Edelmetall in der Krise:Gold wert

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Von wegen Vertrauensverlust: Obwohl der Goldpreis seit dem Rekordhoch im September 2011 um 29 Prozent gesunken ist, lassen sich private Anleger nicht abschrecken, sondern investieren gerade jetzt in das Edelmetall.

Von Melanie Staudinger

Robert Hartmann ist das Lachen noch nicht vergangen. Der Geschäftsführer von Pro Aurum steht im Foyer seines Unternehmens und blickt auf "Big Phil". Hinter schwerem Glas ist die Münze ausgestellt: 31 Kilo schwer, ein Durchmesser von 37 Zentimeter, der Nennwert liegt bei 100.000 Euro. Weltweit gibt es nur 15 Stück davon. Hätte man Big Phil vor ein paar Wochen verkauft, hätte man etwa 1,3 Millionen Euro dafür bekommen. "Heute ist die Münze vielleicht noch 1,05 Millionen wert", sagt Hartmann. Allein am vergangenen Montag ist der Goldpreis um neun Prozent gefallen, der größte Tagesverlust seit drei Jahrzehnten.

Mit diesem Einbruch haben selbst Experten wie Hartmann nicht gerechnet. Nach einer zwölf Jahre anhaltenden Aufwärtsbewegung hat das Edelmetall seit seinem Rekordhoch von 1923,70 Dollar je Unze im September 2011 damit 29 Prozent verloren. Der Preis steht momentan bei etwas mehr als 1400 Dollar je Feinunze. Wer nun aber dachte, dass der Absturz das Vertrauen hat schwinden lassen, der irrt. Ganz im Gegenteil: Während die Großanleger überall ihr Gold abstoßen, decken sich die kleinen Anleger mit immer neuen Vorräten ein.

Ein Gebäude wie ein überdimensionaler Goldbarren

Schon vormittags warten die ersten Kunden vor dem Pro-Aurum-Sitz in der Münchner Messestadt. Das Gebäude sieht aus wie ein überdimensionaler Goldbarren. Hartmann hat für seine Anleger extra einen Warteraum eingerichtet. Im Fernsehen läuft der Börsenbericht. Auf einem zweiten Bildschirm kann man verfolgen, wie viel Gold weltweit produziert wird. An der Wand sind Gold-, Silber- und Platinbarren ausgestellt. Daneben ein Zettel, die Mitarbeiter haben ihn aufgehängt: Die angegebenen Preise seien nur Indikatoren, der Markt sei sehr volatil.

Vor dem Fernsehgerät steht ein Mann in rotem Karohemd und grüner Jeans. Er ist der 34. Kunde heute, die Wartenummer verrät das. Seinen Namen will er lieber nicht in der Zeitung lesen, genauso wie die meisten anderen hier. Über Geldanlagen spricht man öffentlich nicht, und Goldkäufer zählen ohnehin zu den misstrauischeren Menschen. "Ich will die fallenden Preise nutzen", sagt der Mann. Angst, dass die Talfahrt noch weiter gehen könnte, hat er nicht. "Das ist ja eine langfristige Anlage", sagt er. Später wird er seine gekauften Barren in einer Reisetasche mit nach Hause nehmen, dann habe er immer Zugriff darauf, sagt er.

Bei Pro Aurum wird sehr auf Diskretion geachtet. Die Berater sitzen in geschlossenen Büros, die Kasse ist durch einen Sichtschutz abgetrennt. Von dort kommt gerade ein zweiter Mann. Er habe ein kleines Bauunternehmen und sei eigentlich wegen der Baumaschinen-Messe in München, erzählt er. Da das Messegelände nur wenige Meter entfernt liegt, sei die Gelegenheit günstig gewesen, auch noch bei Pro Aurum vorbeizuschauen. Seit zehn Jahren investiere er schon in Gold. "Zum Glück", wie der Bauunternehmer sagt, "mehr Sicherheit für das Ersparte gibt es nicht." Auch er wird seinen Barren mit nach Hause nehmen. "Ich habe da mehrere Nester, wo ich das Zeug verstecke", sagt er. Die meisten Kunden hier suchen nach einer sicheren Geldanlage. Durch Euro-Krise, Immobilienblasen und Bankenpleiten haben sie das Vertrauen in Geld und Aktien verloren. Einer von ihnen ist ein Rentner aus Rosenheim, der im Warteraum sitzt. Seine Stimme wird laut und aufgeregt, wenn er über Politik spricht. Für ihn sei das alles ein großer Betrug. "Als Privatmann werden Sie doch nur verschaukelt", sagt er. Beim Gold aber, da ginge das nicht so leicht.

Neben dem Rentner steht eine 48-jährige Frau aus Bad Tölz und nickt. Es gab Zeiten, in denen Gold noch viel weniger einbrachte als heute. Damals ist sie ins Gold-Investment eingestiegen. Jetzt will sie ihre Münzen und Barren wieder loswerden - sie ist eine der wenigen Verkäuferinnen heute. "Auch wenn die Preise gefallen sind, ich mache trotzdem noch Gewinn", erklärt sie. Wie viel Geld sie bekommen wird, will die Frau nicht verraten. Sie werde den Betrag aber erst einmal auf ihrem Konto parken und später vielleicht wieder in Gold investieren. Andere Anlageformen kommen für sie nicht in Frage.

"Gold ist die älteste Währung der Welt"

"Wenn Leute jetzt ihre Bestände verkaufen, geht es meist um sechs- oder siebenstellige Beträge", sagt Pro-Aurum-Geschäftsführer Hartmann. Dennoch sei das nur eine Minderheit, vielleicht zehn Prozent aller Geschäfte, schätzt er. Auf ähnliche Zahlen kommt auch Degussa-Gold. "Wir registrieren bei den Käufen das doppelte bis dreifache Niveau als in den ersten zwei Aprilwochen", sagt Geschäftsführer Wolfgang Wrzesniok-Roßbach. In den vergangenen Tagen hätten sich vor der Niederlassung in Frankfurt Schlangen gebildet. "Da stehen Studenten, Rentner und Investmentbanker", erzählt er. Ein Großteil der Kunden sei älter als 50 Jahre - er sieht Gold als Versicherung ihres Vermögens.

Bei Pro Aurum kommen bis zu 400 Kunden am Tag. Hier ist nicht zu spüren, dass Gold als Krisenwährung eigentlich unattraktiver wird, wenn das Wirtschaftswachstum robust ist, die Unternehmen hohe Gewinne machen und die Aktienmärkte sich stark präsentieren. Doch Aktien und Fonds lassen sich nicht wie Gold anfassen, wie eine 32-jährige Angestellte aus München betont. Sie hat Münzen gekauft, wie viele andere auch. Der Run ist so groß, dass manche Fabrikate wie die österreichische Silbermünze "Wiener Philharmoniker" ausverkauft sind. "Selbst wenn der Goldpreis total einbrechen würde, habe ich immer noch die Münzen und könnte theoretisch mit ihnen Einkaufen gehen", sagt sie. Dass das passieren wird, glaubt sie aber nicht: "Gold ist die älteste Währung der Welt, es war immer was wert."

© SZ vom 20.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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