Elektro-Mobilität:Ladehemmung

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Das Joint Venture der Hersteller BMW, Daimler, Ford und Volkswagen für ein europaweites Ladenetz nimmt Formen an - aber die Skepsis wächst.

Von Stefan Mayr

Eigentlich hatten die Hersteller BMW, Daimler, Ford und Volkswagen noch vor der Internationalen Auto-Ausstellung (IAA) einen großen Aufschlag mit einer gemeinsamen Erklärung geplant. Die Entwürfe der Pressemitteilung wurden zur Abstimmung zwischen München, Stuttgart, Wolfsburg und Köln munter hin und her geschickt. Doch dann wurde die Verkündigung der frohen Botschaft im letzten Moment verschoben. Grund: Es fehlt noch der Name für das Joint-Venture. Eine Kleinigkeit, könnte man sagen, aber offenbar nicht das einzige Problem.

Dabei haben die Manager schon einige wichtige Fragen geklärt, um endlich gemeinsam ihr europaweites Schnell-Ladenetz für Elektro-Autos in Angriff zu nehmen. Der Standort des Joint-Ventures steht fest - München. Und die zwei wichtigsten Personalien sind ebenfalls geklärt: Chef soll Michael Hajesch werden, ein E-Mobility-Experte von BMW. Ihm zur Seite wird Marcus Groll stehen, der bei Porsche das Thema Schnellladen betreut. Alles paletti also bei dem ehrgeizigen Gemeinschaftsprojekt, das der E-Mobilität auf dem Kontinent zum Durchbruch verhelfen soll? Mitnichten, sagt IG Metall-Chef Jörg Hofmann. "Bis 2030 wird das nichts mehr", schimpft der mächtige Gewerkschaftsboss, "der Bund hat noch nicht einmal die Kosten für den nötigen Ausbau der Infrastruktur kalkuliert."

Hofmann saß am Mittwoch neben den Betriebsrats-Chefs der deutschen Autohersteller mit Bundeskanzlerin Angela Merkel am Tisch, um sich über die Zukunft der Branche auszutauschen. "Ich habe ihr gesagt, man kann nicht nur auf Elektro-Autos setzen, wenn nicht erkennbar ist, dass die Stromversorgung der geplanten Schnellladepunkte gesichert ist", sagte Hofmann am Mittwochabend in Stuttgart. "Das ist ein Harakiri-Pfad."

Im November 2016 hatten die vier Hersteller erstmals ihr Joint-Venture angekündigt. Dieses soll europaweit ein "Ultraschnell-Ladenetz" aufbauen, mit dem Elektro-Autos innerhalb weniger Minuten vollgetankt werden können. Das Netz werde engmaschiger und schneller sein als jenes von Tesla, hieß es. Schon 2017 würden die ersten Säulen an Autobahnen stehen, und bis 2020 würde es "Tausende von Hochleistungsladepunkten" geben. Fast ein Jahr nach dieser Ankündigung ist noch keine einzige Stromtankstelle im Bau.

"Es gibt nullkommanull Planung für die Stromversorgung."

Das ist ein wenig berauschender Zwischenstand, wenn man bedenkt, dass Porsche schon 2019 einen rein elektrisch betriebenen Flitzer auf die Straße bringen will. Dieser benötigt aber ein leistungsfähiges Ladenetz, damit den Fahrern unterwegs nicht der Saft ausgeht. "Die Kunden brauchen ein Ultra-Schnellladenetz, weil sie nicht stundenlang in der Pampa stehen wollen", sagt IG-Metall-Boss Hofmann. Aber die technischen Voraussetzungen für solche Stationen seien weit und breit nicht in Sicht. "Es gibt nullkommanull Planung für die Stromversorgung", wettert Hofmann. Obwohl der Bund in Vorleistung gehen müsse, um die E-Mobilität angemessen zu fördern. Denn solange es nicht genügend Lademöglichkeiten gebe, würden auch die E-Autos Ladenhüter bleiben.

Die Pressesprecher der vier Autohersteller schweigen sich zu dem Thema aus. Bei der Siemens Energy Management in Erlangen sieht man die Lage gelassener als der Gewerkschaftschef. "Das Problem ist erkannt, das ist schon machbar", sagt ein Sprecher. Siemens ist im Juni wie BMW und Daimler beim Unternehmen Chargepoint aus dem Silicon Valley eingestiegen, das in den USA als Marktführer bei E-Ladestationen gilt. Chargepoint hat im Mai eine Niederlassung in Berlin gegründet und will für das Konsortium das Netz aufbauen. Chargepoint-Chef Pasquale Romano spricht von seiner "Vision, ein flächendeckendes, einfach zu bedienendes Ladenetzwerk in Europa zu schaffen". Der Schweizer Konzern ABB ist angeblich auch interessiert. Schließlich soll das Netz ganz Europa umfassen.

Als Stromversorger bewerben sich EnBW und Innogy. Zudem laufen Gespräche mit der Autobahn-Raststättenkette Tank & Rast, auf deren Flächen die Ladeparks entstehen sollen. Die Verträge sollen unterschriftsreif sein, heißt es, und schon bald soll endlich alles verkündet werden. Auch der Name des Joint Ventures. Irgendwann nach der IAA, aber noch im September. Damit es endlich richtig losgehen kann.

© SZ vom 08.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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