Die WAZ in der Krise:"Die Lage ist dramatischer, als sie je war"

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Sparzwang bei der WAZ-Gruppe: Die Kosten sollen um 30 Millionen Euro gedrückt werden. Der Verlag kündigt bereits einen Sozialplan an.

Dirk Graalmann

Bodo Hombach kam rasch zur Sache. Der Geschäftsführer der WAZ-Gruppe hatte an diesem Mittwoch gemeinsam mit seinem Kollegen Christian Nienhaus die Betriebsrats-Vertreter der vier Ruhrgebietstitel nach Essen einbestellt. Thema: der Umbau der WAZ-Gruppe.

Keine guten Nachrichten von der WAZ: 30 Millionen Euro sollen eingespart werden. (Foto: Foto: ddp)

Die beauftragte Unternehmensberatung Schickler hatte erste Zahlen geliefert, und Hombach war der Überbringer der schlechten Nachrichten. "Die Lage ist dramatischer, als sie je war", teilte Hombach den Arbeitnehmervertretern mit. Bis auf die WAZ seien alle nordrhein-westfälischen Zeitungstitel ( Westfälische Rundschau, Westfalenpost, Neue Rhein/Ruhr Zeitung) defizitär. Ziel der Geschäftsführung sei es nun, mindestens "eine schwarze Null" zu erwirtschaften. Dafür "müssen bei den Sach- und Personalkosten insgesamt rund 30 Millionen Euro" eingespart werden. Diese Marke, so der 56-Jährige, sei ohne "einen deutlichen Personalabbau" nicht zu erreichen.

Was dies konkret bedeutet, erläuterten die Geschäftsführer dann am Donnerstag in einer Mitarbeiterinformation. Man habe, schrieben Bodo Hombach und Christian Nienhaus, einen Zeitplan vorgelegt, "sodass wir sehr schnell in die notwendigen Verhandlungen über einen Sozialplan eintreten können".

Betriebsbedingte Kündigungen

Die befürchteten betriebsbedingten Kündigungen sind somit offenkundig beschlossene Sache. Spätestens am 21. November, wenn die detaillierte Schickler-Expertise vorliegt, will die Geschäftsführung den Betriebsrat "abschließend über die Lösungsvorschläge informieren". Dabei geht es neben Personalabbau auch um eine Kostenreduktion, zum Beispiel laut Geschäftführung über "eine Umfangsreduzierung". Auch über eine titelübergreifende Zusammenlegung von Redaktionen oder die Schließung von Lokalredaktionen werde diskutiert. Ohne eine Reduktion der Sachkosten könnten bis zu 300 der insgesamt 900 Stellen betroffen sein. Diese Zahl, so wird aus allen WAZ-Redaktionen kolportiert, habe Hombach den Betriebsräten selbst genannt. So weit soll es nach dem Willen beider Seiten nicht kommen. Bis zum 31. Januar 2009, so sieht es der Zeitplan vor, soll vielmehr eine endgültige Einigung über den Personalabbau erzielt haben.

Die Maßnahmen werden auch den neuen NRW-Verlagsgeschäftsführer interessieren. Wie das Unternehmen bestätigte, wird Harald Wahls die neu geschaffene Position übernehmen. Derzeit steht der 52-Jährige noch bei der GWP, Vermarktungstochter der Handelsblatt-Gruppe, im Sold. Wahls ist nicht der einzige Neue im Führungszirkel. Auch die Stellung des WAZ-Chefredakteurs Ulrich Reitz wird gestärkt. Der 48-Jährige, der das Blatt seit Amtsantritt 2005 mächtig umgekrempelt hat, wurde in den nun 14-köpfigen Geschäftsleitungskreis berufen, um dort die NRW-Titel zu vertreten.

Ein Hieb aus Dortmund

Dabei hat Reitz derzeit nicht das beste Blatt auf der Hand, schließlich hat die WAZ von allen NRW-Titeln offenbar die größten Auflagenverluste zu verzeichnen. Dies geht aus einer Mail der WR-Chefredakteurin Kathrin Lenzer hervor, die sie Montag ihrer Belegschaft in Dortmund zukommen ließ.

Lenzer, intern heftig umstritten, nutzte ihr Rundschreiben zur Vorwärtsverteidigung. Die Abo-Verluste der Westfälischen Rundschau lägen nach den September-Zahlen bei 2,65 Prozent. "Das sind aktuell die geringsten Abo-Verluste aller NRW-Titel", schrieb Lenzer mit vernehmlichem Stolz und schob die traurigen Zahlen der hauseigenen Konkurrenz hinterher. Demnach hätte die WAZ im Vorjahresvergleich satte 4,19 Proåzent verloren, die NRZ 3,05 Prozent und die WP 2,8 Prozent. Offenbar ermuntert von den Zahlen, die Lenzer ihrer neunmonatigen Arbeit zuschrieb, setzte die 37-Jährige zur Blutgrätsche an: "Der alte Kurs hat unserer Zeitung erhebliche Verluste eingebracht", mahnte Lenzer die Belegschaft und schob nach: "Dringend notwendige Maßnahmen, die unsere Zeitung zukunftssicher gemacht und die Belegschaft geschont hätten, sind in der Vergangenheit weder angepackt noch umgesetzt worden."

Ein deftiger Hieb gegen Vorgänger Klaus Schrotthofer, der auch in der Essener Zentrale für Irritationen sorgen dürfte. Das Pikante daran: Schrotthofer wurde im Januar zum Geschäftsführer der WAZ-eigenen Zeitungsgruppe Thüringen berufen. Er ist ein Kollege.

© SZ vom 24.10.2008/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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