Dover:Britischer Traditionshafen unterm Hammer

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Der britische Traditionshafen von Dover soll privatisiert werden - womöglich schlägt ein französischer Investor zu. Doch es gibt Widerstand.

Wolfgang Koydl, London

Rolls-Royce gehört Deutschen, der FC Chelsea einem Russen, das Kaufhaus Harrods einem arabischen Emir, und den Schokoladenkocher Cadbury haben Amerikaner übernommen - es gibt fast keine britischen Traditionsgüter mehr, die noch nicht an Ausländer verkauft worden wären. Wahrscheinlich würden sich die Briten nicht einmal wundern, wenn China den Buckingham-Palast kaufen würde.

Der Hafen von Dover: Bald könnte er den Franzosen gehören. (Foto: AFP)

Vergleichbar wäre ein solcher Verkauf nur mit Überlegungen, die nun den Volkszorn auf der Insel zum Kochen bringen: der Hafen von Dover soll privatisiert und damit an einen Investor veräußert werden.

Als ob das nicht schon besorgniserregend genug wäre, ist nun ein noch grässlicheres Gerücht in Umlauf gekommen: ein Interessent soll Franzose sein.

Als Inselnation hat das Vereinigte Königreich keinen Mangel an Häfen und Hafenstädten. Aber Dover an der äußersten Südostspitze nahm schon immer eine besondere Stellung ein - verkehrstechnisch, wirtschaftlich - vor allem aber im Seelenleben der Nation. Mit 16 Millionen Passagierbewegungen und 15,5 Milliarden Pfund Umsatz pro Jahr ist es einer der größten Häfen Europas. Nirgendwo ist der Kontinent näher: Nur 34 Kilometer trennen die Kreidefelsen von Dover von den Sandstränden bei Calais.

Modernisierung tut Not

Diese Felsen aber sind es, welche der Stadt ihren herausragenden Platz im Herzen der Briten eingetragen haben: Bevor man die Insel per Flugzeug oder Kanaltunnel erreichen konnte, waren sie das Erste, was Reisende von Britannien sahen, und das letzte Wahrzeichen, das hinter ihnen zurücksank, wenn ihre Fähre in den Kanal hinaus dampfte. "There'll be blue birds over, the White Cliffs of Dover", die Durchhalteschnulze der Weltkriegssoubrette Vera Lynn zementierte das romantisch-patriotische Bild auch noch für die Nachkriegsgenerationen.

Doch der harte Wind wirtschaftlicher Konkurrenz nimmt auf derlei nostalgische Ergüsse keine Rücksicht. Der Hafen muss dringend um einen Fähr-Terminal erweitert werden. Die derzeitigen Besitzer können jedoch auf Grund der altmodischen Eignerstruktur das dafür notwendige Geld nicht auf den herkömmlichen Kreditmärkten leihen. Der Port of Dover wurde auf Grund einer königlichen Charta von Jakob I. im Jahr 1606 als sogenannte Public Corporation gegründet. Diesen öffentlichen Körperschaften aber ist es untersagt, Kredite aufzunehmen.

Schon im Januar stellte der Aufsichtsrat des Hafenunternehmens daher einen Antrag bei der Regierung auf eine Privatisierung. Die Begeisterung der damals regierenden Sozialdemokraten hielt sich in Grenzen: Sie kannten die Einwände der Gewerkschaften gegen das Vorhaben. Doch die seit Mai regierende konservativ-liberale Koalition steht dem Projekt grundsätzlich aufgeschlossener gegenüber - nicht zuletzt dank eines willkommenen Nebeneffekts: Ein Verkauf würde schätzungsweise 300 Millionen Pfund in die klamme Staatskasse spülen.

Doch was, wenn Dover in ausländische, gar französische, Hände fiele? Dagegen regt sich Widerstand - und ein Plan. Angeführt von Charlie Elphicke, dem konservativen Abgeordneten für Dover, sollen die Bewohner der Stadt selbst ihren Hafen kaufen. "Mit 'nem Zehner", so der Volksvertreter, könne sich jeder an einem Fonds beteiligen, aus dem der Kaufpreis bestritten werden soll. Elphicke mag zwar ein Konservativer sein, aber er hat einen zündend revolutionären Namen gefunden. Das neue Dover, so sagt er, werde ein "people's port" sein - ein echter Volkshafen.

© SZ vom 02.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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