Diesel-Affäre:Schwere Vorwürfe gegen Audi-Chef

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Ein gekündigter Ingenieur behauptet, Stadler habe schon 2012 vom Diesel-Betrug gewusst - und diesen auch mitgetragen.

Von Stefan Mayr, Heilbronn

Ulrich Weiß wirkt überaus angespannt und zum Äußersten entschlossen. Der gekündigte Audi-Ingenieur betritt am Dienstag mit ernster Miene den Sitzungssaal 1 des Arbeitsgerichts Heilbronn. Als einer der Anwälte seines ehemaligen Arbeitgebers ihm die Hand hinstreckt, verweigert Weiß den Handschlag schweigend. Der 48-jährige Ingenieur kämpft nicht nur um seinen gut dotierten Job als Chef der Dieselmotoren-Entwicklung, sondern auch um seine Ehre. Dabei erhebt er mit seinem Anwalt Hans-Georg Kauffeld schwere Vorwürfe gegen Audi-Chef Rupert Stadler. Sie legen Dokumente vor, die ihrer Meinung nach belegen, dass der Vorstandschef bereits 2012 von den Schummeleien mit den Audi-Dieselmotoren gewusst habe. Mehr noch: Sie behaupten sogar, Stadler habe den Betrug abgesegnet.

Auf dem Papier geht es in der Gerichtsverhandlung um die Weiterbeschäftigungsklage des Mannes, der im November 2015 beurlaubt wurde. Allerdings stellt sich eine viel brisantere Frage: Ab wann wusste Audi-Chef Rupert Stadler von der Schummelsoftware in Dieselmotoren des Volkswagen-Konzerns? Bislang betonte der Vorstandsvorsitzende stets, er habe erst Ende 2015 davon erfahren. Eine fragliche Darstellung - sollte stimmen, was Hans-Georg Kauffeld vorträgt.

Der Stuttgarter Anwalt zitiert aus einem handschriftlichen Vermerk, den ein Audi-Techniker am 24. Juli 2015 angefertigt habe. Darin hält der Leiter der Antriebsentwicklung fest: Vorstandschef Stadler und drei weitere Führungskräfte hätten ausdrücklich bestätigt, dass bei in Hongkong verkauften Dieselmotoren geschummelt werde. Dabei hätten Stadler und die anderen drei auch noch die Vertriebsabteilung angewiesen, Rücklagen zu bilden, um bei Bedarf die Katalysatoren auszutauschen.

Kauffeld legt auch eine interne E-Mail eines Audi-Mitarbeiters vor, die belegen soll, dass Stadler die Schummeleien maßgeblich mitgetragen habe. Kauffeld zufolge habe Stadler den "Audi-Produktsteuerungskreis" (APSK) geleitet, der im April 2012 entschieden habe, unsaubere Dieselmotoren zu verkaufen. So stehe es in einer Mail vom 18. Juli 2012. Darin schreibt ein Audi-Techniker: "Im APSK am 24.4. wurde im Rahmen der Clean-Diesel-Strategie besprochen, erst mal dreckig bezüglich RDE anzulaufen." Das Kürzel RDE steht für die tatsächlichen Emissionen auf der Straße.

Die Anwälte von Audi zweifeln die Belege an und bezeichnen die Argumentation des Klägers als "Polemik". Die öffentliche Verlesung weiterer Dokumente verhindern sie, weil dies ihnen zufolge Betriebsgeheimnisse verriete.

Zudem schlägt Audi mit voller Wucht zurück: Noch vor Beginn der Gerichtsverhandlung knallt ein Audi-Anwalt die Kündigung vor Ulrich Weiß auf den Tisch. Als Grund für den Rauswurf nennen die Juristen, Weiß habe 2015 im Zuge der Dieselaffäre Unterlagen vernichtet und vernichten lassen. Obendrein kündigt Audi eine Strafanzeige gegen unbekannt wegen falscher Verdächtigungen und Verrat von Betriebsgeheimnissen an. Das Arbeitsgericht Heilbronn verkündet seine Entscheidung im März. Dabei geht es nur um den Job von Ulrich Weiß - über den weiteren Weg von Vorstandschef Stadler wird an anderer Stelle entschieden.

© SZ vom 22.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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