Europa:Kampf um die Etikette

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Warum sich Italien für eine "Made in"-Pflicht stark macht - und warum sich Länder wie Deutschland einer solchen Regelung widersetzen.

Von Ulrike Sauer, Rom

Seit zehn Jahren schlagen sich die Italiener in Brüssel für die Einführung einer Pflicht - das Schlagwort lautet: Made in . Für die heimische Industrie wäre ihre Durchsetzung einen WM-Titel wert, schrieb ein römisches Blatt. Und Italiens Gegner ist natürlich, wieder einmal: Deutschland. Zankapfel ist der Zwang, die Herkunft von Produkten auszuweisen, die in den EU-Ländern auf den Markt kommen. Das strittige Etikettierungsgebot Made in steht im Artikel 7 eines Entwurfs zur Bestimmung zur Produktsicherheit, die seit Jahren von der EU-Kommission blockiert wird. Grund soll die Aversion Berlins gegen diese Vorschrift sein.

Südlich der Alpen sieht man in dem Streit um die Verbraucherinformation ein Indiz dafür, dass der Interessenausgleich zwischen Norden und Süden in der Union unmöglich geworden ist. Der Groll der Italiener über eine EU wächst, in der Dossiers, denen die deutsche Zustimmung fehlt, in den Schubladen verschwinden. Im Fall der Herkunftsbezeichnung ist es Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, der dem Vorstoß den Riegel vorschiebt. Dabei schreiben Europas Hauptwettbewerber die Herkunftsausweisung wie selbstverständlich vor. Weder in den USA noch in China können europäische Hersteller Produkte ohne diese Information anbieten. Dem Mauern in Brüssel steht das Votum des EU-Parlaments gegenüber. Die Abgeordneten in Straßburg stimmten der Initiative 2014 mit überwältigender Mehrheit zu. Doch das Match entscheiden wie immer die Regierungen. Dem Elfer-Klub der "Freunde des Made-in" stehen neben Deutschland Länder wie Großbritannien, Holland und Schweden gegenüber. Sie leben entweder vom Handel oder wollen Produkte, die sie bei Billigerzeugern einkaufen oder fertigen lassen, weiterhin unter ihrem nationalen Label verkaufen.

Der Kennzeichnungs-Zwang würde kleine Hersteller aus Europa schützen

In Rom vermutet man, dass Berlin mit seiner unnachgiebigen Opposition einen Präzedenzfall verhindern will. Heute steht in Brüssel nur noch ein Kompromiss zur Debatte, der die betroffenen Branchen auf Schuhe, Fliesen, Textil, Möbel und Schmuck beschränkt. In Deutschland fürchte man, dass eines Tages auch eigene Spitzenprodukte wie Autos oder High-techgeräte unter die Vorschrift fallen könnten. Sie würden dann, wenn sie im Ausland gefertigt werden, die Aura des Made in Germany verlieren.

Ihre letzte Niederlage kassierten die Italiener im Mai 2015, als der erwartete Showdown in Brüssel erneut vertagt wurde. Regierungschef Matteo Renzi hatte sich zuvor direkt bei EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Bundeskanzlerin Angela Merkel ins Zeug gelegt. "Wenn wir dem Wachstum in Europa eine Chance geben wollen, ist das ,Made in' keine Option, sondern Pflicht", argumentierte er. Renzi beruft sich auf eine im EU-Auftrag durchgeführte Studie über die Wirkung der strittigen Regelung. Danach würde die Pflicht insbesondere das Wachstum der kleinen und mittleren Firmen in den Branchen Schuhe, Keramik und Textil fördern. Denn der Zwang schützt die kontinentalen Hersteller, weil Billigwaren aus Fernost nicht länger als europäische Produkte ausgegeben werden könnten. In Italien schätzt man, dass allein die Schuhproduktion dann um mindestens 20 Prozent steigen würde.

© SZ vom 21.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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