Elektromobilität:Auf der Suche nach Anschluss

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Weit weg vom Optimum: Die Lade-Infrastruktur für Batterie-Autos hat in Deutschland noch Luft nach oben, bestätigen auch Fans der E-Mobilität. (Foto: Lino Mirgeler/dpa)

In Stuttgart tagt gerade die weltweit wichtigste Konferenz für alternative Auto-Antriebe. Doch zur "Hauptstadt der Elektromobilität" ist es noch ein weiter Weg.

Von Max Hägler und Stefan Mayr, Stuttgart

Wie stolz ist Winfried Kretschmann, der Ministerpräsident von Baden-Württemberg. In diesen Tagen, sagt er, sei Stuttgart, die Heimat der PS-getriebenen Unternehmen Daimler und Porsche, die "Welthauptstadt der Elektromobilität". Und ergänzt: "Mehr emissionsfreie Autos sind besser als weniger !" Es ist ein Wortspiel mit seinem berühmten Zitat aus dem Jahr 2011: "Weniger Autos sind besser als mehr Autos", hatte er damals kurz nach seinem Amtsantritt gesagt - und damit ein mittleres Erdbeben in der Automobil-Industrie ausgelöst, die stets den Takt in diesem Bundesland angibt.

Tatsächlich haben sich in dieser Woche die weltweit wichtigsten Entwickler und Firmen aus dem Bereich alternativer Antriebe in Schwaben versammelt. Bei einer Veranstaltung, die sonst selten in Deutschland gastiert, dem Electric Vehicle Symposium, kurz EVS, veranstaltet vom Weltverband der Elektromobilität.

Es ist so etwas wie die Autoshow IAA in Frankfurt - nur eben für Batterieautos und -Technik. Und deswegen auch um einiges kleiner. Denn noch ist Elektromobilität ein Nischenthema, hat sich weder bei den Autofirmen durchgesetzt, noch bei den Kunden. Und ausgerechnet auf einem der größten Messestände wird das deutlich. Daimler präsentiert einen Mercedes mit Brennstoffzelle. Richtig überzeugt sind sie von der wartungsintensiven Technik nicht, aber womöglich kommt doch noch der Durchbruch für diese Wasserstoff-Antriebe, also rüsten sie damit ein paar hundert SUVs aus. Ein Batterielaster ist zu ausgestellt und eine Car-Sharing-Software.

Zudem, ganz schön mutig: Verbrennungsmotoren. Große Aggregate hat Daimler hingestellt, schön geschliffene Kolben und Zylinder sind zu sehen. Ein feines Stück Maschinenbau, aber eines, das Diesel braucht und die Welle per Explosionen antreibt. Das ist die bisherige Welt, die alte, wenn man so will. Und als Motto haben sie daneben an die Wand geschrieben: "Verbrennungsmotoren - kraftvolle Antriebe mit Potenzial". Es ist diese Haltung, die nachvollziehbar ist, aber eben verhindert, dass Stuttgart zur E-Auto-Hauptstadt wird: Die Hersteller hier und überall im Land setzen immer noch vor allem auf ihre althergebrachten Antriebe, die in Fabriken gebaut werden, die Milliarden Euro gekostet haben. Es gilt: Ein bisschen Öko ja, Respekt vor der neuen E-Auto-Konkurrenz Tesla ja. Die Wende wird kommen ja - aber bitte nicht zu schnell.

Bei den Fachdiskussionen klingt das alles fortschrittlicher, in jeder Diskussion ruft mindestens ein Teilnehmer den Beginn einer neuen Ära aus - wahlweise steht der Durchbruch der E-Mobilität kurz bevor, oder er ist längst vollbracht. "Zwei Drittel der Deutschen können sich vorstellen, dass ihr nächstes Auto einen elektrischen Antrieb hat", sagt etwa Till Sillober vom Energie-Versorger EnBW. Und er fügt - augenzwinkernd - hinzu: "Kaufen Sie sich ein Haus an einem lauten Straßenknoten, bald wird der Verkehr viel leiser sein und das Grundstück mehr wert sein."

