Deutscher Mittelstand:Was macht eigentlich ... Karl Haeusgen

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Eine Produktionshalle von Hawe Hydraulik. (Foto: oh)

Der Mittelstand gilt als Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Aber womit verdienen die Familienunternehmer eigentlich ihr Geld? Wir stellen einige von ihnen vor. Diesmal spricht Karl Haeusgen, Vorstandschef und Eigentümer der Hawe Hydraulik SE aus München.

Von Elisabeth Dostert

Herr Haeusgen, was machen Sie eigentlich?

Wir produzieren hydraulische Komponenten, zum Beispiel Ventile und Pumpen.

Worin besteht die Kunst?

Unsere Hydraulik ist dazu da, schwere Lasten feinfühlig und präzise zu bewegen.

Wo stecken die Ventile und Pumpen drin?

Es gibt kaum eine Maschine ohne Hydraulik. Deshalb ist es so wunderbar, solche Komponenten zu verkaufen, weil ich Dinge zu sehen bekomme, die andere nie sehen.

Was denn zum Beispiel?

Tunnelbohrmaschinen, die Spieleraustrittsklappe in der Allianz-Arena, Pferdelaufbänder, die gibt es in jeder Pferdeklinik, oder halbautomatische Kamelwaschanlagen in Saudi-Arabien. Da steckt überall Hydraulik drin.

Wie funktioniert eine Kamelwaschanlage?

Das Kamel wird von zwei sehr komfortablen Ledergurten an einem Schwenkarm hochgehoben. Dann wird das Tier in ein wohltemperiertes Bad abgesenkt und eine Weile gebürstet.

Vermutlich eher eine Anlage für Edelkamele?

Ja, das leistet sich nicht jeder. Die großen Abnehmer unserer Komponenten sind aber eher die Hersteller von Baumaschinen, Gabelstaplern oder Landmaschinen.

Macht Caterpillar Ärger, wenn Sie auch Komatsu beliefern?

Es gibt schon Maschinenbau-Unternehmen, die sich Exklusivität wünschen. Wir vermeiden das eher. Wir wehren uns nicht gegen Konzerne, aber echte Massenfertigung machen wir nicht.

..weil Sie preislich nicht mithalten können?

Ist ja klar. Je größer und standardisierter die Menge, um so mehr läuft über den Preis. Unser klassischer Abnehmer ist eher der Mittelstand, der spezielle Lösungen sucht. Firmen wie Herrenknecht, die in einer Nische Weltmarktführer sind. Der hat einen hohen technologischen Anspruch für seine Tunnelbohrmaschinen und den erfüllen wir. Da geht es um Millimeter.

Was kosten die Komponenten?

Wir machen fingerhutgroße Ventile, die kosten vielleicht 3,50 Euro. Die komplette Bewegungssteuerung eines Lkw-Krans oder eines Betonverteilers kostet 2500 bis 3500 Euro. Wenn wir nicht nur die Ventile, sondern die gesamte Kraftquelle einschließlich Pumpe, Motor, also das gesamte Hydraulikaggregat liefern, dann kann das auch schon mal 25000 Euro kosten.

Wie sind die Stückzahlen?

Es gibt Varianten, von denen stellen wir 50 Stück her, von anderen vielleicht 100 000. Das ist die große Herausforderung, jede Stückzahl kostengünstig herstellen zu können.

Wie viel machen Sie selbst?

Unsere Wertschöpfung liegt bei 70 Prozent. Das ist auch eine Art Kopierschutz. Hydraulik ist an sich eine reife Technik. Die stürmt nicht vorwärts wie die Nano- oder Biotechnologie, von der man heute nicht sagen kann, wie weit sie in fünf Jahren ist. Wenn wir verhindern wollen, dass wir nachgeahmt werden, ist das Produktions-Know-how wichtig. Der Schutz der Produkte durch Patente und Geschmacksmuster ist begrenzt.

Ihre Mutter hat das Lyrik-Kabinett in München gegründet. Ist in Ihrem Unternehmer-Alltag noch Zeit zum Lesen übrig?

Ja. Derzeit lese ich zum Beispiel "Postheroisches Management" von Dirk Baecker, das Buch ist schon 20 Jahre alt. Ein wunderbares Buch mit steilen Thesen, was Management eigentlich bedeutet. Viele der Sachbücher, die ich lese, hat mir meine Mutter geschenkt, auch das von Dirk Baecker.

Kommt denn auch mal ein Gedichtband rüber?

Ja, aber ich lese sie kaum, obwohl ich das Lyrik-Kabinett unterstütze ....

Sie sitzen im Stiftungsvorstand des Kabinetts!

...aber ich bin da weniger für den kulturellen Inhalt als die betriebswirtschaftliche Vernunft zuständig. Die Leidenschaft für zeitgenössische Lyrik habe ich noch nicht entwickelt. Die berühmten klassischen Balladen finde ich auch schön. Und wenn es sich reimt finde ich Robert Gernhardt oder Ringelnatz ganz große Klasse. Aber eines der spannendsten Bücher, das ich in den vergangenen Jahren gelesen habe war "Thinking fast and slow" von Daniel Kahnemann. 600 Seiten, ein echter Brocken, habe ich auch von meiner Mutter. Das ist ein phantastisches Buch. Es widerlegt den Homo Oeconomicus. Den rational entscheidenden Wirtschaftsteilnehmer gibt es nicht.

Dachten Sie bis dahin, den gäbe es?

Schon. Meine Sicht auf das Entscheidungsverhalten, auch auf mein eigenes, hat das Buch jedenfalls verändert.

Bis dahin dachten Sie, dass Menschen rationaler entscheiden?

Sicher nicht zu 100 Prozent, aber ich hätte den rationalen Anteil einer Entscheidung auf 80 Prozent geschätzt. Heute sage ich: weniger als die Hälfte. Es gibt auch Mechanismen, die waren mit nicht so bewusst. Zum Beispiel wie das Setzen von kommunikativen Ankern darauffolgende Entscheidungen beeinflusst.

Ein Beispiel?

Nehmen wir mal an, wir haben eine schwierige Entscheidung im Vorstand zu fällen. Und ich beginne die Diskussion damit, dass ich den drei Kollegen erst einmal meine Meinung zum Thema sage. Dann können sie nicht mehr unabhängig urteilen, sie werden immer bewusst oder unbewusst den Anker meiner Einleitung in ihre Entscheidung mit einbeziehen.

Führen Sie heute Diskussionen anders als vor der Lektüre Kahnemanns?

Ja, offener. Früher habe ich viele Anker gesetzt, weil ich dachte, die Kommunikation läuft dann besser. Das mache ich heute nicht mehr. Ich formuliere heute auch Emails anders, in denen ich die Meinung zu bestimmen Themen einhole. Ich versuche, jede Tendenz zu vermeiden, um ehrliche Antworten zu bekommen.

Sind die Entscheidungen besser geworden?

Ich meine schon.

Karl Haeusgen ist Vorstandschef der Hawe Hydraulik SE aus München. (Foto: oh)

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