Europäische Zentralbank:Der billige Euro hilft Europa

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Der schwache Euro kann Europa helfen. Bild: An einer Wechselstube im polnischen Zgorzelec sind ein Euro- und ein Dollar-Zeichen befestigt. (Foto: dpa)

Der schwache Euro ist nicht unbedingt schlecht für Deutschland. Selbst die EZB fördert die Entwicklung. Gerade den kriselnden Euro-Ländern könnte der schwache Euro helfen. Für ein Ende der Krise ist aber mehr nötig.

Kommentar von Nikolaus Piper

So schwach war der Euro seit neun Jahren nicht mehr. Diese Woche rutschte der Kurs der Gemeinschaftswährung unter 1,18 Dollar. Erstaunlich ist weniger der niedrige Kurs selbst als vielmehr das Tempo der Abwertung: Noch im März musste man fast 1,40 Dollar für einen Euro zahlen. Die Erinnerung an die Euro-Krise ist noch zu frisch, um nicht Sorgen zu wecken: Geht es jetzt schon wieder los? Kommt jetzt die ganz große Krise?

So schlimm ist es zum Glück nicht. Im Gegenteil. Der Kursverfall ist zwar einerseits eine Warnung: Die Probleme des Euro sind noch lange nicht gelöst. Er trägt aber andererseits auch zur Lösung der Probleme bei. Ein billiger Euro wirkt wie ein gigantisches Konjunkturprogramm für Europas Exportindustrie. Was in Europa erzeugt wurde, kann jetzt außerhalb Europas billiger verkauft werden. Umgekehrt werden nicht-europäische Waren relativ teurer, was deren Wettbewerbsfähigkeit verringert und der Deflationsgefahr entgegenwirkt. Dies kommt allen Ländern zugute, besonders aber der Exportnation Deutschland. Dass die Ausfuhr hierzulande zuletzt enttäuschend war, ändert daran nichts.

Wechselkurs Konjunkturprogramm für Europa

In der Bilanz ist der billige Euro also eine gute Nachricht - wenn sie denn richtig gelesen wird. Zunächst einmal: So richtig billig ist die Währung ja gar nicht, in Kaufkraft gemessen jedenfalls. Überraschend ist eher, dass die Entwicklung nicht früher einsetzte. Bei 1,40 Dollar jedenfalls war der Euro krass überbewertet. Unmittelbar verantwortlich für den jüngsten Kursverfall ist Mario Draghi. Die Finanzmärkte erwarten, dass der Präsident der Europäischen Zentralbank in der kommenden Woche beginnen wird, massiv Wertpapiere zu kaufen und auf diese Weise Geld in das System zu pumpen. Dabei geht es gar nicht darum, die Zinsen weiter zu senken, schließlich bringen selbst zehnjährige Bundesanleihen nur noch ein lächerliches halbes Prozent Rendite. Das ist zwar nicht "Enteignung", wie Kritiker der EZB behaupten, aber es zeigt, wie weit die internationale Wirtschaft vom Zustand der Normalität entfernt ist. Was Draghi bleibt, ist, den Euro gezielt zu schwächen. Das ist zwar nicht offizielle EZB-Politik; was sie tut, läuft aber genau darauf hinaus.

Zum Bild gehört auch die amerikanische Wirtschaft, die, bei allen Problemen, viel besser aus der Finanzkrise gekommen ist als die europäische. Dort wird die Notenbank Federal Reserve aller Voraussicht nach im Juni damit beginnen, die Zinsen zu erhöhen. Billiges Geld in Europa, etwas teureres Geld in Amerika - solche Aussichten bewegen Kurse. Ist das alles wünschenswert? Nein, das ist es nicht. Wenn es Sparzinsen praktisch nicht mehr gibt und die Notenbank die eigene Währung schwach machen muss, dann gibt es im Untergrund schwere Verwerfungen. Sollte Draghi trotzdem auf einen billigen Euro setzen, um Europa in den Aufschwung zu zwingen? Ja, das sollte er, denn das Risiko des Nichtstuns, vor allem die Gefahr einer Deflation, ist zu groß. Würden tatsächlich die Preise auf breiter Front sinken, könnte die Lage für hochverschuldete EU-Mitglieder leicht untragbar werden. Bei sinkenden Preisen steigt die Schuldenlast real immer mehr, trotz aller Sparmaßnahmen. Das kann eine Volkswirtschaft vollends zerstören.

Schwache Währungen können helfen, Probleme zu überwinden

Wird die EZB Erfolg haben? Das ist die große Frage. Es gibt wenige Beispiele in der Geschichte, in denen allein die Verbilligung der Währung ausgereicht hat, um eine Wirtschaft aus der Stagnation zu führen. Wirtschaft, Politik und Gesellschaft müssen den Willen zu Wachstum und Reform haben, sonst geht es nicht. Man sollte Schwankungen der Wechselkurse gewiss nicht überinterpretieren, eines jedoch ist richtig: Es sind schwache Volkswirtschaften, die schwache Währungen brauchen. Die schwache Währung kann dabei helfen, die Probleme zu überwinden, aber sie kann niemals das einzige Instrument sein. Für Europa stellt sich die Frage nach der eigenen Stärke auf sehr fundamentale Weise. Kommt die Euro-Zone irgendwann dahin, dass sie sich nicht mehr mit den eigenen Problemen befassen muss, sondern dass seine Volkswirtschaften aus eigener Kraft wachsen und sich auf die Zukunft ausrichten? Haben die europäischen Regierungen den Willen, noch relevant zu sein in der Welt?

Höchste Zeit ist es zum Beispiel, Europas Banken zu stärken, auch mit unbequemen Schritten. Viel zu spät hat die EZB Stresstests für die Banken angeordnet und verlangt von den schwächsten unter ihnen, dass sie mehr Eigenkapital bilden. Jetzt geht es darum, eine echte europäische und krisensichere Bankenunion zu schaffen.

Wenn Europa nicht wächst, ist alles Sparen nutzlos

Oder die Sache mit dem Sparen. Schuldenabbau ist wichtig, aber Solidität ist nicht alles. Die Kritik an den Deutschen, besonders aus den USA, wegen ihrer Sparpolitik ist oft überzogen, sie enthält aber auch einen richtigen Kern: Wenn es Europa nicht gelingt, wieder zu wachsen, dann ist alles Sparen nutzlos, dann wird die populistische Anti-Stimmung das Projekt Europa zerstören. Auch Berliner Gedankenspiele, wenn es sie denn wirklich gegeben hat, über den Austritt Griechenlands aus dem Euro sind schädlich. Niemand kann die Griechen zum Austritt zwingen, also sollte man gar nicht erst darüber reden und Erwartungen (oder Ängste) wecken. Europa muss das griechische Problem selbst lösen.

Der billige Euro schafft für eine begrenze Zeit ein freundlicheres Umfeld für unabweisbare Reformen, mehr nicht. Aber auch nicht weniger.

© SZ vom 10.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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