Deckname "Babylon":Bespitzelungsvorwurf gegen die Bahn

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Massive Vorwürfe: Die Bahn soll mehr als 1000 Mitarbeiter illegal bespitzelt haben - darunter etliche Top-Manager. Der Konzern wiegelt ab.

Die Deutsche Bahn hat einem Bericht des Magazins Stern zufolge in den vergangenen Jahren in großem Stil Mitarbeiter ausforschen lassen. Davon seien mehr als 1000 Personen betroffen gewesen, darunter ein Großteil des oberen Managements, berichtet das Magazin in seiner neuen Ausgabe, die am Donnerstag erscheint.

Ein Bahn-Mitarbeiter geht auf dem Rangierbahnhof in Maschen bei Hamburg seiner Arbeit nach. Bei dem Staatskonzern liefen möglicherweise unzulässige Rasterfahndungen. (Foto: Foto: AP)

Nach den Skandalen bei Lidl und der Deutschen Telekom müsse sich auch die Bahn massiven Vorwürfen von Datenschützern stellen. Der Konzern habe die Ermittlungsaktionen und mögliche Probleme beim Datenschutz eingeräumt. Ein Vergleich mit Datenschutzskandalen wie bei der Telekom sei jedoch "völlig falsch und abwegig".

Die Bahn reagierte mit einer Erklärung auf die Stern-Recherchen. In der Stellungnahme heißt es, der Hinweis auf mögliche Verstöße werde von Bahn-Datenschutzchef Wolfgang Schaupensteiner ernst genommen. Schaupensteiner war vor knapp zwei Jahren von der Frankfurter Oberstaatsanwaltschaft zur Deutschen Bahn gegangen. Sein Schwerpunkt bei Gericht: Der Kampf gegen die Korruption.

Eine abschließende Bewertung des Verfahrens stehe noch aus, hieß es weiter in der Bahn-Mitteilung. Insbesondere bestünden keine Anhaltspunkte für die Beteiligung von DB-Mitarbeitern an Straftaten. Überprüfungen von Führungskräften im Zuge der Korruptionsbekämpfung seien der Öffentlichkeit seit Juni 2008 bekannt, sagte Schaupensteiner. "Es gibt keine neuen Fälle, keinen neuen Sachstand", fügte er hinzu.

Selbe Detektei wie bei der Telekom

Der Stern beruft sich auf interne Auftragsunterlagen. In allen Fällen sei die Network Deutschland GmbH aktiv gewesen, dieselbe Detektei, die auch bei der Telekom für Spitzeldienste eingesetzt wurde.

Die Konzernrevision der Bahn habe Network zuletzt 2007 beauftragt. Die Aktionen liefen dem Bericht zufolge im Namen der Korruptionsbekämpfung.

Eine der Undercover-Aktionen trug dem Magazin zufolge den Decknamen "Eichhörnchen". Im Jahr 2003 habe Network offenbar auskundschaften sollen, ob Top-Manager der Bahn oder deren Ehepartner außerhalb des Unternehmens wirtschaftlich engagiert waren. Dabei habe sich kein konkreter Verdacht ergeben. Im Zuge der Aktion "Eichhörnchen" habe die Revision der Bahn eine CD-Rom mit den persönlichen Daten von 774 Führungskräften an die Detektei weitergereicht.

Bank- und Telefonverbindungen

Bereits zuvor im Dezember 2002 sei das Projekt "Babylon" über die Bühne gegangen. Network habe damals den Auftrag erhalten, Verbindungen zwischen Bahn-Mitarbeitern und Lieferanten zu ermitteln, so der Stern. Hunderte Personen seien im Zuge von "Babylon" gerastert worden, wobei die Maßnahme "dahingehend erweitert" worden sein soll, "auch die Bank- und Telefonverbindungen in die Untersuchung einzubinden".

Der zuständige Datenschutzbeauftragte von Berlin, Alexander Dix, sagte dem Stern: "Wir haben bei der Bahn erhebliche Verstöße gegen das Bundesdatenschutzgesetz festgestellt." Die Behörde prüfe, ob das Unternehmen ein Bußgeld zahlen und ob die Staatsanwaltschaft eingeschaltet werden müsse.

© sueddeutsche.de/dpa/pak/mel/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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