Aber stimmt das, ist das E-Auto wirklich schon jetzt das Ding der Zukunft?

Während sich hinter den Kulissen die eingeflogenen Forscher und Entwickler zu allerlei technischen Themen in Dutzenden Workshops den Kopf zerbrechen, ist bei den Produkten der Aufbruch gebremst. "Wir sehen hier Evolution, aber noch keine Revolution", sagt Michael Kluger, Geschäftsführer des Forum Elektromobilität, einem Zusammenschluss von Herstellern und Verbänden. Es deckt sich mit der großen Frage nach den Fortschritten bei der Batterietechnik: die Stromspeicher werden jedes Jahr ein bisschen besser, aber die plötzliche Leistungsverdoppelung ist nicht zu erwarten. Wenn eine Revolution kommt bei E-Autos, dann im Markt, sagt Kluger. Geschäftsmodelle, die Strom für E-Autos vertreiben, die helfen, einen Wagen nur zu nutzen anstatt ihn zu besitzen - an solchen Dienstleistungen um die neuen Autos werde gefeilt: Und mit jeder guten Idee, die Autofahren einfacher und attraktiver mache, werde E-Mobilität attraktiver.

Weiterhin ringen die Hersteller um weltweit einheitliche Standards

Elektrische Roller, Motorräder, Autos und Lastwagen haben diverse Firmen aufgefahren. Bosch zeigt seine E-Achse, die vom kleinen Kurzstrecken-Auto bis zum großen Luxus-Wagen alle Fahrzeuge antreiben kann. Chinesische Hersteller zeigen Batteriezellen.

Und vor allem werden allerlei Ladesäulen, runde und eckige, wahlweise angepriesen als besonders formschön oder besonders schnell, wie die von Porsche. Auswahl gäbe es, jetzt müssten die Säulen nur installiert werden. "Die Infrastruktur ist weit weg vom Optimum", mahnt Maroš Šefčovič, Vizepräsident der EU-Kommission und ein Antreiber beim Thema E-Mobilität: Für Mittwoch hat er Firmen zu einem Gespräch über eine europaweite Kooperation bei der Technik von E-Autos geladen.

Ein Problem sind immer noch die fehlenden Standards, das ist oft zu hören auf der Messe. Viele Hersteller haben sich etwa bei Ladesteckern auf einen Standard namens CCS geeinigt. Aber nicht alle, Tesla etwa schert aus, auch manche asiatische Autohersteller. Einen großen Verein hat die Industrie deswegen gegründet, Charin genannt, um endlich auf einen Nenner zu kommen, der auch anderswo fehlt. Alle in der Branche sind sich eigentlich einig, dass Autos, Ladesäulen und Stromnetze, mithin auch Kraftwerke, miteinander kommunizieren müssen, "Smart Grid" nennen das die Ingenieure: Hier müssen 100 Wagen rasch geladen werden, dort können 500 Garagenparker mit ihren Batterien Strom puffern. Vielerlei gibt es abzustimmen. Renault hat hierfür eigens eine Tochterfirma gegründet, Renault Energy Services. Zudem bietet der französische Konzern eine App an, die das E-Auto Zoe mit den Energieversorgern verbindet. Doch: Es ist eine Insellösung bisher, denn auch hier fehlen weltweit gültige Standards.

Nächstes Jahr findet die EVS übrigens in Tokio statt. Unabhängig davon will Stuttgart von 2018 an regelmäßig eine eigene Elektro-Messe veranstalten. Auf dass die Stadt eines Tages tatsächlich zur Welthauptstadt der E-Mobilität wird. Ein weiter Weg, wie Landes-Verkehrsminister Winfried Herrmann (Grüne) dieser Tage aufzeigte: Diverse Städte aus Baden-Württemberg würden gerne Elektro-Busse kaufen, um die Luft sauberer zu bekommen. Doch so einfach sei das nicht, klagt Herrmann. Die deutschen Hersteller verkaufen noch keine E-Busse. Bislang gibt es nur ausländische Anbieter, aus Polen oder China.

© SZ vom 11.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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