Die Zukunft der Bahn:Das Gemeinwohl-Dilemma

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Wer starken Bahnverkehr haben will, braucht mehr als eine starke Bahn. Viele Strecken sollten für private Wettbewerber ausgeschrieben werden.

Michael Bauchmüller

Wer immer Hartmut Mehdorn beerbt, er wird nicht viel Freude haben. Er übernimmt ein Unternehmen im Zenit - von jetzt an geht es abwärts.

Mehr private Wettbewerber der Deutschen Bahn wie der Anbieter InterConnex würden dem deutschlandweiten Angebot gut tun. (Foto: Foto: dpa)

Das internationale Frachtgeschäft, das in den vergangenen Jahren die Bahn-Bilanzen kräftig aufhübschen konnte, bricht unter der Last der Wirtschaftskrise zusammen. Wo nicht gehandelt wird, wird nicht transportiert, der Mehdorn-Story vom globalen Logistiker fehlt damit gegenwärtig guter Stoff.

Daheim droht der Bahn der Verlust weiterer Aufträge im Regionalverkehr. Immer mehr Bundesländer vergeben ihre Zugstrecken an billigere Anbieter. Manche schließen die Bahn sogar gezielt von Strecken aus, um deren Konkurrenz auf die Beine zu helfen. Gewonnen hat die Bahn ohnehin zuletzt nur noch jede dritte Ausschreibung.

Der Zwang, wirtschaftlicher zu werden

Wachsender Wettbewerb, Krise bei der Logistik - die Bahn wird sich neu orientieren müssen, will sie weiter gute Zahlen schreiben. Sie wird sich stärker auf das Schienengeschäft konzentrieren müssen, muss aber gleichzeitig wirtschaftlicher werden.

Und genau da fängt das Problem an. Wirtschaftlich und für alle da sein, das geht bei der Bahn nicht. Es ging nie, und es wird nie gehen. Es gab Zeiten, in denen die Bahn für das "Dasein" der Massen sorgte, hemmungslos überall Züge fahren ließ - gleichzeitig aber Verluste in Milliardenhöhe aufhäufte. Und es gab Zeiten, in denen sie Gewinne machte - dafür aber nicht mehr überall hinfuhr.

Es ist das Verdienst Hartmut Mehdorns, die ehemalige Behörde Bahn in ein Unternehmen verwandelt zu haben. Wenn der Steuerzahler die Bahn schon entschuldete, so hatte er doch mindestens einen Anspruch darauf, dass das Unternehmen so wirtschaftlich wie möglich geführt wurde. Mehdorn, entschlossen und zu allem bereit, war dafür der Richtige. Vieles, was die Bahn heute auszeichnet, ist sein Vermächtnis; eine bessere Bahn als die hiesige findet sich in Europa allenfalls noch in der Schweiz.

Nicht mehr für alle da

Doch Mehdorns Erfolg hatte immer einen Haken. Die Bahn war nicht mehr für alle da. Wer schwarze Zahlen einfahren will, der streicht eben, was Verluste macht.

Eine ganze Zugflotte, der Interregio, fiel dem zum Opfer, und damit auch zahlreiche Verbindungen zwischen Städten, die zu klein sind für den Intercity - aber gleichzeitig zu groß, um nur von Regionalzügen bedient zu werden.

Wer schwarze Zahlen schreiben will, baut auch unnütze Weichen ab oder Ausweichstrecken - und verhindert so künftige Zuwächse auf der Schiene. Auch das geschah im börsenfixierten Konzern Hartmut Mehdorns. Und aus dem Blickwinkel der Wirtschaftlichkeit war es sogar geboten. Aber auch nur deshalb.

Doch das eine darf das andere nicht ausschließen. Zwar lässt sich ein Unternehmen wie die Bahn nur nach wirtschaftlichen Kriterien führen. Daneben aber muss die öffentliche Hand ein Mindestmaß an Versorgung und Infrastruktur definieren und auch finanzieren. Der Bund hat jetzt eine doppelte Chance. Er kann einen neuen Kopf für die Bahn bestimmen, und, wichtiger noch: Er kann Weichen stellen für eine neue Bahn.

Beides ist möglich: Wettbewerb und Aufträge

Eine neue Bahn, sie könnte künftig zwischen den deutschen Städten im Takt verkehren - jede halbe Stunde zwischen den Großstädten, jede Stunde zwischen Mittelzentren. Ihr Netz würde so ausgebaut, dass es künftig mehr Züge aufnehmen kann, insbesondere für Güter. Verbindungen zwischen Städten, die sich von selbst nicht tragen, würden vom Bund ausgeschrieben und bezuschusst.

Die Länder machen das seit Jahren vor. Auch der Regionalverkehr ist ein Zuschussgeschäft. Jährlich knapp sieben Milliarden Euro fließen in die Bestellung von Regionalzügen und Bussen. Ohne diese Zuschüsse wären ganze Regionen längst vom Bahnverkehr abgekoppelt. Vor allem aber werden die Strecken zunehmend ausgeschrieben. So ist beides möglich: Wettbewerb um Aufträge - und Anschluss für möglichst viele. Das geht auch mit Fernstrecken.

Es ist eine der Lebenslügen deutscher Verkehrspolitik: Eine starke Deutsche Bahn AG sollte stets Garant sein für starken Bahnverkehr für Deutschland. So musste sich der Bund nicht weiter kümmern. Aber so einfach ist es nicht.

© SZ vom 01.04.2009/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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