Deutschland:Schreckensszenario

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Im Jahr 2030 könnten einer Studie der Bertelsmann-Stiftung zufolge bis zu 490000 Vollzeitpfleger fehlen. Es sei denn, die Politik greift ein.

Von Kim Björn Becker, München

Sie werden von Angehörigen zu Hause betreut, bekommen regelmäßig Besuch vom ambulanten Hilfsdienst oder verbringen ihren Alltag mit anderen Senioren im Pflegeheim: In Deutschland erhielten Ende 2015 etwa 2,9 Millionen Menschen Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung - etwa 3,5 Prozent der Bevölkerung, so viele wie niemals zuvor. Um sie herum ist in den vergangenen Jahren ein Markt entstanden, der immer weiter wächst: Schon jetzt bieten in Deutschland mehr als 13 000 Pflegedienste und fast 14 000 Heime ihre Dienste an; die gesetzliche Pflegeversicherung gab für die Betreuung der Alten und Kranken im Jahr 2015 mehr als 29 Milliarden Euro aus.

Weil die Menschen im Land immer älter werden, wird auch die Zahl der Pflegebedürftigen in Zukunft immer weiter steigen. Die Bertelsmann-Stiftung sagt in einer Studie voraus, dass 2030 schon fast 3,5 Millionen Menschen im Land Pflege benötigen werden. Doch manche richten den Blick noch etwas weiter in die Zukunft: Einer Prognose des Bundesgesundheitsministeriums zufolge werden im Jahr 2050 bereits mehr als 4,3 Millionen Menschen betroffen sein - jeder Zehnte in Deutschland wäre dann bereits älter als 80 Jahre. Noch gravierender fällt die Prognose des Statistischen Bundesamts aus, die im "Pflegereport" der Krankenkasse Barmer veröffentlicht wurde: Der Studie zufolge könnten im Jahr 2050 sogar fast 4,6 Millionen Menschen im Land pflegebedürftig sein.

Um die Senioren angemessen versorgen zu können, braucht es auch viel mehr Heimplätze

Wenn diese Prognosen auch nur annähernd zutreffen, fehlen in Zukunft voraussichtlich Tausende Pfleger. Ende 2015 waren bundesweit etwa 1,1 Millionen Menschen in der Branche tätig, allerdings viele davon in Teilzeit. Die Bertelsmann-Stiftung schätzt, dass schon im Jahr 2030 bis zu 490 000 Vollzeitpfleger fehlen könnten, wenn die Politik nicht gegensteuert. Andere Prognosen sind da etwas günstiger: Für das Jahr 2025 gehen die Experten des Statistischen Bundesamts in mehreren Rechnungen von einer Lücke zwischen 112 000 und 200 000 Vollzeitpflegern aus.

Am weitesten in die Zukunft schaute bisher das Institut der deutschen Wirtschaft Köln: Für das Jahr 2050 prognostizieren die Ökonomen, dass bundesweit mehr als 1,5 Millionen Vollzeitstellen in der Altenpflege erforderlich sind, um die Senioren angemessen versorgen zu können.

Mehr Pflege, mehr Heime, mehr ambulante Dienste: Die Anbieter benötigen dafür nicht nur Personal, sondern auch Platz - und der Bedarf wird in Zukunft zusätzlich auf den Immobilienmarkt drücken. Wie die Kölner Statistiker ebenfalls vor einigen Jahren ausgerechnet haben, kam die Pflegebranche im Jahr 2010 auf etwa 4,7 Millionen Quadratmeter Wohnfläche. Bereits im Jahr 2020 soll der Bedarf auf mehr als sechs Millionen Quadratmeter ansteigen - und sich danach noch einmal annähernd verdoppeln, auf geschätzte elf Millionen Quadratmeter im Jahr 2050.

© SZ vom 21.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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