Deutsche Bahn:Züge ohne Personal

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Die Tariflöhne der Bahn sind vergleichsweise hoch. Darum will die Bahn teilweise nun auf das Personal von Subunternehmen zurückgreifen - auch beim Lokführer. Die Mitarbeiter sind empört.

Daniela Kuhr

Es ist eine Meldung im EU-Amtsblatt, die trockener kaum ausfallen könnte. Fünf umständlich formulierte Seiten. Und doch sorgen sie bei den Angestellten der Deutschen Bahn für Empörung. "Das ist mal wieder ein Schlag ins Gesicht der eigenen Mitarbeiter", schreibt jemand namens Gerdi im "Bahner Forum", einer Internetsite, auf der Bahnmitarbeiter sich austauschen. Und Maik schimpft: "Wird immer schlimmer, was unser Arbeitgeber da treibt."

Ärger bei der Bahn: "Das ist mal wieder ein Schlag ins Gesicht der eigenen Mitarbeiter." (Foto: ag.ddp)

In der Bekanntmachung geht es um die Deutsche-Bahn-Tochter DB Regio. Sie bewirbt sich gerade in Mecklenburg-Vorpommern um einen Auftrag für das "Warnow-Netz", das Strecken rund um Rostock umfasst. Die DB Regio AG will diese Strecken mit ihren Zügen befahren. Allerdings nur mit ihren Zügen, nicht mit ihrem Personal. Das zeigt die Veröffentlichung im EU-Amtsblatt. Dort nämlich sucht DB Regio gerade Subunternehmer, die für mehrere konkret benannte Strecken das Personal stellen könnten, also Lokführer und Zugbegleiter.

Zu sachlich, zu nüchtern

Letztlich geht es darum, Kosten zu sparen. Das räumt Ulrich Weber, Personalvorstand der Deutschen Bahn, auch unumwunden ein: "Der Tariflohn der Deutschen Bahn liegt zum Teil 30 Prozent über dem Lohnniveau unserer Wettbewerber", sagt er. "Wenn wir für das Warnow-Netz zu den Bedingungen unseres bestehenden Tarifvertrags bieten würden, könnten wir die Ausschreibung nie gewinnen." Das klingt sachlich und nüchtern - für die Betroffenen aber zu sachlich und zu nüchtern, wie den Kommentaren im Bahner Forum zu entnehmen ist.

Traditionell gilt der Regionalverkehr als besonders lukrativ, da die Länder jedes Jahr für viele Milliarden Euro Verkehrsleistungen bestellen. Seit jedoch zunehmend Wettbewerber an den Start gehen, verliert die Bahn auf dem Gebiet schrittweise Marktanteile. Diesem Trend will der Konzern nicht tatenlos zusehen. Schon im vergangenen Jahr hatte er angekündigt, Tochtergesellschaften zu gründen, in denen das Fahrpersonal schlechter bezahlt werden soll als per Konzerntarif. Jetzt geht er noch einen Schritt weiter und bewirbt sich nicht mit Tochterunternehmen, sondern beauftragt gleich externe Subunternehmer. Für den Chef der Gewerkschaft deutscher Lokomotivführer (GDL), Claus Weselsky, ist das "der Gipfel". Alexander Kirchner, Chef der Bahngewerkschaft Transnet, spricht von einer "weiteren Eskalation in Richtung Lohn- und Sozialdumping".

"Notwehrsituation"

Weber dagegen sieht sich in einer "Notwehrsituation". Die Bahn stehe vor der Frage, ob sie mit niedrigeren Löhnen um Ausschreibungen kämpft oder auf die Aufträge verzichten solle. "Letzteres hätte zwangsläufig den Verlust von Arbeitsplätzen zur Folge." Weber betont, dass die Bahn nur vorübergehend so handle. "Nur bis wir einen Branchentarifvertrag haben, der für alle Eisenbahnunternehmen annähernd gleiche Löhne regelt." Dann würde der Wettbewerb allein über Qualität und nicht über die Lohntüten der Arbeitnehmer ausgetragen. Transnet und GDL denken ähnlich.

Die privaten Wettbewerber sträuben sich jedoch. Schon allein, weil sie sich solche Personalkosten gar nicht leisten könnten. "Einheitliche Löhne auf DB-Niveau wird es mit uns nicht geben",heißt es etwa beim Hamburger Bahn-Konkurrenten Benex. Wettbewerb setze regional unterschiedliche Löhne voraus, es seien nicht zuletzt die Fahrgäste sowie die auftraggebenden Länder, die vom Wettbewerb profitieren würden.

Und deshalb wird es wohl vorerst dabei bleiben, was Gerdi im Internet der Bahn vorwirft: nach außen gegen Dumping-Löhne zu protestieren, gewonnene Ausschreibungen aber selbst von "Billiganbietern" fahren zu lassen.

© SZ vom 26.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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