Diesel:Kaltstart

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So sieht er aus, der neue Renault Espace. Hier beim Genfer Autosalon im März 2015, ganz ohne Abgase. (Foto: Felix Kästle/dpa)

In der Abgasaffäre gerät nun der französische Autobauer Renault ins Zwielicht - wegen überhöhter Stickoxid-Werte bei Labortests.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Die Deutsche Umwelthilfe ist vorsichtig geworden. Kein Wort werde man über absichtliche Abschalteinrichtungen verlieren, sagt Umwelthilfe-Chef Jürgen Resch. Der "Klagedruck" sei so hoch, dass am Ende eine "Abschaltvorrichtung für uns" herauskommen könne.

Die Autoindustrie wehrt sich.

Bei seinem neuesten Fall spricht der Umweltverband deshalb nur noch von einem "auffälligen Muster". Aufgetreten ist es bei einem Renault Espace, 1,6-Liter-Motor, Diesel, und ja: Auffällig ist es. Im Prüfstand der Berner Fachhochschule habe man das Fahrzeug mehrmals dem europäischen Standardtest unterzogen, dem sogenannten Europäischen Fahrzyklus. Die Prüfer wollten herausfinden, ob das Auto die Stickoxid-Grenzwerte einhält.

In einigen Fällen klappte das, der Renault blieb unter dem Grenzwert von 80 Milligramm je Kilometer. Allerdings nur, wenn er kalt war und am Vortag entsprechend vorbereitet wurde - etwa durch Beseitigung aller Öl-Rückstände aus dem Motor. "Und am nächsten Morgen, oh Wunder, war das Auto sauber", sagt Resch. Unterziehe man das Auto aber ein paar Stunden später dem gleichen Test, mit einem dann wärmeren Motor, "dann haben Sie plötzlich 13- bis 25-fache Überschreitungen. Interessant sei das auch insofern, als normalerweise die Messwerte bei warmen Motoren niedriger seien als bei kalten - schließlich arbeite dann das System zur Abgasreinigung auf vollen Touren. Irgendjemand "mit übersinnlichen Fähigkeiten" müsse da seine Finger im Spiel haben, sagt Resch. Das Wort Manipulation nimmt er vorsichtshalber nicht in den Mund.

Sogar die Messgeräte machten zwischendurch schlapp - die Emissionen waren zu hoch

Diese Fähigkeiten allerdings müssen wirklich groß sein, denn selbst die Messgeräte machten zwischendurch schlapp - die Emissionen lagen außerhalb des Messbereichs. "Das habe ich zuletzt 1987 erlebt", sagt Axel Friedrich, einst Verkehrsexperte des Umweltbundesamtes, heute Berater auch der Umwelthilfe. "Eigentlich ist das nicht zu erklären." Selbst bei Volkswagen-Modellen seien solche Ausschläge nicht gemessen worden. Und nicht nur deshalb dürften die neuesten Enthüllungen den Wolfsburger Konzern etwas erleichtern. Erstmals ist damit ein Hersteller im Verdacht, der seine Fahrzeuge nach Deutschland importiert.

Die Messungen werfen abermals Zweifel an der Genehmigungspraxis in Europa auf. Denn nicht unabhängige Behörden messen die Emissionen, sondern die Hersteller selbst. Damit haben sie es auch in der Hand, die Autos vorzubereiten. Am Tag der Prüfung sind dann öffentlich zugelassene Kontrolleure dabei, etwa vom TÜV. "Es ist verrückt, dass in diesem Land der Hersteller selbst die Prüfung macht", sagt Friedrich, der diesen Missstand schon seit vielen Jahren beklagt. Bislang aber sei die Macht der Autokonzerne zu groß gewesen. "Jeder wusste es", sagt er. "Das war ein Kartell des Verschweigens." Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter spricht von einem "organisierten Versagen" bei Typenzulassung und Abgasmessungen. Es brauche endlich europaweit einheitliche Verfahren.

Erst kürzlich hatte die Umwelthilfe auch Abweichungen bei einem Opel Zafira publik gemacht. Anschließend habe man von einem Opel-Anwalt den dezenten Hinweis erhalten, man stehe nun unter besonderer Beobachtung. Opel hatte die Vorwürfe seinerzeit zurückgewiesen, mit Verweis auf den TÜV Hessen. Der habe korrekte Messwerte schließlich bestätigt.

Ähnlich konterte am Montagabend auch Renault. Alle Modelle entsprächen den vorgebenen Werten, erklärte der Konzern. Die Testverfahren in Bern seien "nicht durchgängig konform mit den Regelmessverfahren". Schnellstmöglich wolle man nun die Resultate der Umwelthilfe analysieren und aufklären. Das könnte ein hartes Stück Arbeit werden, diesmal für Renault.

© SZ vom 25.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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