerne Dow Chemical und Dupont ihre Fusion.

Die Farmers Union fürchtet, dass so Monopole bei den Zulieferern der Bauern entstehen. "Wir machen uns Sorgen, dass von diesen Megadeals nur die Konzernmanager profitieren, auf Kosten von Familienfarmern, Ranchern, Verbrauchern und den ländlichen Gemeinden", sagt Verbandspräsident Roger Johnson. Laut Wall Street Journal würden die drei Fusionen dazu führen, dass 83 Prozent des gesamten Mais-Saatguts der USA und 70 Prozent der weltweiten Pestizide von nur noch drei Unternehmen stammen. Hinzu kommt: Nicht alle Konzerne sind in allen Regionen tätig.

Die beiden Unternehmen könnten die gesamte Produktionskette kontrollieren

Von drei Anbietern bleiben deshalb in der Praxis mancherorts nur zwei oder gar nur einer übrig. In den vergangenen Jahrzehnten sind die großen Agrarkonzerne bereits noch größer geworden, weil sie kleinere Rivalen geschluckt haben. Bei Saatgut und anderer Biotechnologie hatten die vier größten Firmen 2009 einen Marktanteil von 54 Prozent, 1994 waren es nur 21 Prozent. Neueinsteiger in den Markt gibt es kaum, sie können mit den milliardenschweren Forschungsbudgets der Großindustrie einfach nicht mithalten. Marktbeobachter wie das American Antitrust Institute prognostizieren aber, dass die Innovationskraft nachlässt, wenn immer weniger Konzerne um bessere Produkte konkurrieren. Es könnte sein, dass sich Monsanto und Bayer von Unternehmensteilen trennen müssten, um die Kartellwächter zu besänftigen. Das Problem sind besonders Produkte, in denen beide Konzerne stark sind, zum Beispiel bei Saatgut für Gemüse, Raps und Baumwolle. Zusammen kämen Bayer und Monsanto auf rund 70 Prozent Marktanteil bei Baumwolle. Noch deutlicher wird die Marktmacht, wenn man die Pflanzenschutzmittel einbezieht: Hier ist Bayer besonders stark, während Monsanto beim Saatgut dominiert. Es entstünde ein neuer Agrarriese, der die gesamte Produktionskette dominiert.

Wohl unabsichtlich hat Bayer-Chef Werner Baumann das schon eingeräumt: Er verspricht den Bauern für den Fall einer Monsanto-Übernahme ein "Angebot aus einer Hand", vom Saatgut bis zum passenden Unkrautvernichter. Was Baumann so bewarb, macht Bauern wie Porter Angst. Porter pflanzt seit Jahren seine Sojabohnen zum Teil für Monsanto an, er ist einer der Züchter und hofft, dass das auch so bleibt. Aber er sorgt sich, dass in Zukunft alles teurer, aber nicht besser wird. Die Familienfarm ist über die Jahrzehnte gewachsen, "und unsere Arbeit ist so viel schneller geworden", sagt er. An einem guten Tag sät er gut 80 Hektar Sojabohnen aus. Sein Vater hätte vielleicht die Hälfte geschafft. Und Porter kann die robuste Saat auch ausbringen, wenn das Wetter nicht perfekt ist.

"Ich hatte immer das Gefühl, dass ich vorne dabei war, wenn es um die Zukunft der Ernährung ging", sagt er. "Jetzt denke ich manchmal, es geht nur ums Geld."

© SZ vom 16.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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