Energiepolitik:Renaissance der Atomkraft in Großbritannien

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Die Regierung in London will mit finanzieller Hilfe Pekings neue Atomreaktoren bauen - zum ersten Mal seit Fukushima. Ein Meiler chinesischer Bauart soll an der Nordseeküste entstehen.

Von Björn Finke, London

Die britische Regierung lässt in Südwest-England ein Atomkraftwerk bauen. Es ist das erste Mal seit der Katastrophe von Fukushima 2011, dass ein EU-Staat einen Atommeiler in Auftrag gibt. Das Kraftwerk namens Hinkley Point C soll 2025 ans Netz gehen, die Baukosten betragen 22 Milliarden Euro. In Großbritannien nahm seit 1995 kein neuer Reaktor mehr den Betrieb auf. Die neue Premierministerin Theresa May hatte das Vorhaben im Juli überraschend gestoppt, um es erneut zu prüfen. Nun gab es die Regierung frei. Weitere neue Reaktoren sollen folgen.

Hinkley Point C soll sieben Prozent des britischen Strombedarfs abdecken. Bauherr ist der französische Stromversorger EDF, wobei ein staatlicher chinesischer Atomkonzern, CGN, sich an dem Projekt beteiligt. Die Prüfung des Vorhabens hing mit Bedenken dagegen zusammen, Chinesen Einfluss auf die Energieversorgung des Landes zu gewähren. Die Regierung legte daher fest, dass EDF seinen Mehrheitsanteil an dem Kraftwerk nicht ohne die Erlaubnis Londons veräußern darf.

Die Verzögerung hatte in Frankreich und China zu Verärgerung geführt. Das war politisch heikel für die britische Regierung - schließlich hofft sie darauf, nach dem Brexit schnell Handelsabkommen mit aufstrebenden Staaten wie China abschließen zu können. EDF-Chef Jean-Bernard Lévy sagte, die Freigabe des Baus markiere "die Wiedergeburt der Kernenergie in Europa". EDF und sein chinesischer Partner wollen nach Hinkley Point C zwei weitere Atomkraftwerke in Großbritannien errichten. Eines der beiden soll in Bradwell an der Nordseeküste gebaut werden, nordöstlich von London. Bei diesem Meiler soll der chinesische Staatskonzern die Führung innehaben und sein Reaktordesign nutzen dürfen. Es wäre das erste Mal, dass ein chinesischer Reaktor in Westeuropa ans Netz ginge. Peking hofft, die Technik danach einfacher in andere Länder verkaufen zu können.

Die britische Regierung will in den kommenden Jahren noch mehr Kernkraftwerke bauen lassen. Atommeiler liefern derzeit ein Fünftel des Stroms im Königreich, doch die meisten Reaktoren gehen bis 2030 vom Netz. Zudem hat London zugesagt, bis 2025 alle Kohlekraftwerke abzuschalten, weil diese besonders viel des klimaschädlichen Kohlendioxids in die Atmosphäre blasen. Die Lücke sollen Atom- und Gaskraftwerke schließen. Anders als in Deutschland unterstützt die Mehrheit der Bevölkerung die Kernenergie.

Hinkley Point C ist allerdings wegen der großzügigen Garantien der Regierung umstritten. London sagt über 35 Jahre einen sehr hohen Abnahmepreis für den Strom zu. Die EU-Kommission genehmigte die Subvention, doch Stromversorger und die österreichische Regierung klagen dagegen beim Europäischen Gerichtshof. In dem Kraftwerk sollen zwei sogenannte Europäische Druckwasserreaktoren Strom erzeugen. Bisher werden Atommeiler mit diesem Reaktortyp an zwei Orten gebaut, in Frankreich und in Finnland. Beide Projekte sind aber verspätet, und die Kosten sind gestiegen.

© SZ vom 16.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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