Die Abgründe bei der Bahn:"Aufmüpfigem Mitarbeiter" die Festplatte ausgebaut

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Die Deutsche Bahn hat mehr als ein Jahrzehnt lang ihre Belegschaft systematisch ausgespäht - die Dokumentation eines besonders krassen Falls.

Klaus Ott

Die Deutsche Bahn hat mehr als ein Jahrzehnt lang ihre Belegschaft systematisch ausgespäht - meist war das rechtswidrig. Zu diesem Ergebnis kommt der Berliner Datenschutzbeauftragte Alexander Dix in einem vorläufigen Abschlussbericht. sueddeutsche.de dokumentiert einen besonders krassen Fall.

Datenskandal bei der Deutschen Bahn - beim Staatskonzern wurden über Jahre hinweg Mitarbeiter durchleuchtet. (Foto: Foto: dpa)

Ende 2002 ging bei mehreren Finanzbehörden ein anonymes Schreiben ein, in dem ein Bahn-Insider das Unternehmen und Konzernchef Hartmut Mehdorn eines Steuerdelikts bezichtigte. Der Anonymus, er nannte sich Mehdorn, verfügte über Informationen, zu denen nur rund 40 Bahn-Mitarbeiter Zugang gehabt haben sollen. Die Bahn schaltete die zuvor schon wiederholt beauftragte Detektei Network ein, um diesen Beschäftigten zu ermitteln. Network ist auch in den Spitzelskandal bei der Telekom verwickelt.

Laut Dix-Bericht erhielt Network von der Bahn "Vergleichstexte" von vier Mitarbeitern, die als kritisch oder "aufmüpfig" galten und mit den in dem anonymen Schreiben aufgeführten Vorgängen zu tun hatten. Network beauftragte einen Schriftstilgutachter, die Texte zu prüfen.

Arbeitsgericht weist Kündigung zurück

Außerdem wurden bei der Bahn die Maildaten und Computer-Dateien von fast 40 Mitarbeitern erfasst. Bei einem Beschäftigten wurde sogar eine Datei kopiert, die ausdrücklich als privat gekennzeichnet war. Network nannte im November 2003 schließlich einen Hauptverdächtigten. Die Festplatte dieses Mitarbeiters wurde dem Dix-Bericht zufolge am 18. Dezember 2003 ausgebaut, der Verdächtige wurde später gefeuert. Das zuständige Arbeitsgericht erklärte die Kündigung aber für unwirksam.

Die anderen durchleuchteten Beschäftigten wurden laut Dix-Bericht weder von der Bahn noch von Network über die Untersuchungen informiert. Der Datenschutzbeauftragte rügt, dass Network von der Bahn auch Mails dieser Mitarbeiter bekam. Darunter ein Schreiben, in dem sich ein Beschäftigter beim Betriebsrat beschwert hatte, dass ein Urlaub abgelehnt worden sei. In anderen Fällen ging es beispielsweise um eine Gehaltseinstufung, eine Kündigung bei einer Krankenkasse oder einen Mietvertrag. Und um einen Grabstein, mit Geburts- und Sterbedatum. Die ausgewerteten E-Mails sollen bis heute bei der Konzernrevision erfasst sein.

Dix rügt, die Bahn hätte Network keine privaten E-Mails der Beschäftigten überlassen dürfen. "Die Datenübermittlung war rechtswidrig." Außerdem hätte die Bahn die betroffenen Mitarbeiter vorab über die Untersuchungen informieren müssen; die Ermittlungen wären dadurch nicht gefährdet worden. Die bis heute andauernde Speicherung der überprüften E-Mails verstoße gegen das Datenschutzgesetz.

Nach Ansicht von Dix hätte die Bahn zuerst klären müssen, ob die Überprüfung von 40 Beschäftigten angesichts des "nicht sehr schweren Tatvorwurfs" überhaupt verhältnismäßig gewesen wäre. Bei der Untersuchung hätten "nur dienstliche E-Mails verwendet werden dürfen".

Das ist nur einer von vielen Fällen, wenn auch ein besonders krasser. Insider sagen, was bislang bei der Bahn aufgedeckt worden sei, komme nur der "Spitze eines Eisbergs" gleich. Fortsetzung folgt.

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