Dieselskandal:Verquer

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Ausgerechnet Volkswagen-Chef Matthias Müller wendet sich vom Diesel ab. Und hat so eine angeregte Debatte ausgelöst.

Von Max Hägler

Die schärfste Stellungnahme zu dem was man auch als Mobilitätsdebatte bezeichnen kann, kam in dieser Woche von der FDP. Ein "Diesel-Judas" sei VW-Vorstandschef Matthias Müller, schimpfte die Generalsekretärin Nicola Beer. Einer also, der die Freunde verrät, dem Untergang preisgibt. Und das zu Lasten anderer und zum eigenen Vorteil.

Es geht um diese Botschaft, die Müller per Handelsblatt verkündete: Weg mit den Subventionen für den Diesel - her mit Subventionen für Elektroautos, sagte der Chef von einem der größten Autokonzerne der Welt und drehte damit alles um, was bislang galt. Die Aufregung in den Tagen danach zeigt, dass diese Worte überfällig waren. Endlich diskutiert das Land über die Frage, wie die Menschen künftig von A nach B kommen sollen. Wobei die Linien einigermaßen verquer laufen. Und damit Gewohntes durcheinander kommt.

Doch noch einmal zum Anfang: Müller wartete in dem Interview mit allerlei Ungewohntem auf. Einem Tempolimit auf Autobahnen sei er nicht völlig abgeneigt, die Bahn halte er für ein gegenüber dem Auto satisfaktionsfähiges Verkehrsmittel - und eben: die Besteuerung für Autos sollte umgeschichtet werden. "Abstriche bei den Diesel-Subventionen, dafür Anreize für Elektroautos, wären das richtige Signal."

Alles Schrott? Alte Motoren- und Getriebeteile werden nicht mehr gebraucht, wenn das E-Auto zum Standard wird. (Foto: Michele Limina/Bloomberg)

Es ist eine nur auf den ersten Blick überraschende Botschaft aus dem Unternehmen, das den Dieselskandal verursacht hat. Denn schließlich ist sie nachvollziehbar, weil für VW mit dieser Antriebsart kein Stich mehr zu machen ist. Es gibt schon zu viele Bilder, in denen das VW-Logo ölverschmiert zu Boden kippt. Müller, der nicht unbedingt von nüchternem Temperament ist, möchte diese Story umschreiben. Und wenn das überhaupt gelingt, so glaubt er wohl, dann nur radikal: Weg mit dem Diesel in all seinen Facetten - her mit den Zukunftstechniken, in die VW so viel investiert wie sonst niemand.

Ein unzumutbarer Vorschlag, findet hingegen die FDP-Generalsekretärin. Der Konzernchef wolle offensichtlich "den ohnehin geschädigten Dieselfahrern" in die Tasche greifen, anstatt sie wie in den USA zu entschädigen. Ausgerechnet die FDP bedient sich dabei des Beispiels von der eher gering verdienenden Aldi-Verkäuferin: die könne sich nicht einfach ein neues Auto kaufen. Auch andere sind verärgert, etwa der Verband des Kraftfahrzeuggewerbes: "Erst löst VW durch manipulierte Dieselfahrzeuge einen Flächenbrand aus, und dann kippt der Chef auch noch Brandbeschleuniger drüber." Die Aussagen von Müller vermiesen den Werkstätten die Gebrauchtwagenpreise; und E-Autos fürchten sie sowieso, weil dort weniger zu reparieren sein wird. Es kommentiert weiterhin Ilse Aigner, als CSU-Wirtschaftsministerin in Bayern mit gewisser Autoexpertise ausgestattet, gegebenenfalls nach Rücksprache mit dem diesel-freundlichen BMW-Management: Müllers Vorstoß sei ein "Ablenkungsmanöver" - denn VW habe den Ruf des Diesels ruiniert. Statt das Vertrauen in diese Technik weiter zu unterminieren, solle sich der Konzern "seiner Verantwortung bei der Frage der Nachrüstung von Dieselautos" stellen. Aigner hat damit die meisten Bürgermeister, Kanzlerin Angela Merkel und die anderen deutschen Hersteller auf ihrer Seite. Die Konkurrenten von VW brauchen den sparsamen Diesel, um Klimaziele zu erfüllen und sie sind ohnehin in Unruhe, weil die Autowelt so unberechenbar geworden ist. Da soll wenigstens daheim alles wie gewohnt laufen, ohne Verrat.

Die neuen Freunde des streitbaren Autochefs sind indes ausgerechnet die früheren Gegner: "Herr Müller hat Recht", sagt Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD), die eigentlich überhaupt nicht geschätzt wird in Wolfsburg, lässt vorsichtig Zustimmung für Müllers Vorschlag verbreiten. Am Ende der Woche sagt dann einer der härtesten VW-Kritiker, Oliver Krischer, Fraktionsvize der Grünen im Bundestag: "Müller dafür zu kritisieren, dass er das Tricksen und Betrügen seines Unternehmens bei Millionen Dieselfahrern ablädt, ist völlig richtig. Ihn mit einem Judas-Vergleich zu belegen, ist völlig unakzeptabel." Da sei eine Entschuldigung fällig.

Die Debatte läuft heiß, darum sei zur Beruhigung angemerkt: Es geht Müller nicht darum, sofort alles umzubauen. Er spricht von "schrittweisem" Umstieg. Und sagt in dem Interview einen Satz, der für die Technik gelten kann, aber auch für die Wortbeiträge dieser Tage: "Die Zeiten des Entweder-Oder sind vorbei."

© SZ vom 16.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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