Deutscher Ökonom Brunnermeier:Ein Landshuter gegen die Finanzkrise

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Markus Brunnermeier ist Notenbankexperte an der Princeton-Universität. (Foto: oh)

Markus Brunnermeier wurde vom späteren Notenbankchef Ben Bernanke entdeckt. Der Ökonom forscht an der Frage: Wie lassen sich Krisen verhindern?

Von Nikolaus Piper

Es gibt wahrscheinlich keinen Ökonomen, der mehr Nägel eingeschlagen hat als ich", sagte Markus Brunnermeier einmal dem Yale Economic Review. Eine bemerkenswerte Selbstauskunft für einen Wirtschaftsprofessor, der sich im Hauptberuf damit befasst, was die Leute in den Notenbanken und an hochkomplexen Finanzmärkten tun. Doch die ungewöhnliche Karriere des Ökonomen beginnt tatsächlich mit Nägeln.

Brunnermeier wurde vor 44 Jahren in Altdorf geboren, einem Vorort von Landshut. Seine Eltern besitzen dort eine Zimmerei, die Markus als ältester Sohn hätte übernehmen sollen. Deshalb schloss er die Schule mit der mittleren Reife ab und machte eine Ausbildung an den Finanzämtern von Landshut und München. Dabei entdeckte er sein Interesse an der Ökonomie, er holte das Abitur nach und studierte Volkswirtschaftslehre, zunächst in Regensburg, danach in Bonn, Nashville (Tennessee) und schließlich an der London School of Economics.

Dort entdeckte ihn schließlich Ben Bernanke. Der spätere US-Notenbankchef war damals Dekan der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät in Princeton und ausgewiesener Spezialist für die Weltwirtschaftskrise der 1930er- Jahre. Bernanke wollte ein Institut aufbauen, das sich dem Zusammenhang zwischen Finanzmärkten und Volkswirtschaft widmen sollte und suchte nach talentierten Ökonomen. Heute ist Brunnermeier Leiter dieses Bendheim Center of Finance.

Gefragt nach Büchern, die ihm wichtig sind, fällt Brunnermeier als erstes ein Klassiker ein: "A Monetary History of The United States 1857-1960". (Foto: N/A)

Der Professor berät auch die Politik

Um was es bei seinen Forschungen geht, erklärt Brunnermeier so: "Vor 2008 dachte man, Finanzkrisen seien ein Problem von Entwicklungsländern. Die Große Rezession hat uns eines Besseren belehrt." Was die Ökonomie bisher viel zu wenig beachtet habe, sei die Verschuldung von Banken und Haushalten als Auslöser von Krisen. Seine Innovation nennt Brunnermeier "I-Theorie des Geldes", wobei das "I" für "Inside Money" steht, also das Geld, das die Banken im Zuge ihres Kreditgeschäftes schaffen ("Giralgeld").

Unter den populärwissenschaftlichen Büchern hat Brunnermeier zuletzt fasziniert: "The Second Machine Age: Wie die nächste digitale Revolution unser aller Leben verändern wird". (Foto: N/A)

Der Grundgedanke sieht so aus: In einer schweren Krise wie 2008 oder 1929 geht die umlaufende Menge an "Inside Money" zurück, weil die Banken keine Kredite mehr vergeben. Als Reaktion muss die Notenbank ihr eigenes Geld in den Markt pumpen (was Federal Reserve und Europäische Zentralbank, EZB, taten und immer noch tun). Das reicht aber nicht, denn wenn die Bilanzen der Banken mit faulen Krediten von Unternehmen, Haushalten und Regierungen belastet sind, werden sie trotz der Geldschwemme keine Kredite vergeben. Also müssen die Politiker Preisstabilität, Finanzstabilität und gesunde Staatsfinanzen gleichzeitig verfolgen, was bisher nicht geschehen ist.

Das brisante Forschungsgebiet legt nahe, dass der Princeton-Professor auch die Politik berät. Tatsächlich bat schon der frühere amerikanische Finanzminister Timothy Geithner um seine Meinung, er beriet die Federal Reserve Bank of New York und er sitzt im Forschungsbeirat der Deutschen Bundesbank.

Wie kann man in Zukunft schlimme Krisen verhindern?

Vor vier Jahren legte Brunnermeier zusammen mit mehreren europäischen Kollegen einen Plan vor, der künftig Krisen in der Euro-Zone entschärfen könnte. Die Währungsunion leide unter einem "fundamentalen Widerspruch", sagt er. Einerseits soll es keine Hilfen für gefährdete Mitgliedstaaten ("No-Bail-Out-Klausel"). Andererseits werden alle Staatsanleihen, unabhängig von ihrer Bonität, gleich behandelt. "Das führt dazu, dass Haushaltskrisen, wie in Griechenland, automatisch zu Bankenkrisen werden." Dieser Falle könnte man durch Gründung einer Europäischen Schuldenverwaltung entkommen.

Die Idee: Die neue Behörde würde den Euro-Ländern ihre Staatsanleihen bis zu einer bestimmten Grenze abkaufen. Danach würde sie die Risiken neu mischen: Einerseits in supersichere Anleihen (European Safe Bonds, ESBies). Sie würden auch den Staatsbankrott eines Euro-Mitglieds aushalten und wären daher ein ideales Anlage-Instrument für Banken und Versicherungen. Andererseits gäbe es riskante "Junior Bonds", die dann Spielball für Spekulanten wären. Den hohen Risiken entsprächen unter Umständen auch hohe Erträge. Anders als bei den hochumstrittenen Euro-Bonds müssten hier nicht die Steuerzahler des einen Landes für die Anleihen der anderen bürgen. Der Risikoausgleich fände über den Markt statt.

Bisher hat niemand Brunnermeiers ESBies aufgegriffen. Er räumt auch ein, dass seine Erfindung in der akuten Griechenland-Krise nicht helfen würde. Sie könnte aber ähnlich schlimme Krisen in Zukunft verhindern. Der Plan liegt in den Schubladen von Bundesbank, Bundesregierung und beim Internationalen Währungsfonds. In einem neuen Papier, das er zusammen mit der Mainzer Professorin Isabel Schnabel, Mitglied im deutschen Sachverständigenrat, verfasst hat, plädiert Brunnermeier dafür, dass Notenbanken aktiv versuchen, die Luft aus Spekulationsblasen zu lassen: besonders die Federal Reserve hatte bisher Scheu dies zu tun. Die aggressive Geldpolitik der Fed und der EZB hält Brunnermeier für richtig. Er räumt aber ein, dass jetzt alles davon abhängt, wie gut die Notenbanken zur Normalität zurückkehren. "Das letzte Kapitel ist dabei noch nicht geschrieben", sagt er.

Brunnermeier ist mit der in Indien geborenen Umweltökonomin Smita Brunnermeier verheiratet. Sie lehrt an der Woodrow Wilson School in Princeton. Das Paar hat zwei Töchter.

© SZ vom 04.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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