Erfolg der Royal-Mail-Aktie:Schön für Anleger, schlecht für die Regierung

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Die Royal Mail ist berühmt für ihre gusseisernen Briefkästen, wie hier in London. (Foto: Facundo Arrizabalaga/dpa)

Die Aktie der Royal Mail steigt und steigt. Die Begeisterung der Investoren erinnert an den New-Economy-Boom. Doch geht es nicht um einen hippen Technologiekonzern, sondern um ein früheres Staatsunternehmen. Das bringt die britische Regierung in Bedrängnis: Hat sie die Royal Mail zum Nachteil der Steuerzahler verramscht?

Von Björn Finke, London

Es war ein traumhafter Start: Als die britische Royal Mail Anfang Oktober den Gang aufs Parkett wagte, war die Aktie siebenfach überzeichnet, ihr Kurs stieg am ersten Handelstag um 38 Prozent, inzwischen, nach gut sieben Wochen, hat die Notierung um mehr als zwei Drittel zugelegt. Und als das Unternehmen kürzlich über eine Verdoppelung des Halbjahresgewinns berichtete, hoben Analysten das Kursziel weiter an.

Die Begeisterung der Investoren für die Papiere erinnert an den New-Economy-Boom. Doch geht es hier nicht um einen hippen Technologiekonzern, sondern um ein früheres Staatsunternehmen mit 164.000 Beschäftigten. Das macht die Sache nun auch kompliziert. Für die Initiatorin des Börsengangs, die britische Regierung, ist der Traum längst zum Albtraum geworden. Denn die Labour-Opposition und Gewerkschafter fragen: Wurde die Koalition aus Konservativen und Liberaldemokraten von den Banken schlecht beraten - zum Nachteil der Steuerzahler?

Mit Hilfe hoch bezahlter Investmentbanker von UBS und Goldman Sachs brachte die Regierung, die Labour gerne Wirtschaftskompetenz abspricht, 60 Prozent der Anteile an dem Nationalheiligtum an die Börse - zu einem Ausgabepreis von 330 Pence. Dadurch kassierte der schuldengeplagte Finanzminister zwei Milliarden Pfund. Heute kostet das Papier gut zwei Drittel mehr, und pikanterweise veröffentlichte ausgerechnet Goldman Sachs gerade eine Studie, derzufolge die Aktie sogar auf 610 Pence steigen könnte, ein Aufschlag von 85 Prozent. Hätte der Staat die Aktie zu 600 statt zu 330 Pence verkauft, hätte er 1,6 Milliarden Pfund mehr eingenommen. Hat die Regierung also den Konzern, der auf viele Briefmarken immer noch ein Portrait von Queen Elisabeth II. druckt, schnöde verramscht?

Der liberaldemokratische Wirtschaftsminister Vince Cable weist das zurück. Er nennt die erfreuliche Entwicklung des Aktienkurses "Schaum", was bemerkenswert ist, weil er so den Wert von Staatseigentum herunterredet: Die Regierung ist weiterhin mit 30 Prozent an dem größten Postdienstleister des Landes beteiligt, zehn Prozent erhielten beim Börsengang die Arbeitnehmer. Zu den wichtigsten Aktionären zählt auch der britische Hedge-Fund-Manager Chris Hohn, der sechs Prozent der Anteile kaufte. Hohn ist berüchtigt dafür, das Management von Firmen unter Druck zu setzen, mehr Wert für die Eigner zu schaffen. Bei der Deutschen Börse zettelte er einst eine Aktionärsrevolte gegen die geplante Fusion mit der Londoner Börse an.

Wirtschaftsminister Cable sagt, einen hohen Erlös herauszuholen sei nur eines von mehreren Zielen beim Festlegen des Preises gewesen. Wichtig sei auch gewesen, dass der Schritt aufs Parkett sicher gelinge und dass die Royal Mail langfristig orientierte Investoren anziehe. "Der Börsengang war eine sehr professionelle, gut gemanagte und erfolgreiche Operation", folgert er. Der Verkauf des Konzerns war die größte Privatisierung seit den 1990er Jahren, als die Regierung die Bahn losschlug. Weitere Verkäufe sind geplant.

Die Opposition gibt sich mit Cables Ausführungen nicht zufrieden. Sie bestellte Manager von Goldman Sachs und UBS ein und konfrontierte sie damit, dass im Sommer diverse Banken zu Bewertungen von bis 8,5 Milliarden Pfund für die Royal Mail kamen. Der Ausgabepreis im Oktober ergibt eine Bewertung von nur 3,3 Milliarden Pfund. Die Banker berufen sich darauf, dass das Börsenumfeld im Oktober schlechter als heute war und ein Streik der Postmitarbeiter zwei Wochen nach Börsengang drohte. Der wurde später abgewendet. Und Goldman Sachs weist darauf hin, dass die Analysten, die jetzt das Kursziel hochsetzten, nicht an der Vorbereitung des Börsengangs beteiligt waren: andere Abteilung, getrennt durch sogenannte Chinesische Mauern, um Interessenskonflikte und Mauscheleien zu verhindern.

Grund für die Begeisterung der Anleger für die Royal Mail dürfte weniger deren eigentliches Geschäft sein. Die Rendite des Konzerns ist niedriger als die internationaler Rivalen wie der Deutschen Post, die Anzahl der verschickten Briefe sinkt auch im Vereinigten Königreich. Zudem droht immer wieder Ärger mit der mächtigen Gewerkschaft. Doch das Unternehmen verspricht eine hohe Dividende. Und es besitzt auf der Insel 2000 Immobilien, teilweise große Verteilzentren in Innenstadtlagen, die nicht mehr gebraucht werden und nach einem lukrativen Verkauf wundervolle Luxuslofts ergeben würden. Wer Mail-Aktien kauft, kauft sich in den neuen Immobilienboom in dem Land ein. Ein Traum - für Spekulanten.

© SZ vom 03.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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