Flughafen Berlin-Brandenburg:Kraftpaket trifft Stillstand

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Hartmut Mehdorn: neuer Chef des Berliner Pannen-Flughafens. (Foto: dpa)

Energie habe er und das Zeug, Kollegen zu Höchstleistungen anzustacheln. Die Erwartungen an den neuen Flughafen-Baumeister Mehdorn sind enorm. Leicht wird es aber nicht für den Neuen, gegen den Frust auf der Großbaustelle anzukommen. Denn dort ist die Motivation auf dem Nullpunkt.

Von Michael Bauchmüller und Constanze von Bullion, Berlin

Der Neue war noch kaum im Amt, da ließ er schon das erste Bömbchen platzen. Der Geschäftsführer der Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg, Hartmut Mehdorn, kann sich vorstellen, auch nach der Eröffnung des neuen Hauptstadtflughafens BER den alten Flughafen Tegel offen zu halten. Das sagte er am Montag, nur wenige Stunden nach Dienstbeginn, im Brandenburger Landtag. Mehdorn war dort mit Aufsichtsratschef Matthias Platzeck (SPD) geladen, um Auskunft über Dinge zu geben, die er bislang fast nur aus der Zeitung kennen kann: die Mängel auf der Baustelle des Hauptstadtflughafens - und wie sie zu beheben sind. "Die ganze Welt sagt: Es geht gar nicht", erklärte Mehdorn. "Ich sage: Es müsste gehen, aber ich weiß auch noch nicht wie."

Ganz neben eröffnete er dann die nächste Baustelle. Mehdorn, der als Bahnchef für den Erhalt des innerstädtischen Flughafens Tempelhof gekämpft hat, überlegt nun Tegel zu erhalten. "Muss man Tegel wirklich schließen, oder kann man nicht die Last ein bisschen gleich auf die Stadt verteilen?", fragte er in Potsdam. "Charterflüge in Tegel - was wäre so schlimm daran?" Aufsichtsratschef Platzeck, der kürzlich selbst für Streit gesorgt hat mit Plänen zum Nachtflugverbot, bemühte sich, den Geist wieder in die Flasche zu befördern. "Das sehen wir Herrn Mehdorn, der jetzt genau sieben Stunden im Amt ist, nach, dass er das noch nicht ganz übersehen kann", sagte Platzeck. Es ist festgelegt, dass mit der Eröffnung des neuen alle alten Flughäfen geschlossen werden.

Die nächste Debatte ist nun eröffnet, dabei hat Mehdorn schon genug Baustellen. 40.000 Baumängel soll es am BER geben. Eine Zahl, die allerdings ist mit Vorsicht zu genießen ist. Die umfangreiche Bestandsaufnahme von Baumängeln, die Technikchef Horst Amann ankündigt hat, hat noch gar nicht begonnen. Es weiß auch keiner, ob nun jeder kleine Kratzer gezählt werden muss, bevor die Fertigstellung beginnt. Manchmal würde ein Fehler auch drei Firmen zur Behebung angetragen - und dreimal gezählt, sagt ein Ingenieur. "Wenn das durchgezogen wird, dann gibt es noch ein weiteres halbes Jahr Stillstand."

Das Warten zerrt an den Nerven der Mitarbeiter, die hoffen, dass mit Mehdorn nun der Ruck kommt, den der Technikchef Amann bisher schuldig blieb. "Wenn der neue Geschäftsführer da nicht ganz massiv Zeichen setzt, sehe ich auch 2014 keine Eröffnung", sagt ein Insider. "Die Motivation ist auf dem absoluten Nullpunkt", sagt ein anderer. Immerhin, er könne sich gut vorstellen, dass Mehdorn, der nach außen gern beiße, aber Kollegen zu Höchstleistungen anstacheln könne, Bewegung in das Projekt bringe. "Das Zeug dazu hat er."

Technisches Kernproblem bleibt die Entrauchungsanlage

Leicht aber wird es nicht für den Neuen, gegen den Frust anzukommen. Leitende Mitarbeiter verlassen weiter das Projekt. Die Enttäuschung ist groß, über den Stillstand und über Amann, der kaum zu sehen sein soll auf der Baustelle - und neulich öffentlich erklärte, am BER brenne Tag und Nacht Licht, weil die Lichtanlage nicht steuerbar sei. Nicht einmal die Lichtschalter finden sie am BER, juxte Berlin. In Wahrheit, murrt einer vor Ort, wisse nur Amann nicht, wo der Schalter sei. Und dass er sich mal bei den richtigen Mitarbeitern hätte erkundigen können.

Technisch bleibt das Kernproblem die Entrauchungsanlage, der eine Matrix, ein Betriebssystem fehlt. Es kann erst fertig gestellt werden, wenn Rauchgastests im Terminal beendet sind. Dort versucht man, Brände zu simulieren und eine Luftschicht von mehreren Metern Höhe rauchfrei zu halten, damit Passagiere im Ernstfall entkommen können. Bislang entweicht der Rauch aber nicht, wohin er soll. Das liege an Fenstern und Brandschutztüren, die sich nicht richtig schließen, heißt es. Ungelöst sind auch weiter Probleme wie überbelegte Kabeltrassen in der Ankunftshalle. "Da läuft Null", sagt ein Ingenieur.

Erinnerungen werden wach an eine andere Berliner Großbaustelle - den Hauptbahnhof. Auch dort war Mehdorn Bauherr, fristgerecht zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 sollte er fertig werden. Als der Termin in Gefahr geriet, ließ Mehdorn kurzerhand die Pläne ändern. Das Bahnsteigdach wurde kürzer, im Innern verschwanden aufwendige Gewölbedecken. Er habe, beschied Mehdorn seinerzeit trocken, einen Bahnhof bestellt und keine Kathedrale. Jahrelang stritt er sich anschließend mit den Architekten, dem Hamburger Büro Gerkan, Marg und Partner (gmp). Nun trifft er sie wieder: Sie hatten auch den BER einst entworfen, liegen aber jetzt mit der Flughafengesellschaft im Clinch.

Ein Streit mit Mehdorn, das hat er hinreichend bewiesen, ist nicht angenehm. "Er ist wie Asterix mit Zaubertrank", sagt einer, der ihn noch aus seinen Zeiten bei Heidelberger Druck kennt. Energiegeladen, so hatte Mehdorn auch bei der Deutschen Bahn für den Börsengang gekämpft, bis er die Lehman-Pleite die Finanzmärkte kollabieren ließ. Kurz darauf kostete ihn eine ausufernde Affäre um bespitzelte Mitarbeiter den Job als Bahnchef. Bei Air Berlin reiste er rastlos um die Welt, auf der Suche nach Investoren. Er fand welche in der Airline Etihad. Doch dann suchten die einen neuen Chef für Air Berlin. Als er dort im Januar abtrat, hatten viele Mehdorns Karriere für beendet erklärt. Sie irrten.

© SZ vom 12.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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